Klara und Jana
Weltweit werden etwa 300.000 Kinder als Soldaten missbraucht. Allein in Kolumbien wird die Zahl der Kindersoldaten auf 14.000 geschätzt. Der jahrzehntelange bewaffnete Konflikt zwischen der Guerilla, dem Militär und den Paramilitärs hat Macht und Drogenanbau als Hauptgründe. In einem solchen Alltag wird der Kindheit wird mit Krieg und Gewalt ein jähes Ende gesetzt. Kommen die Kämpfer in die Dörfer, werden ganze Familien ermordet, alle Wertgegenstände und Essensvorräte geplündert; die Kinder werden verschleppt und zwangsrekrutiert. Andere werden mit falschen Versprechungen gelockt und treten aus Angst und auf der Suche nach Schutz den oppositionellen Gruppen bei. Um den Tod ihrer Familenangehörigen zu rächen, schließen sie sich auch freiwillig den verfeindeten Verbänden an.
In den Lagern erwartet sie Erniedrigung, blutige Kämpfe, Misshandlung und Leid. Viele Kinder kommen an der Front ums Leben. Es ist unmöglich, aus den Gruppen auszutreten. Wer eine Flucht wagt, riskiert eine Hinrichtung. Wenn sie noch eine Familie haben, können sie auch dorthin nicht zurück, da sie dort von Guerilla und Paramilitär als erstes gesucht werden.
Also suchen sie die Polizei auf, die sie an Projekte wie das der Salesianer Don Boscos weiterleitet. Zunächst erhalten sie eine drei- bis viermonatige psychologische Intensivbetreuung, bevor in einem Resozialisierungszentrum der Weg in ein geregeltes Leben geebnet wird.
Auch in Cali, in unserem Arbeitsgebiet Aguablanca, befindet sich eine solches Hilfsprogramm Don Boscos. Die „Puertas Abiertas“ (dt.: offene Türen) betreuen zur Zeit 41 Jugendliche im Alter von 14 bis 18 Jahren und ermöglichen ihnen eine Ausbildung. Allein in den letzten beiden Monaten sind 17 neue Jugendliche dazugekommen; die Kapazitäten sind nahezu ausgeschöpft.
In Deutschland wurden wir von Don Bosco Volunteers auf unser Auslandsjahr vorbereitet und so erfuhren wir von der Einrichtung in Cali. Uns hat das Projekt, das sich weltweit für Jugendliche einsetzt, so sehr interessiert, dass wir es selbst auch einmal kennenlernen wollten. Dabei mussten wir uns erst einmal gegen unsere Projektbetreuer in Kolumbien durchsetzen, die Angst hatten, dass diese Kinder, die bereits Morde begangen und selbst die schlimmste Gewaltform erfahren haben, uns etwas antun. Nach unserem Besuch können wir nur sagen, dass diese Angst vollkommen unberechtigt gewesen ist.
Das bestätigt uns auch Milos, ein deutscher Freiwilliger, der für weltwärts ein Jahr in dem „Centro de Capacitación“ arbeitet. Er und Pater Londoño führen uns durch die Ausbildungsstätte und erklären uns, wie ihr Projekt funktioniert. Auch er hält jegliche Vorbehalte für unbegründet. Die ehemaligen Kindersoldaten gingen untereinander sehr liebevoll miteinander um und sprächen offen über ihre Erlebnisse. Viel erschreckender sei, dass man es ihnen ihre Vergangenheit oftmals gar nicht anmerke. Nur manche seien auffallend still. Zu ihrem Schutz dürfen keine Fotos von ihnen gemacht und veröffentlicht werden.
Milos hilft ihnen auf eine andere Weise als es die Psychologen, Sozialarbeiter und Betreuer tun. Er unterrichtet Englisch, zeigt Bilder von Zuhause, spricht viel mit den Jugendlichen und spielt mit ihnen Fußball. Dadurch ist er bei ihnen vollkommen akzeptiert. Nur die Mädchen können zu ihm kein richtiges Vertrauen aufbauen, das Erlebte macht es ihnen zu schwer. Wie alle Kinder lebt Milos selbst zusammen mit den Mönchen in der Einrichtung und begleitet sie durch ihren Alltag.
Viele Jugendliche stammen aus ländlichen Regionen und haben nicht einmal einen Grundschulabschluss. Aus diesem Grund wird sowohl normaler Schulunterricht als auch die eigentliche zweijährige Ausbildung angeboten. Dabei können sie zwischen vielen Berufsbildern wie Schlosser, Mechaniker, Schreiner, Koch und Schneider wählen, aber auch eine Ausbildung im EDV-Bereich oder (für die Mädchen) als Kosmetikerin ist möglich. Die dafür benötigten Werkstätten und Säle sind alle in das Don Bosco-Zentrum integriert.
Der schwerste Schritt ist jedoch der in das selbstständige, geregelte Leben. Die Arbeitssuche wird ihnen durch die Unterstützung von Firmen erleichtert. Als wir das Zentrum besuchen, präsentieren sich Firmen und mögliche Arbeitgeber gerade an Infoständen.
Das kommt auch anderen jungen Erwachsenen aus ganz Aguablanca zu Gute: Etwa 1000 Lehrlinge haben die Möglichkeit, einen Beruf zu erlernen. Kinder aus dem ganzen Viertel können kommen, werden betreut und erhalten ein Mittagessen. Kurzum: Das, was ihnen zu Hause fehlt. Don Bosco zeichnet sich für sein großflächiges Engagement aus, so wird derzeit zum Beispiel ein Kochkurs für Taube angeboten.
Nach all dem, was uns über die ehemaligen Kindersoldaten erzählt wurde, hatten wir uns die Begegnung mit ihnen schwerer, komplizierter, vorgestellt. Stattdessen trafen wir auf Jugendliche, die keine Berührungsängste zeigten und offen mit uns gesprochen haben. Die Arbeit der Salesianer und wie die Jugendlichen in einen Neuanfang geleitet werden, hat uns wirklich sehr beeindruckt.
Uwe Horz
Hallo Klara,
obwohl Du in der (nun nicht mehr ganz so) Fremde bist, wünsche ich Dir, dass Du trotzdem ein frohes Fest haben mögest – Weihnachten ist ja eine universelle Botschaft, überall gleich.
Ich bewundere Deinen (Euren – liebe Grüße auch an Jana) Mut, Kraft und Einsatz. Und vielen Dank für die Berichte aus Cali und Deinem (Eurem) Leben dort. Bleibt behütet.
ALuG
Uwe
„Ob eine Sache gelingt, erfährst du nicht, wenn Du darüber nachdenkst, sonderen wenn du es ausprobierst“ – eine „Postkartenweisheit“, trotzdem wahr ;-))
Carla Hanna
Liebe Jana,
schon seit Deiner und Klaras Ankunft in Cali lese ich mit große, Interesse Euren Blog. Es ist schön zu sehen, dass es junge Menschen wie Euch gibt, die sich für andere einsetzen. Durch den Alltag in der Schule, der so ganz anders ist als in deutschen Schulen, erlebt Ihr sicher Vieles, was für Euren weiteren Lebensweg hilfreich ist.
Ich wünsche Euch frohe Weihnachten und alles Gute für 2011. Macht weiter so!
Herzliche Grüße, Carla Hanna („Cello-Mutter“ von Maurice)