Benni in Indien

Auf geht's!

100 Tage

8640000 Sekunden, 144000 Minuten, 2400 Stunden, 100 Tage, 14 Wochen, 3 Monate und mehr als ein Viertel meines Volontärjahres sind mittlerweile rum: ein Anlass für einen Rück- und Ausblick. In der Politik gilt der Brauch, nach 100 Tagen zurückzublicken auf das bisher Erreichte, die Veränderungen. Ich bin hier, um mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten, sie zu unterstützen, ihnen etwas beizubringen und für sie da zu sein – und das alles im Sinne Don Boscos.

              „Der Teufel hat Angst vor fröhlichen Menschen.“

Don Bosco

Quatschköpfe

Täglich fahren wir in eine der beiden Grundschulen – entweder mit dem Fahrrad nach Kattalampatti oder mit dem Bus nach Martandampatti. In Kattalampatti leben gerade mal 27 Familien. 50 Kinder besuchen die Grundschule. Der Großteil der Einwohner lebt von der Landwirtschaft auf den Feldern oder von ihren Ziegen, Kühen, Hühnern oder Schweinen. Viele haben nur wenig Platz in ihrem Zuhause und auch Strom- und Wasserversorgung sind nicht die Beste. Es ist ein sehr armes Dorf, in dem diese Kinder aufwachsen.

Wir wollen diesen Kindern den Schullalltag versüßen. Wir machen mit ihnen kleines Englisch und wollen versuchen als die Person in ihr Leben zu treten, mit der sie Englisch reden können und müssen. Auch wenn das manchmal nur mit sehr vielen Händen und Füßen funktioniert, nehmen sie doch etwas mit. Für uns ist es schön, kleine Lernerfolge beobachten zu können. Natürlich darf der Spaß nicht zu kurz kommen und wir machen ordentlich Spiele und Actionsongs mit ihnen.

Was ich von den Kindern lerne: Zuneigung und Vertrauen braucht keine Sprache, keine Worte. Es ist immer sehr süß, wie sie um den Platz an deiner Seite kämpfen oder darum, neben dir an deiner Hand laufen zu können oder dir eine spannende Geschichte auf Tamil erzählen wollen. Diese kleinen Dinge, die sie dir zurückgeben, geben mir viel Bestätigung und Motivation. Oft fahre ich mit einem Lächeln auf dem Gesicht nach dem Unterricht zurück ins Projekt und denke an diese fröhlichen Menschen.

              „Fröhlich sein, Gutes tun und die Spatzen pfeifen lassen.“

– Don Bosco

Frisurexperimente mit dem Rasierer 🙂

Bruder sein – jemand, der dich begleitet, der dir hilft, so gut es geht, der mit dir herumalbert. Wir haben schon viele Insidergags mit den Jungs aus dem Hostel und dank der kleinen Anzahl lernt man sich schnell kennen und tauscht kleine Geheimnisse, wie zum Beispiel den Namen der heimlichen Freundin, aus.

beim Kabbadispielen 🙂

Das ist unsere Hauptaufgabe: die 15 Spatzen/Jungs, die hier von Montag bis Freitag wohnen. Das Hostel wurde eröffnet, um Schülern, die von einem dropout, einem Schulabgang bedroht waren, die Möglichkeit zu geben, sich hier voll und ganz auf ihre Schullaufbahn zu konzentrieren (durch die Nähe zu Schule, durch eine Lernatmosphäre, durch Unterstützung). Inzwischen wohnen hier auch Jungs, die ohne oder nur mit einem Elternteil aufwachsen.

Ich fühle mich bei den Jungs sehr wohl, erledige meine Aufgaben bei ihnen gerne, bin fröhlich, wenn ich bei ihnen Gutes tun kann😊

              „Lieben heißt: das Glück des anderen suchen.“

– Don Bosco

Das Lesen lehren ist unsere dritte Aufgabe. Keine leichte Aufgabe, denn es benötigt viel Zeit und auch Geduld. Wie habe ich das damals gemacht? Ich erinnere mich noch an kleine „Deals“ mit meinen Eltern: „Eine Seite ich, eine Seite du!“. Und da sieht man schon, wie es am besten klappt: mit Aufmerksamkeit, mit Zeit, die man sich nimmt. Daher nehmen wir uns oft Kinder der Evening Tuition zur Seite und lesen mit ihnen Bücher. Bilderbücher, um nochmal von 0 anzufangen, denn Englisch lesen in Indien läuft so ab: pro Schuljahr bekommt man ein Englischbuch mit zwei, drei Texten und Gedichten. Diese Texte werden von den Kindern nun Stück für Stück auswendig gelernt (eine Kompetenz, die zwar in der weiteren indischen Schullaufbahn essentiell ist, aber eben nicht zum Lesen-Können führt). Nach dem Leseteil gibt es Spiele: Memory-Karten zu Früchten und Farben, Kreuzworträtsel, Buchstabenperlen zu Wörtern legen und und und. Diese Zeit macht mir immer viel Spaß, weil ich glaube, dass sie wertvoll angelegt ist.

Update

Es ist an der Zeit, auf Veränderungen hinzuweisen, da ich schon oft auf Dinge meiner ersten Blogeinträge angesprochen wurde, die sich mittlerweile einfach geändert haben. Es kommt mir nun mal mittlerweile normal vor. Daher kommt hier ein Update:

  • Schluss mit „wenig scharf“: die Zeit, in der für mich als Extrawurst gekocht wurde, ist schon lange vorbei. Seit meiner dritten Woche esse ich das normal Esse mit und ich kann sagen: Indische Schärfe wurde – zumindest von mir – soooooo überschätzt.
  • Regen- statt Schweißtropfen: die Regenzeit kam und ging. Oktober und November sind die beiden „angenehmen“ Monate mit viel Niederschlag. Dadurch ist die Landschaft auch sehr viel grüner geworden und die Bauern bauen heftig Mais, Bananen, Ananas, uvm. an. Im Januar feiert man dann das indische „Erntedankfest“, das Pongal-Festival.
  • Kulturtaucher: man taucht mehr und mehr ein in die tamilische Kultur. So trage ich beinahe täglich einen Dhoti/Lungi, das traditionelle Männergewand (allerdings nur im Privaten zum Chillen 😉). Man kennt das Essen, man versteht die Gestik (und macht reflexartig mit), man weiß, wo man wie was kauft.
  • Lesen lernen (nochmal): ich habe gelernt zu lesen. Für einige Zeit habe ich mich der tamilischen Schrift verschrieben und versucht, die Logik dahinter zu verstehen (kein Hexenwerk!) und wie überall braucht man ein wenig, aber es klappt immer besser.
  • Menschenkennen: man lernt langsam, wie die Inder ticken und auch wie man sie anpacken muss. Am besten geht das, so wie in jeder Kultur, mit einem Lächeln auf den Lippen und einer ordentlichen Portion Offenheit.

Adventliche Grüße und eine gesegnete Zeit!!!

Segen to go


Ich freue mich immer wieder, wenn mir jemand schreibt und mich fragt, wie denn dies und das Indien läuft, weil es für mich zum Anlass wird, den Alltag zu reflektieren und mir der kleinen Besonderheiten bewusst zu werden.

Also, wenn du gerade diesen Blog liest, wenn du dich für indische Lebenskunst interessierst, wenn du eine Frage hast, dann schreib mir 😊 Du bekommst eine Antwort, versprochen! (benni.at.india@gmail.com)

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  1. Charlie

    Hey Benni, deine Blogeinträge lesen sich echt super und die Bilder sind eine klasse Ergänzung! Hoffentlich haben sich die Jungs nicht einfach die Haare abrasiert 😅
    LG Charlie

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