Jana

In Gedanken habe ich es mir schon seit Langem vorgestellt und mich so gut wie möglich darauf vorbereitet. Und nun stehe ich auf einmal vor 40 Kindern im Alter von 5 bis 10 Jahren, die mich im besten Fall mit großen, braunen Augen anstarren. Während ich ein Kind beim Bleistiftspitzen unterstütze, ermuntere ich das andere zum Malen einer Kuh. Gut vier Wochen bin ich nun schon in Kolumbien und kann zur allgemeinen Beruhigung sagen: Es geht mir so richtig gut.

Zwar (oder vielmehr natürlich) ist alles sehr viel anders gekommen als geplant, aber ich lebe mich langsam in mein neues Dasein als Lehrerin ein. Erst letzte Woche Montag haben wir endgültig gesagt bekommen, was unsere genauen Aufgaben sein werden. Da einen Tag zuvor der Sportlehrer abgesagt hat, sind wir kurzerhand für den Sportunterricht der Grundschule eingeplant worden. Solange der sich auf Spiele beschränkt, ist das machbar. Von allem anderen habe ich, nun ja, weniger Ahnung. Ein anderer Schwerpunkt liegt auf dem Fach Englisch. Am Anfang war ich etwas enttäuscht, dass ich doch nicht wie zugesagt im Musikunterricht eingesetzt wurde. Immerhin habe ich nun doch vier eigene Celloschüler, drei Mädchen und einen Jungen aus der sechsten Klasse. Bis zur nächsten Woche ist es meine Hausaufgabe, die einzelnen Bezeichnungen eines Cellos auf Spanisch zu lernen. Die Sprache macht mir sonst überhaupt keine Probleme: Ich verstehe alles mühelos und manchmal denke und rede ich Spanisch, ohne dass ich mir dessen überhaupt bewusst bin. Neulich wurde ich sogar von einer Kolumbianerin gefragt, ob ich eine Einheimische sei. Wenn das kein Balsam für das Ego ist… 🙂

Der Unterricht mit den Kindern ist genauso schön wie anstrengend. Es ist ohne jede Erfahrung nicht so einfach, gute Unterrichtsstunden vorzubereiten, sich bei den kleinen Hampelmännchen Gehör zu verschaffen und gleichzeitig auf jeden Einzelnen einzugehen. Als eine unverbesserlichere Optimistin bin ich davon überzeugt, schon bald eine pädagogische Trickkiste zu besitzen, die mir den Umgang mit den Kindern erleichtern wird. Statt purem Vokabellernen nutze ich zum Beispiel mittlerweile die unglaubliche Fröhlichkeit aller aus. Wo gelacht und Freude vermittelt wird, lässt es sich sicherlich auch gut lernen, denke ich. Und wenn sie mal nicht auf mich hören, dann versuche ich mich darin, ganz, ganz ernst zu gucken, sie ein wenig auszuschimpfen und ihnen deutlich zu machen, welches Verhalten im Unterricht wichtig ist und warum. Wirklich böse kann ich ihnen aber ohnehin nicht sein, dafür sind sie einfach viel zu süß…Und spätestens, wenn sich der halbe Schulhof eine Umarmung von allen Seiten und das typische kolumbianische Küsschen abholt, bin ich schlichtweg nur noch überwältigt von der Wärme dieses, ja, magischen Ortes (ich finde kein weniger vor Kitsch triefendes, aber zutreffendes Wort).

Die kratzige Stimme am Ende des Tages nehme ich dafür gern in Kauf. Und wenn dann auch noch ein Erfolgserlebnis wie heute dazu kommt, erst recht. Die achte Klasse, in der wir ein- bis zwei Mal in der Woche „hospitieren“, ist eigentlich eher als die Problemklasse bekannt. Kein Lehrer hat es leicht mit den Schülern und ihr Englisch ist, sagen wir es so, ausbaufähig. Darum haben wir sie laut vorlesen lassen (nichts Geringeres als „Winnie The Pooh“) und jeden Aussprachefehler korrigiert, sowie die fremden Wörter auf einer Vokabelliste festgehalten. Das Ergebnis konnte sich durchaus sehen lassen!

Klara und ich sprechen manchmal schon von „unseren 500 Kindern“, so sehr sind sie uns bereits ans Herz gewachsen. Deutsche Berührungsängste weichen der Unbefangenheit; kein Tag gleicht dem anderen, jeder ist bisher besonders und schön. Wir werden von allen vollkommen akzeptiert und unterstützt, das macht es umso einfacher.

Ich sehe schon, ich muss ganz bald einen weiteren Eintrag schreiben. Es gibt so unglaublich viel zu erzählen, so viele Eindrücke und Begegnungen, über die einfach berichtet werden muss. Nicht zu vergessen auch mein kolumbianischer Geburtstag!

Bis dahin ganz liebe Grüße aus dem nun offiziell winterlichen Cali: Es regnet viel und man zieht sich bei 23 Grad tatsächlich eine Jacke über.