Es gab Momente, die waren besonders

Das Praktikum in Belgien war eine besondere Erfahrung für mich. Davon bleiben natürlich einige Momente hängen. Ich habe hier ein paar kleine Erinnerungen für euch an Situationen, die besonders schön, stressig, lustig, herausfordernd oder anerkennend waren.

… anerkennend

In der ersten Woche, als ich bei den etwa Sieben- bis Zwölfjährigen in der Gruppe war, haben sich zwei Schwestern hauptsächlich an mich gewandt, egal was war. Sie konnten beide nur Französisch und hatten an zwischendurch Streit. Ich habe ihnen beiden zugehört und versucht zu erklären, was die Gründe für die Reaktion der jeweiligen Schwester sein könnten. Dadurch hat sich der Streit allmählich gelegt. Das mag nun nicht gerade als besondere Anerkennung erscheinen, hat sich doch keine der Beiden groß dafür bedankt. Und trotzdem fühlt es sich so an, weil ich weiß, ich habe da einiges an Geduld und Zeit reingesteckt – und etwas erreicht: Die Jüngere hat verstanden, dass die Älltere manchmal etwas alleine machen möchte, sie aber trotzdem noch lieb hat. Und die Ältere hat verstanden, dass die Jüngere frustriert ist, weil sie sich unbeachtet fühlt, und deshalb mit allen Mitteln ihre Aufmerksamkeit sucht.

Eine zweite Anerkennung war, als unser Playground-Leiter Maria und mir sagte, wir würden seine Erwartungen weit übertreffen.

Eine dritte Anerkennung war, dass uns die anderen Betreuer selbstverständlich in ihre Clique aufgenommen haben. Sie haben uns in ihre Gespräche eingebunden, haben viel mit uns gequatscht, obwohl natürlich immer wieder hin und her übersetzt werden musste.

… stressig

In der ersten Woche war ich auch einen Nachmittag bei den Kleinen, weil die Betreuer krankheitsbedingt nur noch zu zweit waren. An diesem Tag haben wir Wasserspiele gemacht, also mussten sich die Kids zwei Mal umziehen – ein ziemliches Chaos. So stand ich also im Sanitärraum der Jungs und alle wollten sich gleichzeitig auf den Toiletten umziehen. Der eine brauchte Hilfe beim Anziehen, der zweite konnte seine Schuhe nicht binden, der dritte fand seine Klamotten nicht mehr… Und zu allem Überfluss hat sich einer der Kleinsten nach seinem großen Geschäft nicht abgeputzt und hat den Boden dreckig gemacht, als er sich zum Anziehen hinsetzte. Da hieß es Prioritäten setzen und die weniger dringenden Fälle auf später zu vertrösten oder anzuspornen, es doch ersteinmal selbst zu versuchen. Das war stressig, aber lehrreich. Zum Glück hatten wir ansonsten meist kein Problem damit, zu wenig Betreuer zu haben.

… lustig

Wir haben gemeinsam mit den anderen Betreuern in dem Institut übernachtet, von Sonntagabend bis Freitagnachmittag. Da wächst man natürlich ein bisschen zusammen, schließlich macht man in der Woche alles gemeinsam, von der Betreuung über die Vorbereitung bis hin zu abendlichen Spiele- und Ratschrunden.

An einem der Abende sind wir auf den Hof raus gegangen, wo wir sonst auch mit den Kindern waren, und haben Kubb (auch unter Wikingerschach und ähnlichen Namen bekannt) gespielt. Dabei gab es eine ziemlich witzige Zusatzregel: Die umzuwerfenden Holzklötze hatten verschiedene Farben, denen bestimmte Handicaps zugeordnet waren. Wurde also ein Holzklotz umgeworfen, musste die Mannschaft, der der Klotz gehörte, zum Beispiel in dramatischer Slowmotion werfen. Oder rückwärts zwischen den Beinen hindurch oder einäugig oder zu zweit. Kombinationen sind ebenfalls herzlich willkommen! Und ja, es sieht sehr witzig aus, wenn jemand rückwärts am Spielfeldrand steht, sich nach vorne beugt, einen Stock langsam hin- und herschwenkt, dabei von jemand Zweitem gelenkt wird und sich auch noch ein Auge zuhält! Und wo der Stock am Ende landet, kann man sich vorstellen… 😀

… herausfordernd

Gegen Ende der zweiten Woche kannte ich auch die Kleinen etwas besser, weil ich die gesamte Woche bei ihnen verbracht hatte. Da haben wir nocheinmal Wasserspiele veranstaltet – was ziemlich witzig war, am Ende waren alle nass!

Das einzige Problem dabei war, dass sich einer der kleinen Jungs in die Hose pinkelte. (Natürlich hatten wir alle vorher auf die Toilette geschickt…) Also bin ich mit ihm zur Waschrinne im Sanitärraum der Jungs gegangen. Die Füße abwaschen war nicht schlimm, das fand er noch lustig. Aber als ich ihn dann in die Waschrinne setzen wollte, um ihm auch die Beine abzuwaschen, hat er angefangen, zu schreien und zu weinen und wollte wegrennen. Er war etwas wasserscheu und mochte höchstens ein bisschen in Wasserpfützen planschen. Ich versuchte ihm zu erklären, warum ich ihn abwaschen wollte, aber er hörte mir nicht zu und ich hatte nicht die richtigen Worte, um es ihm ordentlich zu erklären.

Zum Glück bekam Maria mit, dass ich ihn nicht beruhigen konnte und half mir. Von ihr hat er sich trösten lassen. Vermutlich weil sie erstens nichts mit dem Wasser zu tun hatte, zweitens ihn schon besser kannte und drittens besser Französisch sprach. Dann ließ er sich wenigsten grob mit dem Wasserschlauch abspritzen. Das reichte völlig aus.

In der Situation habe ich gemerkt, dass man selbst manchmal die Situation nicht so schnell lösen kann, weil man für das Kind mit dem Unangenehmen verbunden ist – in dem Fall dem Wasser. Zusätzlich konnte ich ihm die Notwendigkeit nicht richtig erklären und dass ich ihn ja gar nicht von oben bis unten nass machen wollte, sondern nur die Beine. Im Nachhinein denke ich, dass ich das Problem vielleicht mit viel Geduld hätte lösen können, wenn ich sofort mit ihm vom Wasserhahn weggegangen wäre und ihm damit den Druck vom nahen Unangenehmen genommen hätte. Dann hätte er sich eher beruhigt.

… schön

Auch auf der Rückfahrt von Halle war die Stimmung super. Im Hintergrund sieht man den Triumphbogen des Jubelparks (französisch: Parc du Cinquantenaire).

Ein Erlebnis, das mir wohl ewig im Kopf bleiben wird, war ein Abend in der ersten Woche mit den anderen Betreuern und dem Playground-Leiter. Wir wollten für das Abendessen den Playground in Halle (französisch: Hal) besuchen. Dafür haben wir einen neunsitzigen Bus genommen. Die Hinfahrt war wunderschön: Wir waren zwar alle etwas müde, aber gut gelaunt. Die Fenster waren offen. Der Wind ist sanft durch den Bus gefahren und hat die Hitze angenehm gemacht. Die Sonne stand schon tief, es lag ein warmes Orangerot über Allem. Im Radio liefen schöne, mitsingbare Songs. Und fast jeder hat mitgesungen.

Das war ein echtes Gefühl von Freiheit: Mit Freunden im Auto sitzen, singen und den Moment genießen.

Natürlich gab es noch so viele Momente mehr: Mein Geburtstag, gute Gespräche mit anderen Volontären, spätabends am Meer durch die Wellen springen (und sich dabei die Hose nass spritzen), Kinder trösten oder zum Lachen bringen, sie zum Nachdenken anzuregen und ihnen damit neue Erkenntnisse bringen… Man erfährt in dieser Zeit Freundschaften, die innerhalb kürzester Zeit wachsen; gegenseitiges Vertrauen, obwohl man sich noch gar nicht so lange kennt.

Ihr seht, es gab schon in diesem kurzen Praktikum Momente, die schwierig waren und andere, die wunderschön waren. Ich werde euch im Laufe des Jahres sicherlich von einigen solchen Momenten erzählen, die mir etwas bedeuten.

Bis dahin, eure Bettina

Die Ouvertüre

So wie es einer Ouvertüre zu Beginn von großen Bühnenwerken gibt, braucht jedes Auslandsjahr ein Praktikum als Einführung. Die meisten Freiwilligen sind für zwei Wochen in eine Don-Bosco-Einrichtung in Deutschland gegangen. Meine Ouvertüre war eine besondere: Ich durfte nach Belgien! Dort habe ich an „Youthopia 2018“ teilgenommen, einem Programm des European Voluntary Service (EVS). Es war also quasi ein zweiter kleiner Freiwilligendienst, der vom 06. bis zum 22. Juli ging.

Alles neu: Die erste Woche

Gemeinsam mit anderen Freiwilligen aus Slowenien, Slowakei, Tschechien, Ungarn und Montenegro haben wir ein Seminarwochenende verbracht. Es ging zum Beispiel darum, wie man ein Spiel vorbereitet und durchführt. Natürlich sprach man hier dank der Internationalität Englisch. An dem Wochenende haben wir auch erfahren, auf welchen Playground wir kommen. Marias und mein Glück war es, nach Brüssel auf den Speelplein Raccon zu kommen, wo die meisten Kinder sowohl Flämisch als auch Französisch sprechen können.

Wissenswertes über Belgien

Das Land ist in zwei große Regionen geteilt: Flandern und Wallonie. In Flandern wird Flämisch, quasi belgisches Niederländisch, gesprochen, in der Wallonie Französisch. In Brüssel werden beide Sprachen verwendet. Übrigens gibt es auch eine kleine Region in Belgien, in der Deutsch gesprochen wird.

Maria und ich vor einem Graffiti von Don Bosco auf unserem Speelplein Raccoon.

Da Maria (meine Mitvolontärin aus Deutschland, für die der EVS ebenfalls das Praktikum für ihr Auslandsjahr mit Don Bosco war) und ich beide in der Schule Französisch gelernt haben, war die Sprachbarrriere im Vergleich zu den anderen Freiwilligen wesentlich geringer, denn die waren alle auf Playgrounds in Flandern. Mit den belgischen Freiwilligen auf unserem Playground haben wir Englisch und Französisch gesprochen – nur einer konnte keines von beidem, aber mit Händen und Füßen, ein paar Brocken Englisch und Flämisch und einer Portion Geduld kommt man auch schon weit.

Wir Freiwilligen auf dem Speelplein Raccoon wurden nach unserer Ankunft dort am Sonntag Nachmittag in zwei Gruppen aufgeteilt: Eine für die Betreuung der kleineren Kinder von drei bis sechs Jahren (da war Maria dabei) und eine für die von sieben bis zwölf Jahren (da war ich dabei).

Auf unserem Playground sind etwa 40 bis 60 Kinder und 10 Betreuer. Damit ist Raccoon im Verlgeich zu anderen Playgrounds (z. T. ca. 350 Kinder und 50 Betreuer) noch sehr klein, aber er ist auch noch sehr jung. Die Freiwilligen auf unserem Playground blieben ein oder zwei Wochen, die Kinder konnten von Tag zu Tag entscheiden, ob sie kommen wollen.

Tagsüber haben wir die Kinder also entweder alle zusammen im freien Spiel oder in die zwei Gruppen getrennt im Spieleprogramm betreut. Die Kinder kamen morgens zwischen acht und neun Uhr und wurden abens zwischen fünf und sechs Uhr abgeholt. Danach haben wir Freiwilligen den nächsten Tag vorbereitet und haben mit Heißhunger zu Abend gegessen. Außerdem gab es im Laufe des Abends ein „Good Night“, also einen kurzen nachdenklichen Input, außerdem wurde natürlich viel gequatscht und gespielt. Sehr schön war, dass die belgischen Freiwilligen uns ganz selbstverständlich in ihren Kreis aufgenommen haben und uns auch alles zusammenfassend übersetzt haben, wenn es denn nötig war, denn Flämisch und Deutsch sind sehr ähnlich. Mit der Zeit konnte ich immer mehr verstehen.

Die zweite Hälfe des EVS

In Brügge.

Am zweiten Wochenende sind wir nach Brügge gefahren, wo wir in unseren Seminarsessions vor allem reflektiert haben, was wir so getan haben, was gut war und was verbesserungswürdig. Aber abgesehen davon kam auch der kulturelle Teil des Programms zum Tragen: Freitag Abend sind wir an die Nahe Nordsee gefahren, Samstag Nachmittag waren wir in Brügge in der Innenstadt, wo es wunderschöne alte Häuser gibt (und viele Touris). Am Samstagabend hatten wir nocheinen witzigen Auftrag: Wir sollten eine Fake-Hochzeit auf die Beine stellen. Also haben wir innerhalb von zwei Stunden eine interkulturelle Mini-Hochzeit auf die Beine gestellt: Zwei unserer Teilnehmer haben „geheiratet“. Ich war Trauzeugin und Brautjungerfer in einem. Es war ziemlich amüsant und schön!

Am Sonntag Abend ging es wieder zurück auf die jeweiligen Playgrounds. Ein paar Betreuer waren nicht mehr da, dafür waren neue dabei. Die Gruppen wurden erneut aufgeteilt und dieses Mal bin ich mit Maria zu den Kleinen gegangen.

Mein Fazit in Sachen Gruppenwahl: Speziell für diese Situation sind mir die Kleinen lieber, da mir da ein kleinerer Wortschatz ausreicht und sie leichter zu ermuntern sind als die Großen. Mit ihnen habe ich intensivere Momente erlebt als mit den Großen – im Schönen wie im Unangenehmen. Allerdings kann man mit den Großen wesentlich komplexere Spiele spielen und wahrscheinlich wären sie meistens einfacher zu händeln als die Kleinen, wenn man die Sprache besser könnte. Apropos Sprache: Manchmal wurden meine Gespräche ein bunter Sprachenmix, denn mit Maria und zwei Kindern habe ich zum Teil Deutsch gesprochen, mit den restlichen Kindern Französisch oder ein paar Brocken Flämisch, mit den belgischen Betreuern Englisch oder Französisch… Vier Sprachen auf einmal!

Am Abend des belgischen Nationalfeiertags in einem Park in Brüssel.

Das dritte und letzte Seminarwochenende fand in Brüssel auf unserem Speelplein Raccon statt. Nun ging es an endgültige Reflexionen – die bei mir sehr positiv ausgefallen sind – und noch ein bisschen Sightseeing: Am Samstag sind wir in Brüssels Innenstadt gegangen haben Manneken Pis gesehen. Außerdem war mein Geburtstag, weshalb ein großes Feuerwerk gemacht wurde – ach so, ganz nebenbei war natürlich Nationalfeiertag 😉 . Die EVSler haben mir an diesem Tag diverse Ständchen gesungen – in der U-Bahn, auf der Straße, im Park… Und Maria hat sogar Fremde dazu gebracht, mir mit ihr zusammen Happy Birthday zu singen! Insgesamt also ein unvergesslicher Tag.

Sonntag ging es dann mit dem Zug zurück ins Allgäu – hundemüde, aber zufrieden.  Ich wäre gerne noch eine weitere Woche geblieben, aber zu Hause wartete nach nur drei Tagen Pause das letzte Vorbereitungsseminar in Benediktbeuern mitsamt Aussendungsfeier!

So, ihr seht, ich berichte gerne sehr ausführlich… aber ich hoffe, euch sind es die vielen Worte ebenso wert wie mir! Ich freue mich auf Leser für weitere Beiträge und gerne auch Kommentare.

Dag! Bettina