Da mein späterer Alltag in seiner ganzen Form von 6:00 in der Früh bis 21:00 am Abend erst langsam Fahrt auf nimmt, möchte ich dir heute zeigen, wo ich nun schon seit einem ganzen Monat (wo sind diese ganzen Tage geblieben???) herumspaziere.

Indien

Indien ist Wirtschaftswachstum – oder doch Wellblech? Indien ist die größte Demokratie der Welt – oder doch Hindu-Fundamentalismus? Indien ist Gandhi. Indien ist Buddha. Indien ist Atommacht. Indien ist High-Tech – oder doch Subsistenz? Indien ist Kulturvielfalt – und doch Kaste. Indien ist Bollywood. Indien ist Yoga und Meditation. Indien ist Patriotismus und Tradition. Indien ist Armut, ist Not, ist Leid, ist Hunger, ist Krankheit.
Indien ist 1 200 000 000 Menschen – und darunter nun: ich.

Tamil Nadu – was ist Tamil Nadu?

Da hören die spontanen Assoziationen schon auf oder? Tamil Nadu ist der Bundesstaat im Südosten, dessen Grenzen sich vor allem am Sprachraum der Landessprache Tamil orientieren. Die Tamilen sind ein sehr stolzes Völkchen. Sie sind vor allem stolz auf ihre Kultur, die als eine der ältesten auf der Welt gilt.

Vilathikulam

Vilathikulam ist meine neue Heimatstadt, eine Kleinstadt mit 13.000 Einwohnern im tiefsten Indien. Ich befinde mich hier in der absoluten Ebene. Von meiner (fast) persönlichen Dachterrasse kann man unfassbar weit schauen und sieht doch nirgendwo eine Erhebung (für jemanden der die deutschen Mittelgebirge gewöhnt ist, eine ordentliche Umstellung).
Vilathikulam liegt an der Kreuzung zweier Straßen: einer Ost-West-Achse und einer Straße, die von Norden dazu stößt. Das Herz des Dorfes/der Kleinstadt ist der „bus stand“, von wo aus Busse dich in alle Himmelsrichtungen bringen. Immer wenn ich diese 200m downtown (wie ich es nenne) gehe, werde ich neugierig bis ungläubig angestarrt, aber da gewöhnt man sich auch dran. An den Straßen drängen sich die Shops aneinander und von indischen Stoffen, über frittierte Kleinigkeiten, über Obst und Gemüse, bis zu tamilischen Snacks gibt es alles, was man in Indien zum Leben braucht.

VEMBU

VEMBU, mein Projekt liegt an der Vembar Road, die direkt zum Meer führt (es sind nur etwa 20-30 Minuten), in das ich auch schonmal reinhüpfen durfte 😊. Es gibt – sagen wir ehrlicherweise – 2,5 Gebäude. Erstens das Hauptgebäude: dort wohnt die community (3 fathers und 2 brothers) und unter der Woche die Hosteljungs. Hier wird gekocht und gegessen, gebetet und gefeiert, gelehrt und gelernt, gespielt und gechillt.

Don Bosco hat alle(s) im Blick

In einem großen Saal finden hier provisorisch die sonntäglichen Messen statt, bis die Kirche fertig gebaut ist. Diese befindet sich direkt neben dem Hauptgebäude. Mir wurde gesagt, sie soll im Dezember fertig werden, aber ich bin dahingehend etwas skeptisch, da ich in den letzten Wochen so gut wie keinen Fortschritt erkennen konnte…

church in progress

Im dritten Gebäude ist auch ordentlich was los: im Erdgeschoss werden in der Press fleißig Unmengen an Notizbücher in Handarbeit gefertigt. Ich staune immer noch jedes Mal, wenn ich zur Tür rein komme und die ganzen Stapel sehe.

sooo viele Schulhefte

Meine Versuche, ein Buch zu binden scheiterten kläglich und darum überlasse ich das künftig den Profis, aber für die simpleren Arbeiten bin ich doch zu gebrauchen 😅.  Darüber im ersten Stock liegt das „VEMBU office“, von wo aus alle Aktionen und Programme koordiniert werden. Noch einen Stock höher liegen unmittelbar neben der Näh- und Schreibmaschinen-Klasse mein eigenen vier Wände.

Dahoam is dahoam

Hier lebe ich also zusammen mit einer Taube, die beschlossen hat, es vor einem meiner Fenster auch sehr gemütlich zu finden, aber wir haben uns nach gegenseitigem Kennenlernen gut arrangiert. Netterweise weckt Sie mich auch jeden Morgen auf 🙃.

Wie duscht man taktisch klug mit einer Eimerdusche? Wie spannt man Wäscheleinen möglichst effizient?Wie halte ich mein Zimmer mit einem Besen sauber, wenn ich jeden Abend nach dem Regen (ja es regnet hier gerade fast täglich) mit Matschfüßen in Zimmer stolpere? Wie bastelt man sich aus einem handelsüblichen Schulheft einen Sonnenschutz?

Tja, so was gehört auch zu den Dingen, die man als Volo lernt. Hier habe ich mich schon gut eingelebt und auch mit der Community und den Leuten hier läuft es echt gut. Hier werde ich nun also ein Jahr leben.

Ich merke auch: in meinem Projekt und mit meiner Arbeit werde ich kaum die Welt retten und die indische Gesellschaft verändern. Was ich dennoch hoffe ist, ein paar Menschen, denen ich hier begegnen und mit denen ich Zeit verbringen darf, ein Freund, ein Bruder, ein Spielpartner, ein Lehrer zu sein. Ich glaube auch fest an das afrikanische Sprichwort, das sagt:

Viele kleine Menschen, die an vielen kleinen Orten viele kleine Dinge tun, können das Gesicht der Welt verändern.

quote of the day

Mit diesem Zitat verabschiede ich mich und sage bis bald!🌏🇮🇳


PS: entschuldigt, dass die Fußspuren ausbleiben, aber mein Laptop hat sich in den Winterschlaf begeben und will nicht mehr aufwachen.