Vor unserem Zwischenseminar Mali Iđoš in Serbien haben wir Don Bosco-Europa-Voluntäre beschlossen, uns zwei Tage davor in Belgrad zu treffen. Eigentlich liegen Gjilan und Beograd – das ist die serbische Schreibweise – nur etwa 350 Kilometer Luftlinie auseinander. Trotzdem hat die Anreise fast 15 Stunden gedauert.
Gregor, der Voluntär in Tirana, ist Abends am Mittwoch dn 20.02.2019 zu mir gekommen, damit wir am nächsten Tag früh Morgens weiterfahren konnten. Also ab in den Bus nach Prishtina. Von dort aus dann weiter nach Skopje – jawoll, wir mussten einen Umweg über Nordmazedonien (bis zum 12. Februar „Mazedonien“ genannt) machen.
Die Grenzsitation zwischen Kosovo und Serbien
Es ist ziemlich kompliziert, herauszufinden, ob es für jemanden individuell wohl möglich sein wird, über die serbisch-kosovarische Grenze zu kommen. Ich war vorher noch nicht in Serbien, halte mich aber in dem Kosovo, einem – aus serbischer Sicht – serbischem Gebiet auf. Das bedeutet, wenn ich direkt von Kosovo nach Serbien fahre, reise ich quasi illegal ein, obwohl ich natürlich an der kosovarisch-serbischen Grenze kontrolliert und registriert werde. Aber eben nicht offiziell, denn das hieße ja, dass Serbien die Grenze anerkennt. Deshalb ist es auch problematisch, mit einem Reisepass nach Serbien einreisen zu wollen, in dem ein kosovarischer Stempel ist. Möglicherweise wird dieser von den serbischen Beamten unkenntlich gemacht. Deshalb hatte ich meinen Reisepass zwar dabei, habe aber meinen Personalausweis gezeigt.
Die Busfahrt zwischen Prishtina und Skopje
In Prishtina stiegen Gregor und ich also in den Bus, der durch einen Teil des Dinarischen Gebirges zwischen Kosovo und Nordmazedonien gekurvt ist. Die Strecke war für mich als Allgäuerin nicht so besonders, jedenfalls bis die Passträßchen so schmal wurden, dass es mit Gegenverkehr eng geworden wäre. Einmal wurde der Asphalt für einen kurzen Abschnitt unterbrochen und wir holperten über Schotter, bis plötzlich die normale Straße wieder anfing.
Vor den Fenstern zogen Wald und Wiesen, kleine Dörfchen und alte Friedhöfe vorbei. Kaum dass wir aus dem gröbsten Gebirge heraus waren, hielt der Bus am Straßenrand bei einem Dorf. Einer der Mitreisenden erklärte uns, dass alle aussteigen müssen.
Aussteigen? Nach Skopje, der Hauptstadt Nordmazedoniens, sah das aber nicht aus!
Draußen warteten zwei Autos. „Skopje!“, rief der Busfahrer und zeigte auf einen Van. Er war fünfsitzig, aber wir waren sieben Reisende, unseren Fahrer noch gar nicht mitgezählt. Da wir die Letzten waren, die ausstiegen und ihr Gepäck aus dem Bauch des Busses holten, wussten wir nicht, wo wir nun mitfahren sollten. Bis man auf den geräumigen Kofferraum deutete.
Da rein? Gregor und ich sahen uns verdutzt an. Nun, es blieb uns ja nichts anderes übrig…
Also saßen wir dort im Kofferraum mit einigen Gepäckstücken und einem weiteren Mitfahrer, der uns nach ein paar Minuten fragte, ob wir auch Englisch sprächen. Es stellte sich heraus, dass er aus Skopje war und diese Strecke schon kannte. Oder genauer genommen: Nicht kannte.
Er erzählte uns, er nehme oft diesen Bus, aber dieses Mal habe der Busfahrer eine ungewöhnliche Strecke gewählt. Dass man nicht in dem Bus weiterfahren konnte, läge vielleicht daran, dass es während der Fahrt anfing, seltsam zu riechen. Aber dass man in einem Kofferraum die Fahrt fortsetze, nein, also das sei ihm noch nie passiert.
In Skopje
Aber nun war es so. Zum Glück waren wir innerhalb von etwa zwanzig Minuten in Skopje angekommen. Unser freundlicher Mitreisender begleitete uns ins Zentrum. Dort blieben wir auf einer Brücke über den Fluss Vardar stehen. Der junge Mann klärte uns ein bisschen über Skopje auf:
Der Fluss trennt die Stadt in eine eher albanische und eine eher mazedonische Hälfte. Skopje ist nämlich sehr multiethnisch: Nur etwa zwei Drittel der Bewohner zählt sich zu der Ethnie der Mazedonier, etwa ein Fünftel zu den Albanern. Daneben gibt es noch Roma, Serben, Türken, Bosniaken und Zugehörige weiterer Ethnien.
Das Stadtbild hat sich im letzten Jahrzehnt ordentlich verändert. Die Regierung ließ von 2008 bis 2014 das Zentrum aufpolieren: Viele historisch anmutende Gebäude sowie jede Menge Statuen wurden gebaut und aufgestellt. So wirkt die Innenstadt wie eine schöne, ungewöhnlich geräumige und geordnete und top erhaltene Altstadt. In Wahrheit wurde aber das Gros der Gebäude vor nicht allzu langer Zeit gebaut oder ist zum Teil sogar noch im Bau.
Der Mann wies uns noch die Richtung zum Bahnhof, dann trennten sich unsere Wege. Wir bestaunten die vielen Brücken links und rechts, die Gebäude, Plätze und Statuen. Zufällig stießen wir auch auf das Mutter Teresa-Gedenkhaus. Nachdem wir da einen Blick reingeworfen hatten, gingen wir noch Pita essen.
Wo ist denn der Busbahnhof?
Eigentlich hatten wir ordentlich Zeitpuffer eingeplant, aber bis ich endlich aufgegessen hatte, mussten wir uns doch sputen. Wie uns von einem Passanten erklärt worden war, liefen wir zurück zum Fluss, nach rechts und dann nach der zweiten Brücke nochmal nach rechts – nur war da kein Busbahnhof. Also fragten wir eine Gruppe Jugendliche, die uns in gebrochenem Englisch grob den Weg erklärten und wir kapierten, dass es doch wesentlich weiter war, als wir dachten. Der Passant hatte wohl Autobrücken gemeint, aber wir hatten an die vielen Fußgängerbrücken gedacht und diese gezählt. Aber wir hatten nur wenig Zeit!
Zum Glück fiel mir bei der Ansicht einer Reihe Taxis ein, dass das doch eine schnelle, sogar einigermaßen billige Möglichkeit war. Also sprangen wir ins nächste Taxi und standen innerhalb weniger Minuten vor dem Busbahnhof. Wir hasteten hinein, zum Ticketschalter. Aber wir hatten nicht genug Mazedonische Dinar – Wechselstube suchen und nach etwas Verwirrung finden, Ticket kaufen, zum Bussteig eilen.
Geschafft! Etwa zwei Minuten vor Abfahrtszeit luden wir unsere Rucksäcke in den Bauch des Busses und suchten uns Sitzplätze.
Auf nach Serbien
An der Grenze nach Serbien lief für uns alles reibungslos, nur zwei junge Männer mussten sowohl bei den serbischen als auch bei den mazedonischen Grenzbeamten für ein paar Minuten in die Hauptgebäude der Grenzstationen. Ansonsten lief alles ruhig.
Bei einem Halt in einer serbischen Stadt hieß es dann plötzlich, dass alle aus- und umsteigen müssen. Schon wieder? Na gut, es blieb uns doch nichts anderes übrig. Allerdings stand dieses mal ein ganz normaler Bus bereit und es ging weiter wie vorher – bis auf eine Sache: Wir hielten so ziemlich in jeder Stadt, die an der Autobahn lag. Daher wurde es immer deutlicher, dass mit einer pünktlichen Ankunft in Belgrad jedenfalls nicht zu rechnen war. Aber Andreas und Aaron, ebenfalls zwei Voluntäre von Don Bosco, wollten uns doch am Busbahnhof abholen, wie konnten wir die nun erreichen?
Zum Glück hatte ich meine deutsche Sim-Karte auch noch im Handy. Über Roaming konnte ich deshalb SMS schreiben. Nach den Kosten habe ich vorsichtshalber noch nicht geschaut. Wichtiger ist, dass wir uns darüber verständigen konnten, wann und wo wir uns treffen würden.
Schließlich sind wir mit etwa zwei Stunden Verspätung angekommen. Nach dieser stundenlangen Fahrt ohne Pinkelpause mussten wir dringendst auf Toilette – aber die kostete und wir hatten natürlich noch keine serbischen Dinar. Auch das Personal anbetteln half nichts, also machte sich Gregor auf die Suche nach der nächsten Wechselstube, während ich mich an den mit Andreas vereinbarten Treffpunkt stellte. Kaum fand Andreas mich, kam auch Gregor mit Geld in Landeswährung zurück. Ich eilte erst mal zur nächsten Toilette. Und danach: Endlich konnten wir wieder etwas trinken! Während der letzten ein bis zwei Stunden mussten wir unseren Blasen zuliebe darauf verzichten.
Endlich angekommen
Nun liefen wir entspannt zu dem Hostel, in das wir uns eingebucht hatten. Also mehr oder weniger entspannt, es ging größtenteils bergauf. Nach einem Zwischenstop in einem kleinen, vollgestopften Laden – für Leute mit goßen Wanderrucksäcken auf dem Rücken sind sie definitiv nicht konzipiert – erreichten wir um etwa 23 Uhr das Hostel. Das Schöne war: Wir hatten ein Apartment bekommen. Und das allercoolste: Es war nicht in dem Wohnhaus, durch dessen Flur wir gehen mussten, um es zu erreichen. In einem der unteren Stöcke ging vom Treppenhaus eine Tür ab, durch die wir gingen. Nun standen wir auf einer kleinen Brücke über einem Mini-Hinterhof. Am Ende der Brücke war eine kleine Glasfront mit Tür. Dahinter ging es ein paar Stufen hoch, auf denen bereits einige Schuhe und Voluntäre standen. Aaron, Flora, Michelle und Johanna empfingen uns herzlich.
Flora ist ebenfalls eine Voluntärin von Don Bosco. Michelle und Johanna nahmen als Voluntärinnen der Franziskanerinnen an demselben Zwischenseminar teil wie wir und hatten sich unseren Belgrad-Plänen angeschlossen.
Nach einem großen Hallo gab es in der kleinen Küche des Apartments zusammengequetscht auf ein paar Stühlen am Küchentisch Nudeln. Natürlich wurde viel gequatscht, sich kennengelernt und ausgetauscht und Pläne für den nächsten Tag geschmiedet.
Davon wird der nächste Beitrag handeln. Vielen Dank, dass ihr mir bis hierhin gefolgt seid!
Liebe Grüße, eure Bettina, die inzwischen wieder im Kosovo ist
PS: Den Aufkleber im Foto ganz oben habe ich an der Brücke gefunden, auf der unser Mitreisender und wir Volos uns getrennt haben. Auch auf einer Mauer in der Nähe war der Schriftzug groß zu lesen. „J’existe“ ist Französisch für „Ich existiere“. Ich habe während dieser Reise auch gemerkt, dass ganz viel in mir existiert – volle Blasen, verspannte Nackenmuskeln… aber auch der Spaß am Neuen und Unerwarteten.
Verena
Liebe Bettina!
Danke für deinen neuesten Blogeintrag und die interessanten Fotos. Deine Reise nach Belgrad folgt wohl ganz dem Satz von Goethe: „Man reist ja nicht, um anzukommen, sondern um zu reisen.“ 😉
Ich wünsche dir auch im Projekt viele schöne und erzählenswerte Tage!!!
Ganz liebe Grüße aus der Heimat!!
Bettina Wopperer
Hallo liebe Verena!
Sehr gerne 🙂 Ja, die Reise war schon eine coole Sache! Wie der ganze bisherige Freiwilligendienst 😀
Liebe Grüße nach Hause,
deine Bettina