„Paro“ – dieses Wort ist zur Zeit in Kolumbien in aller Munde. Es bedeutet frei übersetzt soviel wie Stillstand oder Anhalten. Was das mit Kaffee zu tun hat? Eine ganze Menge!
Seit einiger Zeit gibt es in Kolumbien ein neues Gesetz zum Im- und Export. Dieses erleichtert es unter anderem Produkte aus anderen lateinamerikanischen Ländern leichter nach Kolumbien einzuführen. So können wir hier neuerdings Reis, Mais, Zucker oder Kaffee aus Ecuador, Costa Rica, Brasilien etc. kaufen. Am stärksten spiegelt sich dies allerdings im Kaffeehandel wieder. Der kolumbianische Kaffee gilt als einer der besten Kaffees der Welt. Im Gegensatz zu Ländern wie Brasilien oder Costa Rica gilt hier noch Qualität statt Quantität. Die Kaffeebohnen an einem Kaffeestrauch reifen nicht alle gleich schnell und nur aus den reifen, roten Bohnen lässt sich ein wirklich guter Kaffee herstellen.
In Massenproduktionen kümmert sich darum aber keiner und alle Bohnen werden auf einmal geerntet. Was die kolumbianische Qualität ausmacht, ist dass die Bohnen einzelnd per Hand geerntet werden und danach auch noch mal einer strengen Auslese bestehen müssen bevor sie weiterverarbeitet werden. Dies macht den kolumbianischen Kaffee natürlich teurer als seine Konkurrenten. Mit den Billigpreisen des importierten Kaffees können die kolumbianischen Kaffeebauern einfach nicht mithalten. Die kolumbianische Regierung scheint das allerdings weniger zu stören, denn sie macht immer noch gute Geschäfte.
Aus diesem Grund haben die Kaffeebauern letzte Woche Montag zu Protesten aufgerufen. Mit Hilfe der Lastwagenfahrer sperren sie die Landstraßen und bringen das Land zum „Paro“ – Anhalten. In Departamentos wie beispielsweise Antioquia (rund um Medellin) verläuft dies relativ friedlich: keine Gewalt und die Lebensmitteltransporter o.ä. können passieren.
Ganz anders sieht die Situation in Departamentos wie Cauca oder Nariño (südlich von Cali) aus. Dort ist die Guerilla sehr aktiv und es gibt viele eindeutige Spekulationen, dass sie Einfluss auf die Proteste üben. Die Proteste verlaufen eindeutig gewaltvoller ab: Busse werden abgebrannt, Reisende überfallen und letzte Nacht wurden in drei Dörfern Bomben gelegt.
Doch das Problem liegt nicht nur in der Gewalt. Sehr gravierend ist, dass überhaupt gar nichts mehr durchgelassen wird: keine Reisebusse (die Panamericana ist die wichtigste Landreiseroute durch Kolumbien nach Ecuador und dem Rest Südamerikas), keine Kraftstofftransporter und keine Lebensmitteltransporter. In der schönen Kolonialstadt Popayan, die Hauptstadt des Departamento Cauca, kann man schon seit Tagen keine Lebensmittel mehr kaufen, wie Freunde mir berichteten.
Das Departamento Nariño ist einer der größten Frucht- und Gemüseproduzenten Kolumbiens. Da die Lebensmitteltransporter nun auf Grund des fehlenden Benzins und der Straßensperren nicht passieren können, werden auch hier bei uns in Cali die frischen Lebensmittel knapp. In Aguablanca gibt es seit diesem Wochenende bereits keine Früchte mehr zu kaufen und auch im Rest von Cali haben sich die Preise fast verdoppelt.
Die Regierung ließ verlauten, sie sei durchaus zu Gesprächen bereit, jedoch nur wenn die Proteste aufhörten. Die Proteste werden aber, glaube ich, nicht aufhören, bis sie etwas erreicht haben. Obwohl viele Menschen unter diesen Umständen keinen Zugang zu Lebensmitteln haben, bleibt die Regierung stur und scheint nicht zu einer schnellen Einigung bereit zu sein.
An diesem Wochenende haben sich den Protesten nun auch die Kakaobauern und die Studenten Bogotás angeschlossen, die wohl in Bogotá selber Straßensperren errichten.
Was ich bisher an Meinungen mitbekommen habe, ist sehr gemischt. Einige nehmen die Proteste nicht sonderlich ernst, doch viele sind der Meinung, dass sich die Proteste ausweite und zu etwas deutlich größerem entwickeln könnten. Dies wird sich wohl in den nächsten Tagen und Wochen zeigen…
PS: Zur Beruhigung, unsere Sicherheitssituation in Cali (bzw. Lisa momentan in der Karibik) ist zur Zeit nicht gefährdet.
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