Am Meer

Heute will ich euch von einem besonderen Moment erzählen. Jetzt gerade, während ich das schreibe, bin ich auf Albanienfahrt mit der elften Klasse (wenn der Blog online geht, werden fast drei Wochen vergangen sein). Es ist kurz nach 23 Uhr. Bis vor wenigen Minuten hatte ich mich mit Don Dominik und einigen Elftklässler*innen am Strand aufgehalten.

Abendlicher Strandspaziergang

Wir waren vom Hotel aus an den Strand gegangen und hinter Don Dominik her über etliche Felsen von Strändchen zu Strändchen geklettert. Hier zahlte sich meine Wander- und Klettererfahrung aus: Ich konnte einer Ungeübten eine Tüte abnehmen und die Snacks darin sicher bis zu dem Strand bringen, an dem etliche Liegen sowie eine große, ins Wasser hineinragende Holzplattform standen. Wir kletterten auf die Plattform und setzten uns an den Rand. Manche ließen ihre Füße übers Wasser baumeln. Don Dominik forderte uns dazu auf, fünf Minuten ganz still zu sein und einfach nur das Gemeinsam-Sein zu genießen. Also hörten wir dem Rauschen der Wellen zu, betrachteten die Lichter, die schräg gegenüber von der anderen Seite der Bucht herleuchteten. Hinter uns wurde leise in einem Restaurant Musik gespielt, geredet, gelacht und mit Geschirr geklappert.

Wie es wohl wäre, jetzt mit der eigenen Familie oder mit Freunden dort oben im heimelig gelb leuchtenden Restaurant zu sitzen, zu essen, sich zu unterhalten und gemeinsam zu lachen? Wie wäre es wohl, ganz alleine in der Bucht zu sein und im seicht schaukelnden Meer schwimmen zu gehen?

Wie ist es, einfach mal dazusitzen und gemeinsam zu genießen?

Natürlich, die Gespräche, die ich den Tag über geführt habe, waren meist sehr interessant und herzlich. Aber man muss nicht immer reden. Manchmal ist einfach nur gemeinsam existieren genau richtig.

Miteinander da sein…

Die fünf Minuten waren um. Don Dominik forderte uns auf, noch etwas zusammen zu rücken, dann wollte er uns noch etwas vorlesen. Er entschied sich letztendlich doch dagegen, denn es war recht kühl un den Text konnten wir auch zu Hause lesen. Stattdessen nahm er seine Gitarre zur Hand, die den Weg über die vielen Felsen unbeschadet überstanden hatte. Bevor er die Saiten zupfte, forderte er uns auf, noch einmal das Gemeinsam-Sein zu fühlen. Eine der Schülerinnen teilte ihre Regenjacke zum Draufsitzen mit mir, schräg vor ihr saß eine ihrer Mitschülerinnen. Diese lehnte sich bald an sie und sie nahm ihre Mitschülerin in den Arm. Nach einer Weile kehrten sie es um: Die Mitschülerin nahm sie in den Arm.

Die ganze Zeit hätte ich mich am liebsten mit dazu gelehnt. Das ist nämlich etwas, das man schon manchmal vermisst: Einfach grundlos jemanden in den Arm nehmen. Zu Hause war das einfach: Da habe ich Mama ab und zu mal zwei Minuten geknuddelt. Natürlich bekomme ich hier auch Umarmungen. Jeden Morgen mehrere, denn ich werde jeden Morgen von etlichen Schüler*innen herzlich begrüßt. Und über den Tag verteilt kommt noch die eine oder andere Umarmung dazu. Und ich weiß, ich könnte Jezuela theoretisch jederzeit umarmen.Trotzdem tue ich es oft nicht. Es ist nicht so, dass ich es mir verbiete, ich denke nur einfach nicht daran. Erst in Sitationen wie diesen wird es mir bewusst.

Ich lehnte mich aber nicht gleich dazu. Denn ich wusste, dass die beiden befreundet waren und in diese Umarmung wahrscheinlich Emotionen aus verschiedenen Situationen mit hinein spielten, die die beiden gemeinsam durchgestanden hatten. Daher wollte ich nicht stören, die Äußerung der gegenseitigen Wertschätzung nicht unterbrechen.

… und füreiander da sein

Aber nach einer Weile lehnte ich mich doch dazu. Die Hand der Umarmenden, die nun zwischen meinem Kopf und der Schulter der Umarmten klemmte, zog sich vorsichtig heraus und legte sich sanft auf meinen Kopf. Die Umarmte legte ihre Hand offen in die Nähe der meinen, als wolle sie anbieten, die meine zu halten. Das nahm ich gerne an.

So saßen wir ein Weilchen, dann rappelte sich die Umarmte zwischen uns langsam auf und stellte sich ein paar Schritte hinter uns auf die Plattform. Auch zwei andere hatten sich an die Ränder der Plattform gestellt und guckten in die Weite.

Schließlich ließ Don Dominik das letzte Zupfen verklingen. Wir standen auf und machten uns wieder auf den Weg zurück zum Hotel. Und jetzt sitze ich hier, neben mir spielen drei Schülerinnen ein Brettspiel. Am Tisch vor mir hat sich der Großteil der Gruppe um Don Dominik versammelt. Sie singen gemeinsam, Don Dominik bringt nochmal seine Gitarre zum Klingen.

Momente wie diese

Derweil tippe ich mit kühlen Fingern auf meinem Handy herum, baue aus den Bildern in meinem Kopf Sätze. Ich möchte unbedingt diesen Moment – oder eher dieses Weilchen – mit euch teilen. Dieses Ereignis hat mir, wie viele Momente in den vergangenen acht Monaten, gezeigt: Leute, denen man vertraut, sie einfach mal so umarmt, sich mit ihnen unterhält, lacht und manchmal auch weint oder – wie in diesem Fall – einfach gemeinsam schweigt, müssen nicht Verwandte oder jahrelange Freunde sein. Es können auch Freunde sein, die man erst vor ein paar Wochen und Monaten kennengelernt hat, über die man immer noch jede Menge zu erfahren hat. Es kann auch eine Fammilie sein, die zwar nicht blutsverwandt mit dir ist, dich aber wie ein Familienmitglied behandelt.

Liebe Grüße und bis bald!

Eure Bettina

PS: Das Foto ist am nächsten Abend bei einem Stadtbummel in Saranda  entstanden.

Herzlich Willkommen, Schwesterherz!

Am 02. April war es so weit: Meine Schwester Verena kam mich besuchen! Don Oreste und ich fuhren also los, um sie abzuholen. Am Flughafen angekommen stellten wir erst mal fest, dass der Flug etwas später als geplant ankommen würde. Mit der Zeit sammelten sich einige Leute am Ausgang nach der Zollkontrolle an. Genau durch die bin ich vor zu dem Zeitpunkt sieben, inzwischen acht Monaten auch gegangen.

Es kamen immer wieder Leute heraus, manchmal einzeln, manchmal drei oder vier zusammen. Ich musste aber ein ganzes Weilchen warten, bis ich mein Schwesterherz erspähte. Was dann kam, könnt ihr euch schon vorstellen: Noch breiteres Grinsen als sowieso schon, eine dicke und lange Umarmung, riesige Freude!

Schließlich packten wir ihr Köfferchen und ihren Rucksack ins Auto und machten uns auf die gut einstündige Fahrt nach Gjilan.

Die Lieblingsbeschäftigung meiner großen Schwester

Kaum waren wir auf meinem Zimmer angekommen – das praktischerweise zwei Betten hat – und haben ihr Zeug abgestellt, kam, was kommen musste: Kitzelattacke!

Ich glaube fast, das hat meine Schwester am Meisten vermisst: Mich zu kitzeln. Denn damit hat sie die restlichen eineinhalb Wochen nicht mehr aufgehört! Nun, ehrlich gesagt, es war ziemlich witzig. Fast wie zu Hause, wo wir uns manchmal gemeinsam auf unseren großen Sessel gesetzt hatten und sie früher oder später begann, mich durchzukitzeln. Nur dass wir nun auf dem Bett saßen und ich inzwischen etwas besser zurückkitzeln kann.

Prishtina

Verena mag ja nur eineinhalb Wochen hier gewesen sein, aber sich beschweren, dass sie nicht genug vom Kosovo gesehen hat, kann sie definitiv nicht. Schon am ersten vollen Tag fuhren wir mit dem Bus nach Prishtina und guckten uns einige Sehenswürdigkeiten an. Als erstes waren wir bei der Kathedrale, aber die hatten gerade Mittagspause und die Kathedrale war geschlossen. Also machten wir uns auf den Weg zum Newborn-Monument, stießen aber als erstes auf ein anderes Denkmal. Es war den Frauen gewidmet, die im Krieg leiden mussten. Dort übersetzte uns ein junger Mann ein Zitat. Wir kamen ins Gespräch und er bot an, uns die Bibliothek zu zeigen. Ein persönlicher Stadtführer! Dieses Gebot nimmt man natürlich gerne an. Bevor wir jedoch dort hingingen, machten wir noch einen Abstecher zum Newborn-Monument, denn dazu musste man vom Denkmal aus nur die Straße überqueren.

… also an dem Tag, an dem Kosovo seine Unabhängigkeit erklärte.
Das Newborn-Monument wurde am 17. Februar 2008 aufgestellt…

Das Newborn-Monument besteht aus großen Buchstaben aus Metallplatten und Eisenrahmen, die das Wort „NEWBORN“ ergeben. Die Buchstaben werden jedes Jahr neu bemalt. Im Moment sind sie auf der Frontseite mit detailreichen Mustern, die Bilder ergeben, verziert. Auf der anderen Seite stehen pro Buchstabe ein Wort in verschiedene Sprachen übersetzt. Hier die englischen, albanischen und deutschen Wörter:

N: NATURE, NATYRA, NATUR

E: ENERGY, ENERGJI, ENERGIE

W: WATER, UJË, WASSER

B: BIODIVERSITY, BIODIVERSITETI, BIODIVERSITÄT

O: OXYGEN, OKSIGJENI, SAUERSTOFF

R: RECYCLING, RICIKLIMI, RECYCLING

N: NATURE, NATYRA, NATUR

Das sind alles Dinge, denen auf jeden Fall noch viel mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden muss als sie gerade bekommen. Aber nicht nur hier im Kosovo, sondern auch in der ganzen restlichen Welt. Allerdings gibt es hier kein Fridays for Future. Immerhin konnte ich aber mit ein paar (unfreiwilligen) Schülern an einem Vormittag jede Menge Müll vom Gelände sammeln. Im Herbst haben wir mit einer handvoll Animatoren mal den Gehweg und den Grünstreifen vor unserem Gelände sauber gemacht. Das hört sich nicht nach viel an, aber es waren einige Stunden Arbeit.

Die Ausstellung.

Zurück zu unserer Stadttour: Danach gingen wir zur Bibliothek, einem futuristischen Bau: Das Gebäude an sich scheint aus vielen Quadern zu bestehen, die aber mit einem mehrschichtigen Metallnetz mit großen, geschwungenen Maschen umgeben zu sein scheinen. Dazu sind auf dem Dach viele schaumblasenartige Kuppeln. Ein Bild habe ich leider nicht, denn ich hatte meine Kamera in meinem Zimmer vergessen und machte nur das ein oder andere Foto mit meinem Handy.

In der Bibliothek gab es gerade eine kleine Ausstellung. Auf Schautafeln standen kurze Berichte von einer Gruppe von Kosovaren, die jetzt in Großbrittanien lebt. Sie erzählen darin mit wenigen Worten von ihren Kriegserlebnissen. Das war ein stiller, nachdenklicher Moment.

Danach gingen wir wieder Richtung Mutter-Teresa-Kathedrale. Dort verabschiedete sich der junge Mann von uns und wir sahen uns die Kathedrale an. Ich kannte sie von etlichen anderen Besuchen bereits sehr gut. Die Kathedrale ist in sehr hellen Tönen gehalten und hat viele große Buntglasfenster. Insgesamt ist sie in einem eher einfachen Stil gehalten. Dennoch gibt es viele Details zu entdecken. Noch ist sie nicht ganz fertig, aber sie wird bereits für Gottesdienste und Veranstaltungen genutzt. Don Dominik hat übrigens großen Anteil an ihrer Gestaltung.

… und von Innen.
Die Kathedrale von Außen …
Die Decke des Doms.
Eines der vielen schönen Buntglasfenster.

Auf Empfehlung von Jezuelas Schwester gingen wir danach in einem Restaurant essen, das viele vegetarische und vegane Gerichte anbietet. Das hat mich sehr gefreut, denn Vegetarismus geschweige denn Veganismus sind hier beinahe noch Fremdwörter! Also an alle, die mal in Prishtina vegetarisch oder vegan essen möchten: Das „green & protein“ kann ich euch sehr empfehlen.

Anschließend machten wir uns noch auf in die Altstadt und sahen den Uhrturm (Kulla e Sahatit) von Prishtina sowie ein paar alte Moscheen, zum Beispiel die Große Moschee (auch Sultan-Mehmed-al-Fatih-Moschee genannt), die Jashar-Pascha-Moschee sowie die Çarshi-Moschee (auch Stein-Moschee oder Sultan-Murad-Moschee genannt). Auf einem Straßenmarkt haben wir Erdbeeren gekauft. Auch den einen oder anderen Platz mit Statue haben wir überquert. Da war zum Beispiel eine Skenderbeg-Statue und ein Kunstwerk, dass etwas abstrakt mit Flaggen bemalte Menschen darstellt. Irgendwann machten wir uns etwas erschöpft auf den Heimweg.

Und der Uhrturm in Gjilan.
Der Uhrturm in Prishtina.
Jede Menge Flaggen.
Der Skanderbeg-Platz.
… und die Moschee selbst von der Straße aus.
Das Vordach der Großen Moschee…

Und noch mehr Städte

Um es kurz zu fassen: Prishtina war nicht die einzige Stadt, die wir besucht haben. Mit Jezuela waren wir auch in Ferizaj, Peja, Gjakova und Prizren. Außerdem sind wir ein bisschen durch die Berge bei Peja gefahren und spaziert. In Gjakova waren wir in einem der zig Cafés. Es gibt eine ganze Gasse in der Fußgängerzone, die wirklich quasi nur aus Cafés besteht! In Prizren sind wir Abends angekommen und durften bei Dorea übernachten – vielen Dank nochmal!

Dorea ist eine der Voluntärinnen, die ich im Zwischenseminar kennenlernen durfte. Leider hatten wir fast keine Zeit zusammen, denn sie hatte am nächsten Tag einen ganz normalen Arbeitstag, wärhend wir in regnerischem Wetter durch die schöne Stadt spazierten und die Burg etwas oberhalb der Stadt besichtigten. Unser Mittagessen aßen wir in einem Restaurant, das tatsächlich einen winzigen Indoor-Teich mit Enten hatte!

Also falls ihr mal in den Kosovo kommt, kann ich euch definitiv Prishtina, Prizren sowie Gjakova empfehlen. Für alle, die lieber in der Natur unterwegs sind, dürfte sich rund um Peja Schönes finden.

Hier ein paar Eindrücke:

In einer kleinen Kirche in Ferizaj:

Diese Kirche hat definitiv einen sehr eigenen Stil. Trotzdem (oder gerade deswegen) hat sie mir gefallen.
Die Kirche war eigentlich geschlossen – aber Jezuela fragte eine der nebenan wohnenden Nonnen, ob sie für uns öffnen würde.

 

Peja:

Wolken hängen in den Bergen.
Auf dem Weg nach Peja – was wie Wolken aussieht, sind größtenteils weiße Bergspitzen, die aus dem Dunst ragen.
Verena genießt die Aussicht!
Nach etlicher Kurverei haben wir in einem kleinen Ressort angehalten.
Ein kleiner Wasserfall, der im Bach endet.
Ein Blick den Bach hinauf – dafür mussten wir aber erst hinter einer Haltebucht den Hang hinabklettern.
Ein Huflattich kämpft sich durch Kies.
Palmkätzchen – der Frühling kommt!
Jezuela und Verena haben sich super gut verstanden. 🙂

In einer Moschee in Peja:

Die Nische, die die nach Mekka zeigt.
Und ich mittendrin! Das ist das erste Mal, dass ich eine Moschee richtig betreten habe. Davor habe ich nur mal von der Türschwelle aus einen Blick in eine Moschee geworfen.
Oben in diesem Türmchen werden bestimmte Teile des Korans vorgelesen.

 

 

Gjakova:

Ein Gässchen in Gjakova.
Ein traditionelles albanisches Haus, das nun ein Museum ist.
Und die Gasse mit all den Cafés.

 

Prizren:

Ein verregneter Platz.
Die Kalaja e Prizrenit, also die Burg von Prizren.
Etliche Bäume sind in der Altstadt umstrickt – hier ein besonders schönes Exemplar.
Angeblich würde man in Prizren heiraten, wenn man aus diesem Brunnen trinkt – ich habe es lieber nicht ausprobiert.
Ikonen in der orthodoxen Kirche.
Ein Blick in eine orthodoxe Kirche.
Dieses Gemälde befindet sich über dem Altarbereich der Kirche.
Die Kirche von Außen.

In einer Moschee in Prizren:

Die Seitenwand.
Der Blick in die Moschee.
Die schön verzierte Kuppel.
Diese Empore war einst vor allem der Platz für wichtige Persönlichkeiten.

Natürlich besuchten wir auch Jezuelas Familie und durften bei einer unserer Schülerinnen und Animatorinnen zu Mittag essen. Vielen Dank euch beiden und euren Familien für die Gastfreundschaft (, auch für die, die ich auch schon vor Verenas Besuch genießen durfte)!

Irgendwann kommt natürlich der Tag des Abschieds: Nachdem Verena noch einen kleinen Einblick in meinen Schulalltag erhalten hatte, flog sie am 11. April zurück nach Deutschland – schließlich wartet der Alltag nicht.

Vielen Dank, Schwesterherz, dass du hier warst! (Und dass du vegetarische Gummibärchen, einen Herzluftballon, Hosen, eine Zeitung und noch ein paar Sachen mitgebracht hast!)

Liebe Grüße an alle, eure Bettina