Jana

Nach einer 24-stündigen Reise sind wir gut in Cali angekommen. Klaras Koffer war zwar kurzzeitig nicht da, wurde aber mit dem nächsten Flugzeug gebracht. Was ein Glück.
Ein Schritt aus dem Flughafen, und schon schlägt einem die Wärme und die ganze Feuchtigkeit ins Gesicht.
Auf der Autofahrt zu unserem Schlafplatz (es war zu spät um noch in unsere Wohnung zu fahren, also haben wir bei Reyna übernachtet) konnte man sofort sehen, was die Nacht hier für eine Bedeutung hat: An den Straßenrändern liegen sehr viele obdachlose Menschen, zugedeckt mit Plastiktüten; ein junges Mädchen, vielleicht 16 Jahre alt, geht an zwischen den Autoschlangen hindurch und bettelt um Essen, dabei zeigt sie ihren runden Bauch. Sie ist vielleicht im fünften oder sechsten Monat schwanger. Jedesmal bekomme ich Gänsehaut.
Manchmal halten wir nicht an roten Ampeln, zu groß sei die Gefahr, wir könnten überfallen werden, sagt uns Reyna.

Der erste Tag

…ist vorüber. Auch wenn wir die Zeitumstellung noch nicht ganz überwunden haben, so sind wir doch ziemlich froh, dass wir nun zur Schlafenszeit auch ordentlich müde sind.
Gegen Mittag haben wir dann endlich unsere Wohnung bezogen. Sie befindet sich im dritten Stock und ist sehr hell, sehr groß und für kolumbianische Verhältnisse sehr komfortabel.
Wir haben einen kleinen Balkon und der Flur liegt halb im Freien, in einer kleinen Küchenzeile könnten wir uns theoretisch etwas zu Essen kochen, aber es gibt noch keine Streichhölzer um den Herd anzumachen. So ernähren wir uns zur Zeit von Ananas, Mangos und Papayas.
Und es gibt kein warmes Wasser, aber das ist hier eigentlich so üblich.

Abends

Nun liege ich in meinem Bett, das uralte, aber große Fenster weit geöffnet. Wenn ich hinaussehe, ist Klaras Zimmer direkt gegenüber, aber ich sehe ebenso die riesige Wellblechlandschaft, die sich vor mir erstreckt und bis zu den Bergen reicht. Dort, wo die meisten Lichter brennen, ist Siloé, ein ähnliches Viertel wie Aguablanca. Man erkennt es an einem blinkenden, großen Stern, der zugleich Wahrzeichen und Warnung ist. Auf dem nächsten Berg ist der Christo Rey, der in etwa das gleiche darstellt wie der in Rio de Janeiro. Die Luft ist stickig, feucht und warm. Zum Glück ist es ein wenig windig. Aber es riecht verbrannt.
Ich höre schnelle, laute und unaufhörliche Werbung im Fernsehen von draußen, eine unglaublich penetrante, sich wiederholende und komischerweise orientalisch klingende Oboe, die entfernte Musik einer Disco, Sirenen, weinende Kinder, das Rauschen der vorbeifahrenden Autos und Motorräder, das Klappern von Absatzschuhen. Und das alles gleichzeitig.

Buenos Días!

Milch zum Anrühren, Ameisen im Brot, eine Kakerlake in der Dusche, dafür aber keinen einzigen Mückenstich! Spätestens jetzt ist mir wieder klar geworden, dass das Leben in den Tropen einfach komplett anders ist.
Heute morgen wurden wir abgeholt und sind zur Schule gefahren. Es ist jedesmal wieder erstaunlich, wie klein sie doch ist. Als wir den Schulhof betreten, macht eine kleine Schülergruppe gerade eine Tanzaufführung. Es ist Sporttag und auf dem benachbarten Platz spielt die vierte gegen die fünfte Klasse das Fußballfinale. Kurz darauf sind wir in der ersten Klasse, wo die Kinder uns ganz lieb begrüßen und sofort in ganz schnellem und schwer verständlichen Spanisch Löcher in den Bauch fragen:
Wo haben wir Deutsch gelernt? Was heißt „sapo“ auf Deutsch? Nun stellt sich nur noch die Frage, wen oder was sie als Kröte bezeichnen wollen…
Bereits jetzt kann ich sagen: Ich liebe diese Kinder. Sie schließen einen so schnell ins Herz, dass sie es einem wirklich unmöglich machen, sie nicht auch gern zu haben. Heute kam ein kleines Mädchen auf mich zu, umarmt mich- und geht wieder zurück in ihren Klassenraum.
Ich habe das Gefühl, das wird ein tolles, tolles Jahr …