Von Katholiken in einem muslimischen Land

Wenn man so durch die Straßen lĂ€uft, sieht man es kaum, aber der Kosovo ist ein muslimisches Land. Das Einzige, was mir auffĂ€llt, ist, dass man eher eine Moschee als eine Kirche sieht und tĂ€glich Gebetsrufe durch die Stadt schallen.

Staat und Religion sind glĂŒcklicherweise getrennt, dennoch ist es alles andere als völlig egal, dass Don Bosko Gjilan eine katholische Organisation ist.

Wenn etwas passiert

Als Gjilan als Standort fĂŒr eine Don Bosko Schule ausgewĂ€hlt wurde, war den Bezirk nahezu hundertprozentig muslimisch. Entsprechend misstrauisch wurden die Salesianer damals also beĂ€ugt. Die Akzeptanz ist mit den Jahren gestiegen, da Don Bosko eine hochwertigere Bildung bietet als die staatlichen Schulen. Aber noch immer gibt es zahlreiche Leute, die die Schule am liebsten geschlossen sehen wĂŒrden. Entsprechend wird, sobald etwas passiert, alles doppelt und dreifach inspiziert, ob man Don Bosko daraus nicht vielleicht einen Strick drehen könnte. Deshalb mĂŒssen die Salesianer hier sehr aufpassen, dass alles glatt lĂ€uft.

In Don Bosko

Unsere Animatoren sind grĂ¶ĂŸtenteils muslimisch. Einige Eltern sehen es sowieso schon nicht gerne, dass sie jedes Wochenende zu unseren Treffen kommen und in den Winter- und Sommerspielen helfen. Dabei reden wir bei unseren Treffen nicht ĂŒber Religion – das Thema wird einzig dann angeschnitten, wenn wir ĂŒber Don Bosco sprechen, der schließlich ein Priester war. Katechismusunterricht wie er in anderen Don Bosco Institutionen ĂŒblich ist, gibt es bei uns aber nicht, sonst könnte man unsere Animatoren ganz schnell nur noch an einer Hand abzĂ€hlen.

Religionsunterricht gibt es nicht, nur Ethik. Mit den katholischen SchĂŒler und SchĂŒlerinnen treffen wir uns jeden Mittwoch nach Schulschluss fĂŒr einen Gottesdienst. Ansonsten spielt Religion keine Rolle.

Auf der Straße

Wenn ich in der Stadt unterwegs bin, kann ich meist nicht zuordnen, welcher Religion die anderen Passanten angehören. Hijabs und KopftĂŒcher sieht man relativ selten, gefĂŒhlt seltener als in der MĂŒnchner Innenstadt. Und die Kleidung, die hier von den meisten getragen wird, ist genauso westlich wie die in Deutschland. Dennoch weiß ich, dass die Leute ziemlich sicher muslimisch sind, denn Christen gibt es hier fast nicht.

Wie erlebe ich das?

Dank Wikipedia wusste ich schon bevor ich im Kosovo ankam, dass die Einwohner ĂŒberwiegend Muslime sind. Trotzdem gab es diesen Moment, in dem ich realisierte: Die SchĂŒlerinnen, mit denen du gerade sprichst, sind alle muslimisch. Du merkst es bloß nicht. Warum? Weil es kaum einen Unterschied macht, sie sind genauso Teenager wie die Jugendlichen in Deutschland. NatĂŒrlich, wenn man sich dann lĂ€nger und tiefgehender unterhĂ€lt, lernt man kulturelle Unterschiede, die teilweise auf der Religionsverschiedenheit basieren. Trotzdem macht es keinen Unterschied, wenn man gerade auf einem Schulausflug ist oder als Animator gemeinsam Spiele vorbereitet.

Warum fehlt mir diese Erfahrung? Wenn man mich jetzt fragt, wie viele Muslime ich vor meinem Freiwilligendienst gekannt habe, ist meine Antwort „vier – den MitschĂŒler aus der Grundschule, zu dem ich keinen Kontakt mehr habe, mitgezĂ€hlt“. Keine besonders beeindruckende Zahl, nicht?

Extremismus

Ich schÀtze, eine Frage brennt euch jetzt noch unter den NÀgeln: Wenn es so viele Muslime gibt, gibt es dann auch extremistische Muslime?

NatĂŒrlich gibt es hier Extremisten. Der traditionelle Islam hier ist zwar sehr liberal, aber saudi-arabische und tĂŒrkische Moscheen gewinnen laut Einheimischen an Einfluss. Daher ist der Kosovo das Herkunftsland mehrerer Extremisten, die in Syrien kĂ€mpfen oder gekĂ€mpft haben.

Macht mir das Angst? Nein, denn Erhan A. – ihr kennt den Namen bestimmt aus den News von vor ein paar Jahren im Zusammenhang mit Islamismus – hat auch in Kempten gelebt. David G. – ebenfalls ein Extremist – kam sogar aus einer christlichen, deutschstĂ€mmigen Familie aus Kempten. TerroranschlĂ€ge wie die Attacke auf den Berliner Weihnachtsmarkt am 19. Dezember 2016 gibt es hier bisher nicht.

Als vom Islam konvertierter Christ mĂŒsste ich aber eine andere Antwort geben, denn die werden von ihren Familienmitgliedern oft als eine Schande und als VerrĂ€ter angesehen und mĂŒssen besonders zur Zeit um die Konversion mit Gewalt aus dem Familienkreis rechnen, auch wenn die Familie zu den liberalen Muslimen gehört.

Falls ihr noch Fragen habt, meldet euch bei mir! Ich beantworte sie gerne.

Liebe GrĂŒĂŸe,

eure Bettina

PS: Das Bild oben entstand nicht im Kosovo sondern in Albanien. Aber hier in Gjilan gibt es natĂŒrlich auch (mindestens) eine Moschee.