La vida loca

Jana

Auf dem quietschgrünen Shirt, das uns unsere Aguablanca-AG geschenkt hat, steht der blaue Schriftzug: Jana und Klara -gonna living the vida loca. Und genau das kam uns beiden nach vielen Stunden voller Turbulenzen und Absurditäten in den Sinn, als wir uns in unserer Wohnung heute Abend in unseren Campingstühlen im Dunkeln gegenüber saßen und vor Ungläubigkeit nur noch lachen konnten. Doch alles der Reihe nach.

Gestern war es warm. Unglaublich warm. Aber das stellten wir erst fest, als wir ausgerechnet um die Mittagszeit unsere dringlichen Einkäufe zu erledigen hatten, schließlich waren sowohl der Bauch als auch der Kühlschrank leer. Die sengende Hitze hat uns beide erstmal komplett umgehauen und unser Kreislauf plädierte lautstark für eine Siesta. So schoben wir das plötzliche Wanken und Wackeln des Hauses zuerst auf unseren allgemeinen Gemütszustand. Dabei war es nicht weniger als ein kurzes, harmloses Erdbeben.

Vielleicht sollte ich auch noch erwähnen, dass unsere direkten Nachbarn uns malträtieren. Beinahe jeden Vormittag legt die „Party“-Gemeinde los, spielt laut Musik und probt offenbar für den Sonntagmorgen, wo das ganze Spektakel seinen (Dezibel-) Höhepunkt erreicht. Das alles wäre nur halb so erwähnenswert, würde es sich nicht um 7 Uhr morgens ereignen. Die Fenster hier haben nämlich keine Dichtung, dienen also nur, um das Hineinregnen zu vermeiden und sind dementsprechend lärmdurchlässig. Und dann gibt es da noch einen entzückenden Monsterhund (ich vermute ja, dass es ein Werwolf ist), der bei Nacht eine erstaunliche Kondition in Sachen Bellen vorweist. In den letzten beiden Tagen hörten wir ihn nicht, denn da hat es gewittert. Es hat die ganze Zeit durchgeregnet! Dazu kamen Donner, wie ich sie in Deutschland ungelogen noch nie erlebt habe. Immer wenn ich durch einen Schlag geweckt wurde, gedachte ich im Halbschlaf unserer neuen Waschmaschine, die auf dem Balkon dem Regen fast ungeschützt ausgesetzt war. Aber ihr ist nichts geschehen. Und ich habe dafür Augenringe bis zu den Kniekehlen.

Unseren zweiten Ferientag haben wir im Zoo von Cali verbracht. Der Satz des Tages: „Was bitte ist denn DAS?!“ (Klara), was sich hauptsächlich auf lustige Tiere und ulkige Pflanzen bezog. Kaum waren wir wieder zu Hause – fängt es an zu regnen. Und jetzt kommt’s (zur besseren Verbildlichung bevorzuge ich einen Wechsel der Zeit):

Es ist etwa 19.30 Uhr, wir sitzen im Wohnzimmer und essen gerade, als es an der Tür läutet. Ich stürme also die drei Stockwerke hinunter, öffne wie gewöhnlich mit einem technischen Kniff und einem Küchenmesser die Haustür, doch niemand außer der gewaltige Regen ist zu sehen.

Ein paar Minuten später wieder dasselbe. Bis wir kurz darauf einem 13-minütigen Dauerklingeln ausgesetzt sind, das sich lautstark und nicht weniger nervtötend breitmacht.

Unser hilfsbereiter Vermieter Ricardo nimmt sich unserem Problem an, geht in die ohnehin halb überschwemmte Küche, wo sich die Klingel befindet, erklimmt einen Plastikstuhl und stellt erstmal den Strom ab, damit wieder Ruhe einkehrt. Dass es nun dafür dunkel ist, stört nicht weiter. Doch es ahnt ja niemand, dass das den totalen Stromausfall auslöst. Nun geht gar nichts mehr. Also wird das Hausmädchen Ricardos hoch gerufen, um ihm mit einer Taschenlampe zu leuchten, während er oberhalb unseres Kühlschranks munter an den Stromkabeln herumspielt. Wir versuchen ihm zu helfen, indem wir die Zwiebeln aus dem Weg räumen und helfen uns, indem wir Schokokekse essen. Schließlich findet er das kaputte Teil und will sofort loseilen, um ein neues zu kaufen. Ich sage ihm, dass wir es auch problemlos eine Nacht ohne Strom aushalten könnten, das alles könne doch auch morgen noch im Hellen repariert werden. Er entgegnet: „Aber es ist kaputt!“, worauf ich mich nur wiederholen kann. „Aber es ist kaputt!“. Nun, das lässt sich offensichtlich nicht abstreiten.

Wir lassen ihn schnaufend weiterbasteln und lassen uns resigniert in unseren Campingstühlen nieder, sitzen einfach nur im Dunkeln und warten. Die Ungläubigkeit gegenüber dieser absurden Situation löst einen Lachkrampf bei uns aus, der noch einige Stunden anhalten wird.

Der Vermieter Ricardo flucht.

Er läuft ein paar Mal im Sauseschritt an uns vorbei, die Treppe rauf, die Treppe runter.

Da flackert das Licht und auch die Klingel tönt. Vor unseren Augen wird es hell und wieder dunkel, gleichzeitig sind unsere Ohren wieder dem bisweiligen Klingelsturm ausgesetzt. Also irgendwie fand ich es still, aber dunkel angenehmer.

Wir stellen fest, dass man hierfür entweder bekloppt sein muss oder es zwangsläufig wird. Doch dann stabilisiert sich die Lage. Das Licht bleibt an und das Klingeln verstummt. Wir nehmen zur Kenntnis, dass wir nun für die eine Nacht provisorischen Strom haben, also sollten wir nie mehr als zwei Lichter gleichzeitig anmachen.

Während ich in die geschaffte und verschwitzte Miene Ricardos schaue, der mir das alles mit Elektrikervokabular zu erklären versucht, sehe ich aus dem Augenwinkel, wie zwei lange Fühler aus dem Abfluss des Waschbeckens hervorragen.

Wir bedanken uns herzlich und aufrichtig für die Hilfe, schließen die Tür und eilen hastig zu dem Besucher, einer überirdischen Kakerlake. Es bleibt nichts anderes übrig, als den Improvisationsmarathon fortzusetzen. Ich drehe den Wasserhahn auf; die Fühler machen einen Abgang. Und zur Sicherheit sprühen wir ein garantiert gesundheitsschädliches Waschmittel nach und verschließen den Abfluss mit einem großen Stein.

Die Einheimischen nennen ihr Land manchmal augenzwinkernd auch LOCOMBIA (loco = verrückt). Nach allem, was uns in den letzten 48 Stunden widerfahren ist, können wir dieses Wortspiel nur bejahen. OH JA!

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Prooofe…

3 Kommentare

  1. Verena

    Hey ihr Zwei
    Schön, dass es euch gut geht und das mit Humor nehmt.
    Ich bin froh, dass in unserem Haus keine Kakerlake ist. Mir grauts schon vor dicken Spinnen. ^^
    Liebe Grüße aus dem (momentan) sonnigen Deutschland

  2. Bethsy

    Gut, dass ihr das alles mit Humor nehmen könnt 😀 Obwohl Klara schon einiges erzählt hat, musste ich so lachen, als ich den Text gelesen hab…
    Ich wünsch euch noch schöne und hoffentlich ruhigere Ferientage! 🙂
    Alles Liebe

  3. Hey Ihr Zwei,
    vielen Dank für die kurzweilige Unterbrechung meines Arbeitstages. Auch wenn ich gerne mit Euch tauschen würde, bin ich doch froh Kakerlakenfrei zu wohnen- aber man gewöhnt sich an alles!

    Viele Grüße aus dem kalten Deutschland…
    Ulla

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