Sorry, I want to learn!

Gestern abend ist mir wirklich die Decke auf den Kopf gefallen. Ich wollte meine erste selbstvorbereitete Stunde für die achte Klasse planen, doch nichts hat so funktioniert wie ich wollte. Ersteinmal hatte ich einfach keinen guten Einfall, was ich mit ihnen machen könnte. Ich habe von ihrer Englischlehrerin nur sehr spärliche Informationen erhalten, was sie noch vertiefen sollten und wollte auch nicht nur langweilige Grammatikübungen mit ihnen machen.Außerderm sollte ich letzten Freitag spontan alleine die Englischlehrerin für eine Stunde vertreten. Als Schülerin habe ich nie darüber nachgedacht, wie schwierig es sein kann 30 pubertierende Schüler zur Ruhe und zum Arbeiten zu bringen und gleichzeitig auf die vielen Fragen einzugehen. Ich bin leider auch nicht sonderlich schlagfertig – schon gar nicht auf Spanisch – und war aus diesem Grunde etwas überfordert, als sich ein Junge vor mir hinkniete und überschwänglich und ausführlich erklärte, wie schön ich sei und sich im Hintergrund alle seine Freunde vor Lachen krümmten. Des Weiteren bemerkte ich zu spät, dass es nicht gerade zur Aufmerksamkeit der Schüler beiträgt bzw. falsche Aufmerksamkeit bringt, wenn ich mich, um etwas zu erklären, nach vorne beuge und dabei ein – meines Erachtens – wirklich nicht tief ausgeschnittenes T-shirt trage. Über solche Probleme einer Lehrerin habe ich bisher noch nie nachgedacht und es war mir außerordentlich peinlich.Gestern abend kam dann also dies alles zusammen mit der generellen Anstrengung und Ermüdung durch die Sprache, die Hitze und meiner noch nicht abgeklungenen Erkältung und ich konnte meine Tränen nicht mehr unterdrücken. Es sagt sich wirklich einfach „Ich unterrichte Englisch.“, doch was wirklich dahinter steckt, begriff ich so richtig erst gestern abend. Noch mehr verunsicherte mich der Gedanke, ob ich überhaupt als Lehrerin geeignet bin, wo ich mich doch für nächstes Jahr für ein Lehramtsstudium beworben habe…
Was ein unglaubliches Glück, dass ich nicht alleine war (und bin)! Meine lieben Mitbewohnerinnen haben mich sehr gut getröstet und mir viele tolle Ideen gegeben, was ich denn am nächsten Tag mit der achten Klasse machen könnte.
So habe ich mir dann heute eine Gruppe von sechs Schülern unterschiedlichen Niveaus herausgenommen und mit ihnen Jeopardy auf Englisch gespielt, bei dem sie die richtigen Fragen zu meinen Antworten herausfinden mussten. Nach anfänglicher Unsicherheit habe ich sehr schnell Gefallen und Selbstvertrauen gefunden und meines Erachtens eine erfolgreiche Englischstunde abgehalten. Ich bin wirklich stolz darauf, dass alle gut und interessiert mitgearbeitet haben. Ganz besonders glücklich machte es mich, als eine Schülerin mir eine Frage stellte und auf das leise Murren ihrer Mitschüler antwortete: „Sorry, I want to learn!“ (Entschuldigung, ich will etwas lernen).
Ich habe heute gelernt, dass mir nicht immer alles sofort geligen kann, aber dass ich jeden Tag ein Stückchen besser werde.

In diesem Sinne viele Grüße nach Deutschland, ganz besonders an alle Lehrer, deren Arbeit und Kraft ich sehr bewundere!

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1 Kommentar

  1. Benedict Steilmann

    Liebe Rabea,
    toll, dass du den Kopf nicht unter die Arme nimmst, sondern statt dessen nach vorne guckst und nach Lösungen suchst.
    Wenn du nächstes Jahr mit dem Studium beginnst wirst du vermutlich über deine anfängliche Unsicherheit nur noch schmunzeln. Und deine Feuerprobe als Lehrerin hast du dann schon hinter dir.
    Alles Gute
    Benedict

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