Was sind meine Aufgaben hier?

Jezuela und ich nach unserem bisher anstrengendsten Arbeitstag.

Hier gibt es so viele Aufgaben, ich weiß gar nicht, wo anfangen! Vielleicht mal von vorne:

Am ersten Tag, als sich Jezuela mir vorstellte, hieß es gleich: Mit ihr wirst du tĂ€glich zusammenarbeiten! Sie erledigt hier – ab jetzt mit meiner UnterstĂŒtzung – alles, was anfĂ€llt: TĂ€glich verkaufen wir im Schulkiosk GetrĂ€nke, Snacks und SĂŒĂŸigkeiten. Den Vorrat mĂŒssen wir regelmĂ€ĂŸig auffĂŒllen, was uns allwöchentlich SchweißausbrĂŒche beschert.

Was wir ebenfalls auffĂŒllen mussten: Unseren BĂŒchervorrat. Die Sache mit den alten und neuen BĂŒchern ist etwas kompliziert, die erlĂ€utere ich im nĂ€chsten Beitrag. Aber soviel sei gesagt: Sie bereitet von Sucherei bis Schlepperei ziemlich viel Arbeit.

Ansonsten fĂ€llt alles Organisatorische, beispielsweise Elternbriefe verteilen, an uns. Das erledigen wir oft in der nachmittĂ€glichen Lernzeit. Da passen Jezuela und ich auf alle Acht- und NeuntklĂ€ssler auf, oft unterstĂŒtzt von ein bis zwei Elft- oder ZwölftklĂ€sslern. In der Lernzeit erledigen die SchĂŒler und SchĂŒlerinnen ihre Hausaufgaben oder Lernen auf Tests. Dabei soll es natĂŒrlich möglichst leise sein. Wer schwĂ€tzt oder sich mit etwas Anderem als Schulstoff beschĂ€ftigt, muss mit einer Strafe rechnen. Das reicht vom Klassenzimmer aufrĂ€umen – was etwa fĂŒnf Minuten dauert – bis zum ein-, bei Ermahnungsresistenz auch zweistĂŒndigen Nachsitzen direkt im Anschluss an die Lernzeit.

Kurzfristiger Lehrerersatz

Jezuela und ich springen auch mal fĂŒr fehlende Lehrer ein: Sei es nur eine Vertretungsstunde oder aber eine ganze Woche. Leider hat der einzige Deutschlehrer der Schule am letzten Ferientag gekĂŒndigt, weil er beim Staat eine Stelle bekommen hatte. Der Leiter machte sich natĂŒrlich sofort auf die Suche nach jemand Neuem, aber das dauert doch mindestens eine Woche. Also habe ich ab Montag, den 10. September einige der Stunden ĂŒbernommen. Don Dominik und ein paar andere Lehrer konnten mir auch ein paar Stunden abnehmen.

Wie unterrichtet man als Abiturientin?

Ich stolperte etwas unvorbereitet in den Unterricht hinein: Ein Deutschbuch fĂŒr einen Vorkurs, das im SchulbĂŒcherarchiv lag, ein Blick hinein und ein paar Gedanken, was man machen könnte – aber keine Ahnung davon, was die jeweiligen Klassen bereits gelernt hatten und ebenso wenig fundiertes Wissen darĂŒber, wie man einen Unterricht strukturiert. Außerdem musste ich den Unterricht auf Englisch halten, schließlich reichte mein Albanisch nur fĂŒr eine freundliche BegrĂŒĂŸung.

Allerdings merkte ich bald, dass es fast nichts ausmacht, ob die Klasse noch fast gar keinen Unterricht hatte oder schon ein Jahr hinter sich hat – in der ersten Stunde habe ich jeden sich selbst vorstellen lassen, allein das hat meist die HĂ€lfte der Stunde eingenommen. Mit Klassen, die schon ein Jahr Unterricht hatten, habe ich hauptsĂ€chlich wiederholt – sich vorstellen, die Zahlen, das Wetter, die Monate. Ganz oft erklĂ€rte ich, wie ß und ss sowie diverse Buchstabenkombinationen die Aussprache eines Wortes beeinflussen.

Generell habe ich zu Beginn der Stunde eine Übung mit den SchĂŒlerinnen und SchĂŒlern gemacht und dann Fehler korrigiert, sowie die dazu aufkommenden Fragen beantwortet. Damit kam ich meistens ganz gut durch die Stunde – auch wenn das natĂŒrlich kein besonders gezielter, strukturierter Unterricht war. Ich bin schließlich keine studierte Lehrerin – das weiß jeder und deshalb wird von mir erwartet, dass ich mein Bestes gebe, aber nicht, dass ich perfekt unterrichte.

Eine Klasse hĂ€ndeln – eine Herausforderung

Unterricht in der siebten Klasse.

Mir wurde bereits Respekt dafĂŒr gezollt, wie selbstbewusst ich vor einer ganzen Klasse stehe – mit der ich mich zum Teil kaum direkt verstĂ€ndigen kann. Ich denke, auf diese Situation bin ich in der Realschule sowie im Gymnasium bestens vorbereitet worden – unzĂ€hligen Referate und etliche Tipps, wie man in PrĂ€sentationen das Publikum fesselt, stĂ€rken mir den RĂŒcken. GlĂŒcklicherweise bin ich auch sonst mit einem stabilen Selbstbewusstsein und einer Portion Heiterkeit gegenĂŒber Fehlern – den eigenen wie denen der anderen – gesegnet.

Den Wilkommensgruß einer der zwölften Klassen fand ich trotzdem nicht so amĂŒsant wie sie: Hier gibt es nur Whiteboards, die weißen ProjektionsleinwĂ€nde fallen davor also nicht auf. Das haben sie sich zunutze gemacht und die Leinwand vor dem Whiteboard heruntergekurbelt. Beinahe hĂ€tte ich darauf angefangen zu schreiben. Aber ich merkte, dass sich diese Schreibunterlage schon bei einer leichten BerĂŒhrung bewegte. Da habe ich ihnen klar gesagt, dass ich das fĂŒr keine angemessene BegrĂŒĂŸung fĂŒr eine neue Lehrerin halte.

Von sonstigen Streichen bin ich bisher verschont geblieben, auch wenn besonders die zwölften Klassen schwierig ruhig zu halten waren. Die GrĂŒnde sind offensichtlich: Ich bin zum Teil nicht einmal ein Jahr Ă€lter als meine SchĂŒler und SchĂŒlerinnen. Besonders die Jungs ĂŒberragen mich zum Teil um mehrere Köpfe. Ich spreche nicht ihre Muttersprache, daher kann ich kaum unterscheiden, ob sie nun ĂŒber Unterrichtsinhalte diskutieren oder nicht. Außerdem mĂŒssen sie in Deutsch keine PrĂŒfung schreiben – insofern sitzen sie die Stunden ab, ohne Sinn darin zu sehen.

Sprachen im Unterricht

Jezuela ist im Unterricht sehr wichtig, obwohl sie hauptsÀchlich am Rand sitzt:

Erstens bekommt sie als Einheimische wesentlich besser mit, was in der Klasse los ist. Das heißt, sie hat mir auch schon gesagt, dass mein Unterricht gerade nicht vorhandenes Wissen voraussetzt. So konnte ich manche Fragen klĂ€ren, die die SchĂŒlerinnen und SchĂŒler nicht an mich gestellt haben. Außerdem vertraue ich ihr völlig, wenn sie zwei SchĂŒler mitten im Unterricht zu Don Dominik schickt – sie bekommt nĂ€mlich besser mit als ich, wer Unsinn macht, weil sie versteht, was gesprochen wird. Zudem kann sie konstant die Klasse beobachten. Ich hingegen schenke meine Aufmerksamkeit abwechselnd jemandem, den ich an die Tafel geholt habe, und dem Rest der Klasse.

Zweitens sind gerade in den unteren Klassen die Englischkenntnisse noch nicht ausreichend, um meine englischen Anweisungen und ErklĂ€rungen zu verstehen. Selbst in den 12. Klassen musste sie manches ĂŒbersetzen. Ich wunderte mich ĂŒber die – nach meinem Ermessen – zum Teil verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig geringen Englischkenntnisse der ZwölftklĂ€sser. Jezuela erklĂ€rte mir, dass hier im Unterricht das Lesen und Schreiben in Englisch fokussiert wird, nicht aber das Sprechen. Auch eine ZehntklĂ€sslerin spiegelt mir das wider: Sie versteht mich gut, tut sich aber schwer, mir zu antworten. Deshalb bat sie mich um Nachhilfe im Englisch Sprechen.

Wieviel ich unterrichte

Unterrichtsvorbereitung an meinem Schreibtisch.

In der einen Woche ohne Deutschlehrer habe ich in der sechstes, siebtes, zehntes, elften und zwölften Jahrgangsstufe – insgesamt sieben Klassen – unterrichtet. Bisher habe ich zwölf Unterrichtsstunden gegeben und mit jeder Stunde fĂ€llt mir das Unterrichten leichter. Inzwischen unterrichte ich nur noch je eine Übungsstunde in der sechsten und siebten Klasse. Alle anderen Stunden hat die neue Deutschlehrerin ĂŒbernommen.

ZusĂ€tzlich zum stundenplanmĂ€ĂŸigen Unterricht werde ich ab dieser Woche der ZehntklĂ€sslerin Englischnachhilfe geben. Außerdem haben mich drei MĂ€dchen um zusĂ€tzlichen Deutschunterricht gebeten, der zwei Mal die Woche stattfinden wird.

In einigen Wochen werde ich natĂŒrlich auch darĂŒber (und ĂŒber vieles anderes) schreiben, aber erst mal kommt der Artikel ĂŒber die SchulbĂŒcher.

Bis dahin! Eure Bettina (die ihre langen und anstrengenden Tage hier liebt, weil sie glaubt, dass sie fĂŒr dieses Jahr genau am richtigen Ort mit der richtigen Arbeit und den richtigen Menschen gelandet ist)