Die Spuren des Konflikts mit Serbien

Die Republik Kosovo feiert zwar seit 2008 jÀhrlich am 17. Februar seine UnabhÀngigkeit, aber so klar ist die Situation noch nicht. Serbien sieht den Kosovo als Autonome Provinz Kosovo und Metochien, also als zu Serbien gehörig. 79 der 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen stimmen Serbien zu, jedenfalls haben sie die Republik Kosovo im Gegensatz zu den 114 restlichen Mitgliedsstaaten noch nicht als unabhÀngig anerkannt.

Warum gibt es ĂŒberhaupt einen Konflikt?

Ich kann das Ganze nur grob aus der Sicht eines Laien beantworten, denn dahinter steckt wahnsinnig viel Geschichte, die weit ĂŒber die Zeit Jugoslawiens hinaus geht. Aber ein Problem, dass ich persönlich ausgemacht habe, ist, dass die meisten Kosovaren der albanischen Ethnie angehören und sich als Albaner identifizieren, nicht als Serben. Die Serben gelten ihnen auf Grund der vorangegangenen Kriege (die natĂŒrlich auch einen Ursprung haben mĂŒssen) als Feinde.

Neue Zollauflagen fĂŒr Serbien

Seit Ende November 2018 sind alle in Serbien und Bosnien-Herzegowina hergestellten Produkte mit einem Zoll von 100 Prozent belegt. Seit 2019 sind ausnahmslos alle Produkte, die aus diesen LĂ€ndern nach Kosovo importiert werden, mit eben diesem Steuersatz belegt. Darunter fallen also auch Produkte die aus Deutschland, Österreich oder Schweiz ĂŒber Serbien in den Kosovo importiert werden. Dabei kommen sehr viele der im Kosovo erhĂ€ltlichen Produkte aus Serbien.

Im Alltag habe ich das schnell gespĂŒrt. Etliche Produkte, die wir im Schulkiosk verkauft haben, waren nicht mehr zu kriegen oder sehr teuer. Wir mussten Alternativen suchen. Dabei hilft es nicht, dass die meisten kosovarischen Produkte nicht einmal von der eigenen Bevölkerung gerne gemocht und gekauft werden.

Auch in den ganz normalen LĂ€den ist mir etwas fĂŒr mich Außergewöhnliches aufgefallen: Neben den Preisschildern ist die Flagge des Herkunftslandes befestigt. In Deutschland fĂ€nde ich das gar nicht schlecht, so muss man nicht ewig im Kleingeschriebenen auf der Packung nach dem Herkunftsland suchen. Dann kann man schneller das Produkt mit dem kĂŒrzeren Transportweg und damit hoffentlich geringerer Umweltbelastung wĂ€hlen. Aber hier geht es um etwas anderes: Man muss sich plötzlich bewusst entscheiden, welches Land man wirtschaftlich unterstĂŒtzen möchte. Oder anders gesehen: Nun kann man bestimmte LĂ€nder mit nur einem Blick diskriminieren.

Was – du gehst nach Serbien?!

Nicht nur, dass sich jemand gegen ein Produkt entscheidet, weil es aus Serbien kommt, habe ich gehört. Ganz oft hieß es: „Was – du gehst nach Serbien?! Was hast du denn da zu tun?“ Der Unterton sagte dabei meist so etwas wie: „Was willst du denn im Land unserer Feinde?“ Dass ich nun mal zum Zwischenseminar dort hin musste und nicht einfach nur Urlaub machte, beruhigte die Fragenden. Es kam auch mal: „Warum mĂŒssen die Organisatoren das Seminar ausgerechnet in Serbien abhalten?“

Insgesamt gab es viele Kommentare die halb scherzhaft gemeint waren, aber wegen ihrer HĂ€ufigkeit eine sehr ernste Seite haben. Die Abneigung gegen die Serben scheint tief verwurzelt zu sein.

Hass macht vor Nichts halt

Ein zerbrochener Grabstein. Die dort begrabene Person lebte von 1978 bis 1997 – sie wurde nicht einmal 20 Jahre alt.

Das ist mir auch letztens an einem Ort aufgefallen, an dem man hoffen wĂŒrde, nicht auf Feindlichkeit zu stoßen: Auf dem Friedhof. Das ist ein Ort, an dem man die Toten in Frieden ruhen lassen und trauen können möchte. Doch die Feindlichkeit der Ethnien macht auch vor diesem Ort keinen Halt.

Vor wenigen Tagen hatte ich die Chance den Friedhof von Gjilan zu besuchen. GlĂŒcklicherweise konnte ich auch den Bereich der alten GrĂ€ber ansehen. Es gab nicht nur verwitterte Grabsteine und GrĂ€ber von vor dem Krieg – der ja noch nicht einmal 20 Jahre her ist. Auch auf GrĂ€ber, die wohl absichtlich beschĂ€digt wurden, bin ich gestoßen. Etliche Grabsteine, die man durch die kyrillische Schrift der serbischen Sprache als serbisch identifizieren kann, wurden umgeschmissen oder zerschmettert.

Auf dem neueren Teil des Friedhofs habe ich zum GlĂŒck nichts derartiges gesehen, aber ich habe auch nur einen kleinen Teil des Friedhofs angeschaut.

Der Nationalstolz der Kosovo-Albaner

Allgemein ist es fĂŒr mich immer wieder erstaunlich, wie stolz die meisten Kosovo-Albaner auf „Shqiperia“ sind. Der Begriff steht eigentlich nur fĂŒr Albanien, wird aber unter den (Kosovo-)Albanern oft fĂŒr das gesamte albanisch-sprachige Gebiet verwendet. Schließlich nennen sie sich selbst auch „Shqiptar“, also Albaner und sprechen „Shqipe“, also Albanisch. Das grĂ¶ĂŸte Paradox ist fĂŒr mich, dass sie andererseits ihr Land schlecht reden und quasi jeder versucht, irgendwo anders hinzukommen, sei es nun Deutschland, Schweiz, Großbrittanien oder USA.

ZusĂ€tzlich bin ich solchen Stolz gar nicht gewöhnt. Man hisst die deutsche Flagge fast nur zu Fußballmeisterschaften (oder auf PEGIDA-Demos). FĂŒr mich persönlich ist „ich bin Deutsche“ vor allem eine geographische und sprachliche Zuordnung. Viele Leute in Deutschland geben nicht besonders viel auf ihr Deutsch-Sein. Eher hĂ€lt man etwas auf die deutsche Wirtschaft, das deutsche Staatssystem. Die GrĂŒnde dafĂŒr liegen vor allem im heutigen Blick auf die Geschichte Deutschlands, genauer gesagt auf die Zeit des Nationalsozialismus.

Hierzulande ist es ganz anders. Man ist stolz darauf, albanisch zu sein. Vom eigenen Staat und wie die Dinge im Land so laufen hĂ€lt man hingegen nicht gerade viel – das oben bereits erwĂ€hnte Paradox. NatĂŒrlich ist die Geschichte des Kosovos eine ganz andere als die Deutschlands. Zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts wurde die Region zwischen verschiedenen Herrschern und Regierungen hin und her gerissen, so auch unter der Existenz Jugoslawiens. Zu dem Zeitpunkt haben sich erste Forderungen nach einer eigenen Republik Kosovo geregt. Und heute steht der Kosovo immerhin mit einer UnabhĂ€ngigkeitserklĂ€rung da, auch wenn diese umstritten ist.

Vielen Dank, dass ihr bis hier hin durchgehalten habt. (Und denkt bitte daran – das ist nur mein Blick, meine Erfahrungen, mein Gehörtes.)

Liebe GrĂŒĂŸe, eure Bettina, die mit reichlich DenkanstĂ¶ĂŸen ĂŒberschĂŒttet wird