Seit zwei Monaten Lehrer in Kolumbien – hier berichte ich, welche Unterschiede mir zwischen der Schule in Aguablanca und dem deutschen Bildungssystem aufgefallen sind.

Erstmal – La Providencia ist keine Staatsschule wie das Johanneum oder die Schulen, auf die wir Freiwilligen bis kurz vor unserem Einsatz gegangen sind. Sie ist halbprivat, gegründet von der Ordensschwester Julia. Die Schule hat es sich auf die Fahnen geschrieben, die Kinder sowohl akademisch als auch persönlich zu fördern. Die Kinder bekommen (im Vergleich zu Staatsschulen) sehr großzügige fünf Stunden Englischunterricht pro Woche. Jede Stufe, von der Vorschule bis zur Abschlussklasse, erhält zwei davon von Zita und mir. Um die Kinder darüber hinaus zu entwickeln gibt ab der sechsten Klasse Instrumentalunterricht.
Wer mit Schwester Julia spricht, merkt dass sie eine Macherin ist, eine die anpackte und vor mehr als 25 Jahren aus dem Nichts eine Schule gegründet hat.
Das spürt man schon wenn man morgens mit dem Jeep in der Küche parkt. Die Schule ist wahnsinnig kompakt, alle Klassenzimmer um einen kleinen Hof herum. Keine Klasse, die größte 41 Schüler stark, ist abgetrennt – alle Türen sind offen, man sieht und hört alles.
Diesen Umständen müssen die Lehrer ihren Unterricht anpassen, Tests schreiben auch wenn gerade nebenan der Chor von Nicolai probt. Eine neue Englischlehrerin war geschockt. Sie kam von einer der besseren Privatschulen, hatte ihr Leben lang kleine Gruppen unterrichtet und stand nun auf einmal vor den dreißig wuseligen Vorschülern. Die Lehrer hier sind, wie ich behaupten möchte, ziemlich tough. Ebenso erfordert es ein gewisses Maß an Hingabe, für etwa den halben Beamtenlohn zu arbeiten.
Meine erste Woche war zugegebenermaßen eine Herausforderung – Unterrichten, ein Job den du zum ersten Mal von dieser Seite siehst, „du alleine gegen den Mob“, vor Schülern, deren Namen du weder weißt noch je gehört hast (meine Favoriten sind „Estiven“ und „Lady Laura“). Aber nachdem einige Zeit vergangen ist, bekomme ich immer mehr den Dreh raus.
Ich verstehe immer mehr der kleinen Dinge, die man als Lehrer beachten muss. Nicht übererklären, wie mein ehemaliger Französischlehrer, bei dem ich immer eingeschlafen bin – aber auch nicht überfordern, bedenken, dass man an einer Gesamtschule ist, und nicht wie vom Gymnasium gekannt nur mit der erfolgreicheren Hälfte der Schüler zu tun hat. Das richtige Maß an Partizipation finden, die schlechten Schüler zu einer Antwort zwingen – und sich ihre Namen merken, was ich immer noch nicht schaffe (es sind aber auch fast dreihundert).
Genauso lerne ich eine andere Pädagogik kennen – unterrichten mit fünfzig Freikopien pro Woche bedeutet wesentlich mehr Tafelarbeit und Diktat und den faszinierenden Satz „Profe, sollen wir dir die Blätter wieder zurückgeben?“.
Während der Freistunden wohne ich im English Lab – dort gibt es Internetanschluss und einen großen Bildschirm, auf dem man den Schülern Filme zeigen kann (sogar ohne die anderen Klassen zu stören).
Mittagessen gibt es in der Schulkantine (gleich neben der Garage). Sie unterscheidet sich ziemlich von ihren deutschen Pendants, denn jeder isst seinen Teller leer und wäscht ihn danach auch wieder ab, eines der vielen Anzeichen für den besonderen Geist dieser Schule. Es herrscht weniger sterile Lehratmosphäre als in Deutschland, die Lehrer werden geduzt. Die Schüler kehren ihr Klassenzimmer selbst, in der Pause bleiben alle Stufen zusammen im Hof und es herrscht eine ohrenbetäubende Lebendigkeit. La Providencia ist mehr als Schule, eine Kapsel aus Gemeinschaft um einen kleinen Innenhof.

Außerhalb der Arbeit in Aguablanca haben wir die ersten Wochen noch viel Zeit für die Unterrichtsvorbereitung gebraucht. Nach und nach wird man aber effizienter, und so konnten wir Cali ein bisschen besser kennen lernen. Wir haben Pandebono entdeckt, einen leckeren Teigring mit Käse, das Künstlerviertel besucht, sind in einem klimatisierten Kino erfroren und sind schließlich auch verreist.
In den Herbstferien waren wir in Bogotá und an der Karibikküste und haben die schönsten Landschaften gesehen. Der Regenwald ist ein Bild, den man gar nicht lange genug betrachten kann, wenn der Guide mit der Wandergruppe weiter will. Die Unterwasserwelt ist ein Regenbogen.
Nun packen wir mit neuem Schwung das vierte Bimester an und freuen uns schon auf Halloween bei 30°. (Wirklich, es ist verdammt komisch, dass hier nirgends Blätter fallen).