„Alleine Buseta fahren ist viel zu gefährlich“ wurde uns immer von unserer Schulleiterin und von unserer Mentorin gesagt. Da aber alle anderen Lehrer alleine Buseta fahren und wir es auch in unserem wunderschönen Urlaub in der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá geschafft haben uns mit Busetas fortzubewegen, wollten wir es unbedingt in Cali auch versuchen. Deshalb haben wir uns gestern nach der Schule von einem Lehrer zur nächsten größeren Straße begleiten lassen, wo die passende Buseta abfährt.
Busetas sind die kleinen Busse, aufgrund deren geplanter Abschaffung es – wie schon berichtet – viele Proteste in letzter Zeit gab.Haltestellen gibt es keine. Wenn sich eine Buseta nähert, streckt man seine Hand aus und winkt sie heran.
Und so begaben wir uns auf die Heimreise. Auch wenn die Fahrt nur 50 Minuten dauerte, kann man hier trotzdem von einer „Reise“ sprechen, da die Eindrücke nur so auf uns niederprasselten.
Die meisten Häuser wären in Deutschland vermutlich gar nicht freigegeben um darin zu leben wegen fehlender Fenster, Türen oder Treppengeländern. Selbst wenn sie freigegeben wären, würden sich wahrscheinlich wenige finden, die darin wohnen wollen würden wegen unverputzten und nicht isolierten Wänden.
An jeder Ecke bieten Straßenhändler ihre Waren an: Obst, Gemüse, Empanadas, Arepas, Eis und Getränke. Traurigerweise sind unter diesen Straßenhändlern auch oft Kinder zu sehen, die mit ca. sechs oder sieben Jahren schon auf der Straße arbeiten.
In einem Innenhof hängen geschlachtete Tiere in der Sonne und stinken.Die Schaufensterpuppen, die vor vielen Geschäften stehen, spiegeln – mit deutlich mehr Kurven – ein ganz anderes Schönheitsideal wieder, als wir es aus Deutschland kennen.An einer Straßenecke werden alte, rostige Zaun- und Bettgitter verkauft.Eine riesige Baustelle wirkt als wäre seit Monaten oder vielleicht sogar Jahren nicht mehr daran gearbeitet worden.Auf einer „Wiese“ hat ein Müllsammler seine ganzen Funde aufgetürmt und verbrennt die unbrauchbaren Teile.
Doch dieser Teil von Aguablanca ist nichts im Gegensatz zu dem, was ich hinter einem schmutzigen Wassergraben entdecke. Aus morschen Brettern, rostigem Wellblech und löchrigen Plastikplanen haben die Menschen dort sich ihre Hütten gebaut.
Untermalt wurden all diese Eindrücke von der ständigen Angst, dass die Buseta jeden Moment in ihrer Einzelteile zerfällt, wenn sie über ein Schlagloch fährt. Da man vor lauter Schlaglöchern oftmals nicht die Straße sieht, wurden wir sehr viel durchgeschüttelt und mein Kopf machte das ein oder andere Mal Bekanntschaft mit der Fensterscheibe.
In Deutschland hätte ich mir nicht vorstellen können, dass man unter diesen Lebensumständen glücklich sein kann. Doch hier geht es trotzdem. So viele lächelnde und lachende Gesichter, wie ich heute – und im allgemeinen in Cali – gesehen habe, sind mir in Deutschland höchstens an Karneval untergekommen.
Lisa und ich haben die Theorie aufgestellt, dass diese Warmherzigkeit mit den hohen Temperaturen und der vielen Sonne in Cali zusammenhängt, denn im kalten und eher europäischen Bogotá waren die Menschen nicht so freundlich wie hier.Allerdings habe ich auch das Gefühl, dass der Großteil der Menschen hier andere Lebensprioritäten hat und man äußerst viele Lebenskünstler antreffen kann.Ich glaube hier kann ich noch einiges lernen!
Die Busetafahrt haben wir jedenfalls bestens überstanden und unsere Herzen mit vielen neuen Eindrücken gefüllt. Leider haben wir es uns doch nicht getraut Fotos zu machen, aber ich hoffe, dass ich auf diese Weise einiges übermitteln konnte.
Allerliebste Grüße nach Deutschland!
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