Mirupafshim Kosova!

Es ist November 2019. Mein Freiwilligendienst ist seit drei Monaten vorĂŒber, die neuen VoluntĂ€re haben ihren Dienst lĂ€ngst angetreten und letztes Wochenende war das Informationswochenende fĂŒr zukĂŒnftige VoluntĂ€re. (Man kann sich ĂŒbrigens noch bewerben!) Ich durfte dort meine Erfahrungen teilen und werde, soweit möglich, auch in weiteren Vorbereitungsseminaren dabei sein. Abgesehen davon hat aber ein neues Kapitel fĂŒr mich begonnen: Ich studiere jetzt Geographie und Soziologie. Mein Tagesablauf, meine Aufgaben, mein Umfeld – das alles hat sich verĂ€ndert. Es ist also Zeit, Abschied zu nehmen von diesem Blog. An dieser Stelle darf ich euch die Blogs meiner Nachfolgerinnen empfehlen: „KOSOWO SONST? – mein Freiwilligendienst im Kosovo“ von Veronika und „Mein Abenteuer im Kosovo“ von Hannah.

Bevor ich den Blog aber beende, möchte ich den Freiwilligendienst rekapitulieren.

Meine Zeit im Kosovo 



 war so vieles, dass es schwer in Worte zu fassen ist. Aber ich habe drei Stichworte, die das Wichtigste nennen:

Lehrreich: Ich bin angekommen, kannte weder Land noch Leute. NatĂŒlich hatte ich mich informiert. Ich wusste, dass der Kosovo hauptsĂ€chlich muslimisch geprĂ€gt ist, dass Serbien und Kosovo ĂŒber UnabhĂ€ngigkeit und LĂ€ndergrenzen streiten und der Krieg seine Spuren hinterlassen hat. Trotzdem ist es etwas völlig anderes, die Geschichten der Leute zu hören, ihre Kultur zu erleben und mit ihnen zu arbeiten. Es ist nicht das Fakten-Lernen, wie wir es in der Schule kennen, es ist eine ganz andere Art von Lernen. Zum Beispiel habe ich gelernt, gastfreundlicher und spontaner zu sein, zu geben ohne etwas zu erwarten, Chancen zu nutzen, wo sie gerade auftreten.

Bereichernd: Die Erinnerungen, die geschlossenen Freundschaften, das Gelernte, das sind Dinge, die mir viel wert sind. Und es sind Dinge, die mir nicht weggenommen werden können, die ich nicht verlieren kann. Das ist viel mehr wert als ein Jahr frĂŒher arbeiten und studieren.

Persönlichkeitsentwicklung: Vor dem Jahr kannte ich hauptsĂ€chlich die deutsche Kultur mit ihren Normen und Werten. Ohne etwas anderes zu kennen, ist es schwierig zu reflektieren. Nach diesem Jahr aber habe ich viel ĂŒber die kosovarisch-albanische Kultur gelernt und dadurch auch ĂŒber die deutsche. So ist mir klarer geworden, welche Werte mir besonders wichtig sind. Ich habe selbst das GefĂŒhl, mich in diesem einen Jahr mehr entwickelt zu haben als in den letzten drei Schuljahren. Das heißt nicht, dass ich jetzt einen ausgeschliffenen Lebensplan habe – im Gegenteil, ich habe noch so viele Möglichkeiten mehr entdeckt. Aber genau dieses Wissen ĂŒber die Möglichkeiten ermöglicht mir, zum gegebenen Zeitpunkt bewusst zu entscheiden.

Das war mein Freiwilligendienst fĂŒr mich.


 und die Zeit der anderen mit mir

Was hat er fĂŒr die Kinder und Jugendlichen, die anderen Don-Bosco-Mitarbeiter bedeutet?

Ganz oft habe ich gehört, dass ich sie inspiriert habe. Zuerst dachte ich: Wie, aber ihr habt doch mich inspiriert, mir so viel beigebracht! Aber es funktioniert in beide Richtungen: Indem ich ihre Handlungen in Frage stelle, weil ich sie schlicht nicht kenne, fangen auch sie an, darĂŒber nachzudenken. Wenn ich erzĂ€hle, wie ich es von mir daheim kenne und wir ĂŒber Vor- und Nachteile der jeweiligen Handelsweisen diskutieren, eröffnet es ihnen – und auch mir – eine ganz andere Breite an Handlungsmöglichkeiten, die sie vorher nie in ErwĂ€gung gezogen hĂ€tten. Es braucht also keine großen Aktionen, um positiv im GedĂ€chtnis zu bleiben. Vielmehr geht es darum, sich fĂŒr die Menschen und ihre Lebenswelt zu interessieren.

Über das Jahr hinweg und auch danach durfte ich sehr viel WertschĂ€tzung erfahren. Darunter gibt es Worte, an die erinnere ich mich besonders gerne. Deshalb zitiere ich sie hier fĂŒr euch, die Übersetzungen habe ich dabei mehr sinngemĂ€ĂŸ als wörtlich gehalten:

Ich bin da

„If you need me, I’m here.“ (Falls du mich brauchst, bin ich hier fĂŒr dich.) Das war ein Satz, den eine Freundin und SchĂŒlerin aus der damals elften Klasse gesagt hat. Er fiel nur so nebenbei, wie selbstverstĂ€ndlich, aber mir hat er so viel bedeutet, dass ich ihn groß in mein Tagebuch geschrieben habe. Es zeigt mir, dass ich ihr wichtig bin, dass ich es geschafft habe, mit ihr eine Beziehung aufzubauen und auch fĂŒr sie da zu sein. Das haben ihre Abschiedsworte bestĂ€tigt: „Thanks for giving me a lot of lessons and very very good memories. I love you too very much!“ (Vielen Dank dass du mir viel beigebracht hast und fĂŒr die sehr, sehr guten Erinnerungen. Ich habe dich auch sehr lieb!)

Von Herzen

Das nĂ€chste Zitat ist von einer Freundin und SchĂŒlerin, damals in der elften Klasse. Sie bezieht sich darauf, dass sie zu Beginn meines Freiwilligendienstes in einem MirĂ«mengjes (der Vollversammlung aller SchĂŒler/innen) alle aufforderte, dazu beizutragen, dass ich mich in Don Bosko Gjilan zuhause fĂŒhle. Ich hatte ihr nach meinem Freiwilligendienst eine Nachricht geschrieben und mich unter anderem dafĂŒr bedankt. Das ist ein Teil ihrer Antwort: „In that time, it was just a ‚beautiful‘ sentence, because I actually didn’t know you, but now that I do, it’s more than just a sentence and it makes sense more than it did that day.“ (In diesem Moment war es nur ein „schöner“ Satz, denn eigentlich kannte ich dich gar nicht; aber jetzt, da ich dich kenne, ist es mehr als nur ein Satz und es macht mehr Sinn als es an diesem Tag tat.“)

Außerdem schrieb sie mir, dass es gut fĂŒr sie war, mit mir Zeit zu verbringen, weil ich sie nocheinmal darĂŒber nachdenken ließ, was sie mit ihrem Leben machen will. Und ziemlich am Ende ihrer Nachricht las ich diese herzlichen Worte: „You will always have a special place in our heart“ (Du wirst immer einen speziellen Platz in unserem Herzen haben) und „We won’t forget you“ (Wir werden dich nicht vergessen).

Wie Familie

Besonders wichtig ist auch Jezuelas Freundschaft fĂŒr mich – und meine fĂŒr sie. Vor Kurzem schrieb sie mir: „You have no idea how much I need my lil sis here“ (Du weißt gar nicht, wie sehr ich meine kleine Schwester hier brauche). Sie nennt mich Schwester – das beschreibt unser VerhĂ€ltnis ziemlich gut. Wir haben sehr viel Zeit miteinander verbracht, haben miteinander gearbeitet und dabei – und davor und danach – ĂŒber Gott und die Welt geredet. Sie hat mir geholfen, wo immer nötig, und ich ihr. Jetzt bleiben wir ĂŒber WhatsApp in Kontakt und wenn irgendwann möglich, wollen wir uns wieder treffen. Auch mit anderen Animatoren bin ich ĂŒber WhatsApp in Kontakt.

NatĂŒrlich gab es von unserem Direktor Don Dominik eine Abschiedrede fĂŒr mich. Ein Satz ist mir dabei besonders hĂ€ngen geblieben: „You’re like a daughter to us.“ (Du bist wie eine Tochter fĂŒr uns.)

Und Don Bosko ist wie eine zweite Familie, ein zweites Zuhause fĂŒr mich.

Damit möchte ich Don Dominik, Don Oreste, Jezuela und allen anderen Mitarbeiter*innen, SchĂŒler*innen und Animator*innen danken fĂŒr die wundervolle Zeit, fĂŒr die mir trotz aller Wortgewandtheit ein bisschen die Worte fehlen. Ich werde diese Zeit nie vergessen!

Eure Bettina

So I want to thank Don Dominik, Don Oreste, Jezuela and all co-workers, students and animators for the wonderful time, that I can’t really put into words. I’ll never forget this time!

Yours, Bettina

Edhe tash me pak gjuhĂ« shqipe: Falemindert shumĂ« Don Dominik, Don Oreste, Jezuela edhe krejt tjerat per çdo kohĂ« e mrekullueshme. S’mundem harroj çdo kohĂ«! (MĂ« falni pĂ«r krejt gabim – e di, s’mundem mĂ« fal mirĂ«…)

Bettina

PS: Ja, bei der Veröffentlichung ist es bereits Dezember – das Studium nimmt mich in Beschlag und gut Ding will schließlich Weile haben 😉 Vielen Dank, liebe Leser*innen, dass ihr so lange durchgehalten habt; vielen Dank, dass ihr mich ĂŒber das Jahr hinweg begleitet habt! Falls ihr wissen wollt, warum ich ausgerechnet dieses Titelbild fĂŒr den Abschiedsbeitrag gewĂ€hlt habe, klickt euch in den vorigen Blog.

Mein Jahr in Bildern

Gjilan, Kosovo – zunĂ€chst nur fremd klingende Namen, eine Stadt und ein Staat von oben in Google Earth, als Wikipediaeintrag, eine Verheißung von spannenden Erfahrungen.
Das Praktikum in Belgien – ein kleiner Vorgeschmack auf Don Bosco.
Das ist also Don Bosko Gjilan, mein Zuhause und mein Arbeitsplatz fĂŒr ein Jahr.
Mein erstes Selfie mit Jezuela – wir waren sofort auf einer WellenlĂ€nge. Auch mit den Salesianern habe ich mich super verstanden!
Kampf dem MĂŒll!
Maylie – Thema Straßenhunde: Da prallen Welten aufeinander. Aber wir haben es geschafft, eine Lösung zu finden.
Weihnachten mit Jezuela und Gregor in Tirana.
Skopje – Zwischenstation auf dem Weg nach Serbien zum Zwischenseminar.
Mit Verena habe ich den Kosovo touristisch erkundet – hier in den Bergen bei Peja.
Mit den elften Klassen …
Meine Gruppe mit Don Dominik bei einer kleinen AuffĂŒhrung.
… mit einigen Animatoren in Tale.

Am Ende meines Freiwilligendienstes war eine Gruppe italienischer Animatoren da. Mit ihnen durfte ich auf AusflĂŒge in die Umgebung Gjilans gehen und noch ein paar schöne Fotos machen:

Das ist kein Friedhof, sondern eine GedenkstĂ€tte im Aufbau. Zwischen diesen idyllischen HĂŒgeln hat Krieg gewĂŒstet, denn sie liegen nahe der Grenze zu Serbien, sodass sie 1999 zu den als ersten betroffenen Regionen gehörten.
Blick vom Turm der Kathedrale aus ĂŒber Prishtina.

Wie der Sonnenuntergang zum Tag gehört, gehört der Abschied zum Freiwilligendienst. Von all den Umarmungen und herzlichen Worten habe ich keine Fotos, lieber habe ich diese Momente genossen und in mein Herz aufgenommen. Deshalb verabschiede ich das Jahr stattdessen mit diesem metaphorischen Foto:

Die letzten Tage im Kosovo – melancholisch schön wie ein Sonnenuntergang.

Herzlich Willkommen, Schwesterherz!

Am 02. April war es so weit: Meine Schwester Verena kam mich besuchen! Don Oreste und ich fuhren also los, um sie abzuholen. Am Flughafen angekommen stellten wir erst mal fest, dass der Flug etwas spĂ€ter als geplant ankommen wĂŒrde. Mit der Zeit sammelten sich einige Leute am Ausgang nach der Zollkontrolle an. Genau durch die bin ich vor zu dem Zeitpunkt sieben, inzwischen acht Monaten auch gegangen.

Es kamen immer wieder Leute heraus, manchmal einzeln, manchmal drei oder vier zusammen. Ich musste aber ein ganzes Weilchen warten, bis ich mein Schwesterherz erspÀhte. Was dann kam, könnt ihr euch schon vorstellen: Noch breiteres Grinsen als sowieso schon, eine dicke und lange Umarmung, riesige Freude!

Schließlich packten wir ihr Köfferchen und ihren Rucksack ins Auto und machten uns auf die gut einstĂŒndige Fahrt nach Gjilan.

Die LieblingsbeschĂ€ftigung meiner großen Schwester

Kaum waren wir auf meinem Zimmer angekommen – das praktischerweise zwei Betten hat – und haben ihr Zeug abgestellt, kam, was kommen musste: Kitzelattacke!

Ich glaube fast, das hat meine Schwester am Meisten vermisst: Mich zu kitzeln. Denn damit hat sie die restlichen eineinhalb Wochen nicht mehr aufgehört! Nun, ehrlich gesagt, es war ziemlich witzig. Fast wie zu Hause, wo wir uns manchmal gemeinsam auf unseren großen Sessel gesetzt hatten und sie frĂŒher oder spĂ€ter begann, mich durchzukitzeln. Nur dass wir nun auf dem Bett saßen und ich inzwischen etwas besser zurĂŒckkitzeln kann.

Prishtina

Verena mag ja nur eineinhalb Wochen hier gewesen sein, aber sich beschweren, dass sie nicht genug vom Kosovo gesehen hat, kann sie definitiv nicht. Schon am ersten vollen Tag fuhren wir mit dem Bus nach Prishtina und guckten uns einige SehenswĂŒrdigkeiten an. Als erstes waren wir bei der Kathedrale, aber die hatten gerade Mittagspause und die Kathedrale war geschlossen. Also machten wir uns auf den Weg zum Newborn-Monument, stießen aber als erstes auf ein anderes Denkmal. Es war den Frauen gewidmet, die im Krieg leiden mussten. Dort ĂŒbersetzte uns ein junger Mann ein Zitat. Wir kamen ins GesprĂ€ch und er bot an, uns die Bibliothek zu zeigen. Ein persönlicher StadtfĂŒhrer! Dieses Gebot nimmt man natĂŒrlich gerne an. Bevor wir jedoch dort hingingen, machten wir noch einen Abstecher zum Newborn-Monument, denn dazu musste man vom Denkmal aus nur die Straße ĂŒberqueren.

… also an dem Tag, an dem Kosovo seine UnabhĂ€ngigkeit erklĂ€rte.

Das Newborn-Monument wurde am 17. Februar 2008 aufgestellt…

Das Newborn-Monument besteht aus großen Buchstaben aus Metallplatten und Eisenrahmen, die das Wort „NEWBORN“ ergeben. Die Buchstaben werden jedes Jahr neu bemalt. Im Moment sind sie auf der Frontseite mit detailreichen Mustern, die Bilder ergeben, verziert. Auf der anderen Seite stehen pro Buchstabe ein Wort in verschiedene Sprachen ĂŒbersetzt. Hier die englischen, albanischen und deutschen Wörter:

N: NATURE, NATYRA, NATUR

E: ENERGY, ENERGJI, ENERGIE

W: WATER, UJË, WASSER

B: BIODIVERSITY, BIODIVERSITETI, BIODIVERSITÄT

O: OXYGEN, OKSIGJENI, SAUERSTOFF

R: RECYCLING, RICIKLIMI, RECYCLING

N: NATURE, NATYRA, NATUR

Das sind alles Dinge, denen auf jeden Fall noch viel mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden muss als sie gerade bekommen. Aber nicht nur hier im Kosovo, sondern auch in der ganzen restlichen Welt. Allerdings gibt es hier kein Fridays for Future. Immerhin konnte ich aber mit ein paar (unfreiwilligen) SchĂŒlern an einem Vormittag jede Menge MĂŒll vom GelĂ€nde sammeln. Im Herbst haben wir mit einer handvoll Animatoren mal den Gehweg und den GrĂŒnstreifen vor unserem GelĂ€nde sauber gemacht. Das hört sich nicht nach viel an, aber es waren einige Stunden Arbeit.

Die Ausstellung.

ZurĂŒck zu unserer Stadttour: Danach gingen wir zur Bibliothek, einem futuristischen Bau: Das GebĂ€ude an sich scheint aus vielen Quadern zu bestehen, die aber mit einem mehrschichtigen Metallnetz mit großen, geschwungenen Maschen umgeben zu sein scheinen. Dazu sind auf dem Dach viele schaumblasenartige Kuppeln. Ein Bild habe ich leider nicht, denn ich hatte meine Kamera in meinem Zimmer vergessen und machte nur das ein oder andere Foto mit meinem Handy.

In der Bibliothek gab es gerade eine kleine Ausstellung. Auf Schautafeln standen kurze Berichte von einer Gruppe von Kosovaren, die jetzt in Großbrittanien lebt. Sie erzĂ€hlen darin mit wenigen Worten von ihren Kriegserlebnissen. Das war ein stiller, nachdenklicher Moment.

Danach gingen wir wieder Richtung Mutter-Teresa-Kathedrale. Dort verabschiedete sich der junge Mann von uns und wir sahen uns die Kathedrale an. Ich kannte sie von etlichen anderen Besuchen bereits sehr gut. Die Kathedrale ist in sehr hellen Tönen gehalten und hat viele große Buntglasfenster. Insgesamt ist sie in einem eher einfachen Stil gehalten. Dennoch gibt es viele Details zu entdecken. Noch ist sie nicht ganz fertig, aber sie wird bereits fĂŒr Gottesdienste und Veranstaltungen genutzt. Don Dominik hat ĂŒbrigens großen Anteil an ihrer Gestaltung.

… und von Innen.

Die Kathedrale von Außen …

Die Decke des Doms.

Eines der vielen schönen Buntglasfenster.

Auf Empfehlung von Jezuelas Schwester gingen wir danach in einem Restaurant essen, das viele vegetarische und vegane Gerichte anbietet. Das hat mich sehr gefreut, denn Vegetarismus geschweige denn Veganismus sind hier beinahe noch Fremdwörter! Also an alle, die mal in Prishtina vegetarisch oder vegan essen möchten: Das „green & protein“ kann ich euch sehr empfehlen.

Anschließend machten wir uns noch auf in die Altstadt und sahen den Uhrturm (Kulla e Sahatit) von Prishtina sowie ein paar alte Moscheen, zum Beispiel die Große Moschee (auch Sultan-Mehmed-al-Fatih-Moschee genannt), die Jashar-Pascha-Moschee sowie die Çarshi-Moschee (auch Stein-Moschee oder Sultan-Murad-Moschee genannt). Auf einem Straßenmarkt haben wir Erdbeeren gekauft. Auch den einen oder anderen Platz mit Statue haben wir ĂŒberquert. Da war zum Beispiel eine Skenderbeg-Statue und ein Kunstwerk, dass etwas abstrakt mit Flaggen bemalte Menschen darstellt. Irgendwann machten wir uns etwas erschöpft auf den Heimweg.

Und der Uhrturm in Gjilan.

Der Uhrturm in Prishtina.

Jede Menge Flaggen.

Der Skanderbeg-Platz.

… und die Moschee selbst von der Straße aus.

Das Vordach der Großen Moschee…

Und noch mehr StÀdte

Um es kurz zu fassen: Prishtina war nicht die einzige Stadt, die wir besucht haben. Mit Jezuela waren wir auch in Ferizaj, Peja, Gjakova und Prizren. Außerdem sind wir ein bisschen durch die Berge bei Peja gefahren und spaziert. In Gjakova waren wir in einem der zig CafĂ©s. Es gibt eine ganze Gasse in der FußgĂ€ngerzone, die wirklich quasi nur aus CafĂ©s besteht! In Prizren sind wir Abends angekommen und durften bei Dorea ĂŒbernachten – vielen Dank nochmal!

Dorea ist eine der VoluntĂ€rinnen, die ich im Zwischenseminar kennenlernen durfte. Leider hatten wir fast keine Zeit zusammen, denn sie hatte am nĂ€chsten Tag einen ganz normalen Arbeitstag, wĂ€rhend wir in regnerischem Wetter durch die schöne Stadt spazierten und die Burg etwas oberhalb der Stadt besichtigten. Unser Mittagessen aßen wir in einem Restaurant, das tatsĂ€chlich einen winzigen Indoor-Teich mit Enten hatte!

Also falls ihr mal in den Kosovo kommt, kann ich euch definitiv Prishtina, Prizren sowie Gjakova empfehlen. FĂŒr alle, die lieber in der Natur unterwegs sind, dĂŒrfte sich rund um Peja Schönes finden.

Hier ein paar EindrĂŒcke:

In einer kleinen Kirche in Ferizaj:

Diese Kirche hat definitiv einen sehr eigenen Stil. Trotzdem (oder gerade deswegen) hat sie mir gefallen.

Die Kirche war eigentlich geschlossen – aber Jezuela fragte eine der nebenan wohnenden Nonnen, ob sie fĂŒr uns öffnen wĂŒrde.

 

Peja:

Wolken hÀngen in den Bergen.

Auf dem Weg nach Peja – was wie Wolken aussieht, sind grĂ¶ĂŸtenteils weiße Bergspitzen, die aus dem Dunst ragen.

Verena genießt die Aussicht!

Nach etlicher Kurverei haben wir in einem kleinen Ressort angehalten.

Ein kleiner Wasserfall, der im Bach endet.

Ein Blick den Bach hinauf – dafĂŒr mussten wir aber erst hinter einer Haltebucht den Hang hinabklettern.

Ein Huflattich kÀmpft sich durch Kies.

PalmkĂ€tzchen – der FrĂŒhling kommt!

Jezuela und Verena haben sich super gut verstanden. 🙂

In einer Moschee in Peja:

Die Nische, die die nach Mekka zeigt.

Und ich mittendrin! Das ist das erste Mal, dass ich eine Moschee richtig betreten habe. Davor habe ich nur mal von der TĂŒrschwelle aus einen Blick in eine Moschee geworfen.

Oben in diesem TĂŒrmchen werden bestimmte Teile des Korans vorgelesen.

 

 

Gjakova:

Ein GĂ€sschen in Gjakova.

Ein traditionelles albanisches Haus, das nun ein Museum ist.

Und die Gasse mit all den Cafés.

 

Prizren:

Ein verregneter Platz.

Die Kalaja e Prizrenit, also die Burg von Prizren.

Etliche BĂ€ume sind in der Altstadt umstrickt – hier ein besonders schönes Exemplar.

Angeblich wĂŒrde man in Prizren heiraten, wenn man aus diesem Brunnen trinkt – ich habe es lieber nicht ausprobiert.

Ikonen in der orthodoxen Kirche.

Ein Blick in eine orthodoxe Kirche.

Dieses GemĂ€lde befindet sich ĂŒber dem Altarbereich der Kirche.

Die Kirche von Außen.

In einer Moschee in Prizren:

Die Seitenwand.

Der Blick in die Moschee.

Die schön verzierte Kuppel.

Diese Empore war einst vor allem der Platz fĂŒr wichtige Persönlichkeiten.

NatĂŒrlich besuchten wir auch Jezuelas Familie und durften bei einer unserer SchĂŒlerinnen und Animatorinnen zu Mittag essen. Vielen Dank euch beiden und euren Familien fĂŒr die Gastfreundschaft (, auch fĂŒr die, die ich auch schon vor Verenas Besuch genießen durfte)!

Irgendwann kommt natĂŒrlich der Tag des Abschieds: Nachdem Verena noch einen kleinen Einblick in meinen Schulalltag erhalten hatte, flog sie am 11. April zurĂŒck nach Deutschland – schließlich wartet der Alltag nicht.

Vielen Dank, Schwesterherz, dass du hier warst! (Und dass du vegetarische GummibÀrchen, einen Herzluftballon, Hosen, eine Zeitung und noch ein paar Sachen mitgebracht hast!)

Liebe GrĂŒĂŸe an alle, eure Bettina

Die Spuren des Konflikts mit Serbien

Die Republik Kosovo feiert zwar seit 2008 jÀhrlich am 17. Februar seine UnabhÀngigkeit, aber so klar ist die Situation noch nicht. Serbien sieht den Kosovo als Autonome Provinz Kosovo und Metochien, also als zu Serbien gehörig. 79 der 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen stimmen Serbien zu, jedenfalls haben sie die Republik Kosovo im Gegensatz zu den 114 restlichen Mitgliedsstaaten noch nicht als unabhÀngig anerkannt.

Warum gibt es ĂŒberhaupt einen Konflikt?

Ich kann das Ganze nur grob aus der Sicht eines Laien beantworten, denn dahinter steckt wahnsinnig viel Geschichte, die weit ĂŒber die Zeit Jugoslawiens hinaus geht. Aber ein Problem, dass ich persönlich ausgemacht habe, ist, dass die meisten Kosovaren der albanischen Ethnie angehören und sich als Albaner identifizieren, nicht als Serben. Die Serben gelten ihnen auf Grund der vorangegangenen Kriege (die natĂŒrlich auch einen Ursprung haben mĂŒssen) als Feinde.

Neue Zollauflagen fĂŒr Serbien

Seit Ende November 2018 sind alle in Serbien und Bosnien-Herzegowina hergestellten Produkte mit einem Zoll von 100 Prozent belegt. Seit 2019 sind ausnahmslos alle Produkte, die aus diesen LĂ€ndern nach Kosovo importiert werden, mit eben diesem Steuersatz belegt. Darunter fallen also auch Produkte die aus Deutschland, Österreich oder Schweiz ĂŒber Serbien in den Kosovo importiert werden. Dabei kommen sehr viele der im Kosovo erhĂ€ltlichen Produkte aus Serbien.

Im Alltag habe ich das schnell gespĂŒrt. Etliche Produkte, die wir im Schulkiosk verkauft haben, waren nicht mehr zu kriegen oder sehr teuer. Wir mussten Alternativen suchen. Dabei hilft es nicht, dass die meisten kosovarischen Produkte nicht einmal von der eigenen Bevölkerung gerne gemocht und gekauft werden.

Auch in den ganz normalen LĂ€den ist mir etwas fĂŒr mich Außergewöhnliches aufgefallen: Neben den Preisschildern ist die Flagge des Herkunftslandes befestigt. In Deutschland fĂ€nde ich das gar nicht schlecht, so muss man nicht ewig im Kleingeschriebenen auf der Packung nach dem Herkunftsland suchen. Dann kann man schneller das Produkt mit dem kĂŒrzeren Transportweg und damit hoffentlich geringerer Umweltbelastung wĂ€hlen. Aber hier geht es um etwas anderes: Man muss sich plötzlich bewusst entscheiden, welches Land man wirtschaftlich unterstĂŒtzen möchte. Oder anders gesehen: Nun kann man bestimmte LĂ€nder mit nur einem Blick diskriminieren.

Was – du gehst nach Serbien?!

Nicht nur, dass sich jemand gegen ein Produkt entscheidet, weil es aus Serbien kommt, habe ich gehört. Ganz oft hieß es: „Was – du gehst nach Serbien?! Was hast du denn da zu tun?“ Der Unterton sagte dabei meist so etwas wie: „Was willst du denn im Land unserer Feinde?“ Dass ich nun mal zum Zwischenseminar dort hin musste und nicht einfach nur Urlaub machte, beruhigte die Fragenden. Es kam auch mal: „Warum mĂŒssen die Organisatoren das Seminar ausgerechnet in Serbien abhalten?“

Insgesamt gab es viele Kommentare die halb scherzhaft gemeint waren, aber wegen ihrer HĂ€ufigkeit eine sehr ernste Seite haben. Die Abneigung gegen die Serben scheint tief verwurzelt zu sein.

Hass macht vor Nichts halt

Ein zerbrochener Grabstein. Die dort begrabene Person lebte von 1978 bis 1997 – sie wurde nicht einmal 20 Jahre alt.

Das ist mir auch letztens an einem Ort aufgefallen, an dem man hoffen wĂŒrde, nicht auf Feindlichkeit zu stoßen: Auf dem Friedhof. Das ist ein Ort, an dem man die Toten in Frieden ruhen lassen und trauen können möchte. Doch die Feindlichkeit der Ethnien macht auch vor diesem Ort keinen Halt.

Vor wenigen Tagen hatte ich die Chance den Friedhof von Gjilan zu besuchen. GlĂŒcklicherweise konnte ich auch den Bereich der alten GrĂ€ber ansehen. Es gab nicht nur verwitterte Grabsteine und GrĂ€ber von vor dem Krieg – der ja noch nicht einmal 20 Jahre her ist. Auch auf GrĂ€ber, die wohl absichtlich beschĂ€digt wurden, bin ich gestoßen. Etliche Grabsteine, die man durch die kyrillische Schrift der serbischen Sprache als serbisch identifizieren kann, wurden umgeschmissen oder zerschmettert.

Auf dem neueren Teil des Friedhofs habe ich zum GlĂŒck nichts derartiges gesehen, aber ich habe auch nur einen kleinen Teil des Friedhofs angeschaut.

Der Nationalstolz der Kosovo-Albaner

Allgemein ist es fĂŒr mich immer wieder erstaunlich, wie stolz die meisten Kosovo-Albaner auf „Shqiperia“ sind. Der Begriff steht eigentlich nur fĂŒr Albanien, wird aber unter den (Kosovo-)Albanern oft fĂŒr das gesamte albanisch-sprachige Gebiet verwendet. Schließlich nennen sie sich selbst auch „Shqiptar“, also Albaner und sprechen „Shqipe“, also Albanisch. Das grĂ¶ĂŸte Paradox ist fĂŒr mich, dass sie andererseits ihr Land schlecht reden und quasi jeder versucht, irgendwo anders hinzukommen, sei es nun Deutschland, Schweiz, Großbrittanien oder USA.

ZusĂ€tzlich bin ich solchen Stolz gar nicht gewöhnt. Man hisst die deutsche Flagge fast nur zu Fußballmeisterschaften (oder auf PEGIDA-Demos). FĂŒr mich persönlich ist „ich bin Deutsche“ vor allem eine geographische und sprachliche Zuordnung. Viele Leute in Deutschland geben nicht besonders viel auf ihr Deutsch-Sein. Eher hĂ€lt man etwas auf die deutsche Wirtschaft, das deutsche Staatssystem. Die GrĂŒnde dafĂŒr liegen vor allem im heutigen Blick auf die Geschichte Deutschlands, genauer gesagt auf die Zeit des Nationalsozialismus.

Hierzulande ist es ganz anders. Man ist stolz darauf, albanisch zu sein. Vom eigenen Staat und wie die Dinge im Land so laufen hĂ€lt man hingegen nicht gerade viel – das oben bereits erwĂ€hnte Paradox. NatĂŒrlich ist die Geschichte des Kosovos eine ganz andere als die Deutschlands. Zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts wurde die Region zwischen verschiedenen Herrschern und Regierungen hin und her gerissen, so auch unter der Existenz Jugoslawiens. Zu dem Zeitpunkt haben sich erste Forderungen nach einer eigenen Republik Kosovo geregt. Und heute steht der Kosovo immerhin mit einer UnabhĂ€ngigkeitserklĂ€rung da, auch wenn diese umstritten ist.

Vielen Dank, dass ihr bis hier hin durchgehalten habt. (Und denkt bitte daran – das ist nur mein Blick, meine Erfahrungen, mein Gehörtes.)

Liebe GrĂŒĂŸe, eure Bettina, die mit reichlich DenkanstĂ¶ĂŸen ĂŒberschĂŒttet wird

Von Katholiken in einem muslimischen Land

Wenn man so durch die Straßen lĂ€uft, sieht man es kaum, aber der Kosovo ist ein muslimisches Land. Das Einzige, was mir auffĂ€llt, ist, dass man eher eine Moschee als eine Kirche sieht und tĂ€glich Gebetsrufe durch die Stadt schallen.

Staat und Religion sind glĂŒcklicherweise getrennt, dennoch ist es alles andere als völlig egal, dass Don Bosko Gjilan eine katholische Organisation ist.

Wenn etwas passiert

Als Gjilan als Standort fĂŒr eine Don Bosko Schule ausgewĂ€hlt wurde, war den Bezirk nahezu hundertprozentig muslimisch. Entsprechend misstrauisch wurden die Salesianer damals also beĂ€ugt. Die Akzeptanz ist mit den Jahren gestiegen, da Don Bosko eine hochwertigere Bildung bietet als die staatlichen Schulen. Aber noch immer gibt es zahlreiche Leute, die die Schule am liebsten geschlossen sehen wĂŒrden. Entsprechend wird, sobald etwas passiert, alles doppelt und dreifach inspiziert, ob man Don Bosko daraus nicht vielleicht einen Strick drehen könnte. Deshalb mĂŒssen die Salesianer hier sehr aufpassen, dass alles glatt lĂ€uft.

In Don Bosko

Unsere Animatoren sind grĂ¶ĂŸtenteils muslimisch. Einige Eltern sehen es sowieso schon nicht gerne, dass sie jedes Wochenende zu unseren Treffen kommen und in den Winter- und Sommerspielen helfen. Dabei reden wir bei unseren Treffen nicht ĂŒber Religion – das Thema wird einzig dann angeschnitten, wenn wir ĂŒber Don Bosco sprechen, der schließlich ein Priester war. Katechismusunterricht wie er in anderen Don Bosco Institutionen ĂŒblich ist, gibt es bei uns aber nicht, sonst könnte man unsere Animatoren ganz schnell nur noch an einer Hand abzĂ€hlen.

Religionsunterricht gibt es nicht, nur Ethik. Mit den katholischen SchĂŒler und SchĂŒlerinnen treffen wir uns jeden Mittwoch nach Schulschluss fĂŒr einen Gottesdienst. Ansonsten spielt Religion keine Rolle.

Auf der Straße

Wenn ich in der Stadt unterwegs bin, kann ich meist nicht zuordnen, welcher Religion die anderen Passanten angehören. Hijabs und KopftĂŒcher sieht man relativ selten, gefĂŒhlt seltener als in der MĂŒnchner Innenstadt. Und die Kleidung, die hier von den meisten getragen wird, ist genauso westlich wie die in Deutschland. Dennoch weiß ich, dass die Leute ziemlich sicher muslimisch sind, denn Christen gibt es hier fast nicht.

Wie erlebe ich das?

Dank Wikipedia wusste ich schon bevor ich im Kosovo ankam, dass die Einwohner ĂŒberwiegend Muslime sind. Trotzdem gab es diesen Moment, in dem ich realisierte: Die SchĂŒlerinnen, mit denen du gerade sprichst, sind alle muslimisch. Du merkst es bloß nicht. Warum? Weil es kaum einen Unterschied macht, sie sind genauso Teenager wie die Jugendlichen in Deutschland. NatĂŒrlich, wenn man sich dann lĂ€nger und tiefgehender unterhĂ€lt, lernt man kulturelle Unterschiede, die teilweise auf der Religionsverschiedenheit basieren. Trotzdem macht es keinen Unterschied, wenn man gerade auf einem Schulausflug ist oder als Animator gemeinsam Spiele vorbereitet.

Warum fehlt mir diese Erfahrung? Wenn man mich jetzt fragt, wie viele Muslime ich vor meinem Freiwilligendienst gekannt habe, ist meine Antwort „vier – den MitschĂŒler aus der Grundschule, zu dem ich keinen Kontakt mehr habe, mitgezĂ€hlt“. Keine besonders beeindruckende Zahl, nicht?

Extremismus

Ich schÀtze, eine Frage brennt euch jetzt noch unter den NÀgeln: Wenn es so viele Muslime gibt, gibt es dann auch extremistische Muslime?

NatĂŒrlich gibt es hier Extremisten. Der traditionelle Islam hier ist zwar sehr liberal, aber saudi-arabische und tĂŒrkische Moscheen gewinnen laut Einheimischen an Einfluss. Daher ist der Kosovo das Herkunftsland mehrerer Extremisten, die in Syrien kĂ€mpfen oder gekĂ€mpft haben.

Macht mir das Angst? Nein, denn Erhan A. – ihr kennt den Namen bestimmt aus den News von vor ein paar Jahren im Zusammenhang mit Islamismus – hat auch in Kempten gelebt. David G. – ebenfalls ein Extremist – kam sogar aus einer christlichen, deutschstĂ€mmigen Familie aus Kempten. TerroranschlĂ€ge wie die Attacke auf den Berliner Weihnachtsmarkt am 19. Dezember 2016 gibt es hier bisher nicht.

Als vom Islam konvertierter Christ mĂŒsste ich aber eine andere Antwort geben, denn die werden von ihren Familienmitgliedern oft als eine Schande und als VerrĂ€ter angesehen und mĂŒssen besonders zur Zeit um die Konversion mit Gewalt aus dem Familienkreis rechnen, auch wenn die Familie zu den liberalen Muslimen gehört.

Falls ihr noch Fragen habt, meldet euch bei mir! Ich beantworte sie gerne.

Liebe GrĂŒĂŸe,

eure Bettina

PS: Das Bild oben entstand nicht im Kosovo sondern in Albanien. Aber hier in Gjilan gibt es natĂŒrlich auch (mindestens) eine Moschee.

Vom Beinahe-Fauxpas

Letztens war ich mit Jezuela und einem unserer Guards auf Besuch bei unserem verunfallten Mitarbeiter. Er liegt im Moment arbeitsunfĂ€hig zu Hause im Bett. Es war also ein Krankenbesuch. Wie man das eben so macht, bringt man natĂŒrlich etwas mit. Was ich nicht wusste, war, dass man zu einem Krankenbesuch ganz normale Nahrungsmittel mitbringt, also zum Beispiel SĂ€fte und etwas zu essen. Schokolade aber ist den Geburtstagen vorbehalten. Was hatte ich gekauft? NatĂŒrlich Schokolade! Denn bei uns bringt man doch typischerweise Schokolade mit, ein Saft wĂŒrde etwas verdutzt in Empfang genommen werden.

Jezuela hat es zum GlĂŒck noch frĂŒh genug gemerkt und hat mir gesagt, dass man zum Krankenbesuch keine Schokolade mitbringen kann. Ich war erstmal ziemlich verdutzt, aber es ist logisch: Wer hier krank ist, kann nicht arbeiten, kann also kein Geld verdienen um seine Existenz zu sichern. Im Gegensatz zu Deutschland gibt es eben keine Krankenversicherung. Daher ist ein Krankheitsfall existenzbedrohend – und das Einfachste, womit man helfen kann, sind richtige Lebensmittel.

Und was mache ich jetzt mit der Schokolade?

Nachdem wir das Haus des Verunfallten wieder verließen, war da also noch diese Schokolade in meiner Jackentasche. Jezuela und der Guard lehnten mein Angebot ab, sie gemeinsam zu verspeisen, deshalb hatte ich sie noch immer, als ich ins Taxi stieg, um zurĂŒck nach Don Bosco zu fahren. Der Taxifahrer konnte sogar Deutsch, da er eine Zeit lang im deutschsprachigen Raum gearbeitet hat. Er erzĂ€hlte mir, dass er damals Dachdecker war, aber hier jetzt als Taxifahrer arbeiten muss. Dank Jezuela weiß ich, dass die Taxifahrer hier sehr gering bezahlt werden und es kaum zum Überleben reicht. Also ließ ich ihn am Ende der Fahrt das Wechselgeld behalten.

Und dann war da ja noch die Schokolade, die ich eigentlich zum Verschenken gekauft hatte. Sie allein in meinem Zimmer essen wollte ich nicht und die Salesianer sind auch nicht sie grĂ¶ĂŸten Schokoladenfans. Also erklĂ€rte ich ihm kurzerhand, warum ich sie ĂŒbrig hatte und drĂŒckte sie ihm in die Hand. Er freute sich wahnsinnig – er hatte fĂŒnf Kinder und eine Frau zu Hause, denen er damit eine große Freude machen konnte. Aus lauter Dankbarkeit schrieb er die Nummer seines Taxis auf die Visitenkarte des Taxiunternehmens und gab sie mir. Wenn ich wiedereinmal ein Taxi brĂ€uchte, könne ich nach speziell diesem Taxi fragen und er wĂŒrde innerhalb von ein paar Minuten kommen, um mich zu fahren. Jetzt habe ich also quasi meinen persönlichen Taxifahrer. Und das dank einer Schokolade und ein bisschen Wechselgeld. Damit wĂ€ren wir wieder beim Thema meines vorherigen Beitrags: Kleine Gesten.

Ich hoffe, ich konnte euch mit dieser kleinen Geschichte erfreuen!

Liebe GrĂŒĂŸe, eure Bettina

Mein bester Freund, der Heizstrahler

In Deutschland – zumindest in meiner Heimat, dem AllgĂ€u – ĂŒbertrifft sich der Winter dieses Jahr selbst: Auf Fotos habe ich tief eingeschneite Autos gesucht und Leute, die durch hĂŒfthohen Schnee stapfen, bewundert. Zu gerne wĂŒrde ich diesen Schnee erleben, hatten wir doch das letzte Mal so viel Schnee, da war mein Alter noch nicht zweistellig. Also, nicht dass ich die KĂ€lte vermissen wĂŒrde – meine Winterjacke habe ich schon im Oktober rausgeholt.

Im warmen SĂŒden?

Ja, im Sommer stimmt das. Hier in Gjilan kann es bis zu 40 °C warm werden. Im Winter allerdings wird es genauso extrem kalt: Die Temperaturen können unter – 20 °C sinken. Die letzte Woche und auch die kommende Woche bleiben die Temperaturen unter null, frĂŒhmorgens hat es zweistellige Minusgrade. Dabei liegt der Kosovo doch gar nicht so weit vom Mittelmeer weg? Stimmt, aber das Land ist eingerahmt von Gebirgen, wodurch ein Kontinentalklima entsteht.

Der Sommer war laut den Einheimischen sehr trocken. Auch wĂ€hrend meinem bisherigen Aufenthalt hier hat es zunĂ€chst selten und meist nur kurz und leicht geregnet. Erst im Dezember gab es etwas mehr Niederschlag, also Schnee – aber bei Weitem nicht vergleichbar mit der Menge an Schnee, der gerade im AllgĂ€u liegt. Inzwischen haben wir gerade so viel Schnee, dass man in Wanderschuhen – die sind hier die gĂ€ngigen Winterstiefel – nasse Socken bekommt, wenn man durch unberĂŒhrten Schnee lĂ€uft. Das dĂŒrften also etwa 15 odere 20 Zentimeter Schnee sein.

Alles was wÀrmt

Im Moment laufe ich also wĂ€rmstens eingepackt herum: Unter der Hose trage ich noch Strumpfhosen, die ich an den FĂŒĂŸen mit Socken unterstĂŒtze – gerne nicht nur mit einem Paar, wenn ich keine Straßenschuhe anhabe. Nicht selten trage ich das T-Shirt aus meinem SkiunterwĂ€scheset, darĂŒber einen Pulli und eine Sweatjacke. Auf meinem Zimmer kommt manchmal noch eine zweite, diverse Nummern zu große Sweatjacke dazu, draußen trage ich natĂŒrlich meine Winterjacke.

Und absolut dankbar bin ich ĂŒber den Heizstrahler in meinem Zimmer. Es gĂ€be auch eine normale Heizung in meinem Zimmer, aber die lĂ€uft nicht. Ich wohne nĂ€mlich im Internat, das – abgesehen von mir – unbewohnt ist. Entsprechend wird dieser GebĂ€udeteil nicht geheizt, wird doch nur ein Zimmer genutzt. Daher sind Heizstrahler, WĂ€rmflasche und Decke in diesen Stunden, in denen ich Unterricht vorbereite, lese und Texte tippe, meine besten Freunde.

Ich packe in meinen Koffer…

Tja, was wohl? Im Gegensatz zu den VoluntĂ€ren in Afrika und Indien musste ich mich fĂŒr zwei (mehr oder weniger) extreme Wetterlagen rĂŒsten – und im Kosovo laufen alle genauso rum wie in Deutschland. Man kann sich keine Churidare (oder Churidars?) schneidern lassen, die man nach dem Jahr grĂ¶ĂŸtenteils an nachfolgende VoluntĂ€re weitergibt und das Kleidungsproblem ist gelöst.

Und leider sind warme Pullis auch noch so dick… Viele passen da nicht in den Koffer hinein… Und im Gegensatz zu einigen anderen durfte ich auch nicht mit zwei Koffern reisen. Klar, ich kann hier natĂŒrlich auch neue Kleidung kaufen, ist sie hier doch eher etwas billiger als in Deutschland. Aber dafĂŒr muss ich ja erst mal Shoppen gehen – und wer mich kennt, weiß, dass das alles andere als meine LieblingsbeschĂ€ftigung ist. Am ehesten kann man mich noch fĂŒr Second-Hand-LĂ€den oder auf FlohmĂ€rkte begeistern. Entsprechend hat es bisher nur ein neuer Pullover und ein Cardigan in meinen Kleiderschrank geschafft.

Deshalb lebe ich gerade mit einer eher kleinen Auswahl an KleidungsstĂŒcken, was auch ganz praktisch ist. Große WĂ€scheberge sammeln sich nĂ€mlich nicht an, denn man hat ja nicht viel, das man waschen könnte. Man muss auch nicht lang ĂŒberlegen, welche Klamottenkombination die schönste ist – man nimmt, was warm genug und sauber ist. Und das ist nicht viel.

Im nĂ€chsten Beitrag geht es ebenfalls um „nicht viel“ – oder vielleicht doch? Dazu dĂŒrft ihr euch dann eure eigenen Gedanken machen.

Bis dahin,

eure Bettina

Herzlich Willkommen im Kosovo!

In einem unbekannten Land anzukommen ist wie ein ungelesenes Buch zu öffnen. Es tut sich eine Welt auf, die man bisher so nicht kannte. Sicher, einiges ist der eigenen Lebenswelt Àhnlich, anderes jedoch ist völlig neu.

Kosovo – ein Land in Entwicklung

Eine kleine HĂ€useransammlung – das SteingebĂ€ude mit dem kleinen Turm dabei ist eine Moschee, die Ausgrabungen der Mauerreste rechts oben sind die Überreste einer Kathedrale, die auf das 13. Jahrhundert geschĂ€tzt wird, möglicherweise aber noch viel Ă€lter ist. Die Moschee wurde aus ihren Steinen erbaut.

Schon beim Landeanflug sah ich Dinge, die ungewohnt waren: WaldĂŒberzogene HĂŒgel und Berge, HĂ€user verstreut in der Natur, nur wenige landwirtschaftlich genutzte FlĂ€chen. Noch viel mehr sah ich wĂ€hrend der einstĂŒndigen Fahrt von Prishtina nach Gjilan. Schon auf dem Parkplatz des Flughafens standen verschiedenste Autos, von Luxuskarossen bis hin zu BlechbĂŒchsen. Es fahren Autos mit kaputten Scheinwerfern und blinden RĂŒckscheiben herum – und direkt darauf kann ein mit teuren SportwĂ€gen beladener Lastwagen folgen.

Genauso ist es bei den HĂ€usern: Es gibt Siedlungen mit den neusten, modernsten HĂ€usern, wie man sie auch in Deutschland nur in Reichenvierteln finden wĂŒrde. Zugleich gibt es etliche HĂ€user, die alt, heruntergekommen und kaputt sind und nur noch darauf warten, zusammenzufallen und von der Natur zurĂŒckerobert zu werden. Ganz viele HĂ€user sind im Bau, jedenfalls habe ich ungewöhnlich viele unverputzte HĂ€user gesehen. Es kann auch sein, dass man sie einfach nur so lĂ€sst. Oft waren jedenfalls die Fenster schon eingebaut und manchmal sogar ein Laden drin. Sicher ist, dass die letzten Jahre insgesamt viel gebaut wurde. Jezuela, mit der ich zusammenarbeite, erzĂ€hlte mir, dass vor sieben bis zehn Jahren die hohen WohnhĂ€user rund um die Einrichtung gar nicht existierten. Stattdessen war das GelĂ€nde teilweise umgeben von Wiesen mit ÄpfelbĂ€umen. FĂŒr alle Neugierigen: Die Adresse ist „Don Bosko, Rr. Marie Shllaku, nr. 6, 60 000 Gjilan“, wenn man das zum Beispiel auf Google Earth eingibt, kann man sich die Umgebung von oben anschauen und mit Hilfe der historischen Bilder das Wachstum der Stadt nachvollziehen.

Da hĂ€ngen PlastiktĂŒten in BĂŒschen und BĂ€umen …

MĂŒllansammlung am Gehweg, der an das Don-Bosco-GelĂ€nde angrenzt

Eine unschöne, aber nicht unerwartete Beobachtung ist folgende: MĂŒll findet man hier ĂŒberall. Er liegt am Straßenrand, ist in Vorhöfen in einer Ecke abgelagert und aufgestapelt, wird nicht getrennt. In der KĂŒche unserer Einrichtung gibt es zwar drei MĂŒlleimer, aber man schmeißt in jeden alles. In den LĂ€den steht immer ein zweiter Angestellter an der Kasse und packt die Waren in bereitliegende, kostenlose PlastiktĂŒten – ein freundlicher, angenehmer Service, aber was passiert mit all den TĂŒten? Ich behalte sie als MĂŒlltĂŒten, aber normalerweise wĂŒrden sie weggeworfen werden – man hat ja genug.

… aber zum GlĂŒck nicht in allen!

Die Aussicht ĂŒber kosovarische Landschaft bei einer Ruine in der NĂ€he des Dorfes NovobrĂ«dĂ«.

Was hingegen sehr schön ist, ist die Natur: Sehr grĂŒn und hĂŒgelig und teilweise absolut naturbelassen. Die Felsen – sofern man sie denn sieht – haben einen warmen Rot-Ton. Das GrĂŒn ist krĂ€ftig und frisch, bisweilen silbrig. Ich habe auch schon Pflanzen gesehen, die mich an Italien erinnern: Manche BĂ€ume sind hoch und schlank; der Apfelbaum in Jezuelas Garten wird von elegant geformten, leuchtenden BlĂŒten durchrankt. Überhaupt, die GĂ€rten: Klar, in der Stadt gibt es sie genauso wenig wie bei uns, aber auf dem Land gehört zu einem Haus in einem Dorf oft ein großer Garten und ein StĂŒck Feld. Im Garten von Jezuelas Familie wachsen Reihen von Paprika, Lauch, Tomaten, Gurken… Außerdem gibt es schwer tragende ApfelbĂ€ume und Weintraubenreben.

Ein bisschen Sprachchaos

Noch viel wichtiger: Die Menschen hier. Meine erste Begegnung hier war zwar etwas unbeholfen, weil der Salesianer, der mich abholte, offenbar nicht wusste, dass ich Französisch gelernt habe. Er kann nĂ€mlich kein Englisch, aber Italienisch, Albanisch (die Amtssprache hier) und Französisch. Also versuchte er mir in Italienisch zu erklĂ€ren, dass wir nun eine einstĂŒndige Autofahrt nach Gjilan vor uns hatten. Ich verstand das ein oder andere Wort und mit ein paar Brocken Englisch und Gesten konnten wir uns verstĂ€ndigen – bis ich einmal etwas auf Französisch sagte, in der Hoffnung, er wĂŒrde es dank der Ähnlichkeit zum Italienischen verstehen. Von da an unterhielten wir uns auf Französisch. So spreche ich hier ĂŒberraschenderweise gleich vier Sprachen: Englisch mit dem Einrichtungsleiter und den Mitarbeitern, Französisch mit dem Salesianer, Deutsch im Unterricht, Albanisch im Sprachunterricht mit einer Mitarbeiterin und – soweit ich es denn schon kann – mit Einheimschen.

Von Herzen freundlich

Nun aber zu den Menschen, wie ich sie bisher erlebt habe: In der Einrichtung wurde ich sofort von einigen Mitarbeitern mit Umarmung und herzlichen Worten empfangen. Dann gab es gleich Mittagessen mit den beiden Salesianern, die hier mit mir in der Schule wohnen (der Leiter und derjenige, der mich abgeholt hat) und danach bezog ich mein Zimmer. Zugegebenermaßen war das Erste, was ich darin tat, nicht etwa meine Koffer auszupacken, nein, ich legte mich erstmal schlafen. Erst als ich mich erholt hatte, rĂ€umte ich mein GepĂ€ck ein. Abends gab es eine Lehrerkonferenz, in der ich mich kurz vorstellte. Jezuela zeigte mir das gesamte GelĂ€nde.

Ich verstand mich sofort gut mit ihr. Schon am Donnerstag, den 06. September, schlug sie spontan vor, ich könne bei ihr ĂŒbernachten. Der Einrichtungsleiter, der hier die Verantwortung fĂŒr mich hat, war einverstanden damit – sie war seine erste Animatorin (ehrenamtlich) und arbeitet auch dort. Ihre Familie hat mich sehr gastfreundlich aufgenommen – und zwar von ganzem Herzen. Auch am folgenden Wochenende habe ich mich mit Jezuela getroffen und Freunde von ihr und ihre Verwandtschaft kennengelernt.

Ihre Familie trifft sich am Sonntag immer zum Essen, Teetrinken und einfach gemeinsam Zeit verbringen. Eine schöne Sache, wie ich finde. Die Verwandschaft scheint ihnen sehr nahe zu stehen, wie Geschwister. Auch sie haben mich herzlich begrĂŒĂŸt und waren erfreut, mich als Gast zu haben. Hier sind AuslĂ€nder schließlich recht selten. Die Einheimischen können leider oft auch kein Englisch oder trauen sich nicht, es zu sprechen, obwohl die jungen Leute es in der Schule lernen. Ich habe mich aber auch schon mit zwei etwa fĂŒnfzehnjĂ€hrigen SchĂŒlerinnen unterhalten, die sehr gut Englisch sprechen können. Deutsch spreche ich zum Beispiel mit zwei SchĂŒlerinnen, die in Deutschland beziehungsweise der Schweiz aufgewachsen sind. Außerdem spreche ich Deutsch natĂŒrlich auch im Unterricht.

Apropos Unterricht – darum wird es in meinem nĂ€chsten Beitrag gehen.

Bis dahin, eure Bettina (die sich hier schon lĂ€ngst wie zu Hause fĂŒhlt)