Tausche Alpen gegen Anden

Martha in Argentinien

Von Gasherd bis Nachtaktiv

-Teil 2 des Argentinien-ABCs

Neue Woche, neuer Teil des – sicher laaang – erwarteten Argentinien-Alphabets. Zum Schluss habe ich noch ein kleines Update aus den letzten Wochen bzw. Tagen für euch. Davor geht’s aber erstmal weiter, denn nach „F wie Fanaticos“ erwartet euch jetzt

G wie Gasherd

Für uns ein wichtiges Thema. Denn die deutsche Küche in Santiago del Estero zu etablieren, macht uns Volontären nicht nur Spaß, sondern ist für die Argentinier immer ein Riesenfest. Interessant ist es dabei auch immer, die Namen der Gerichte beizubringen („Oachkatzlschwoaf“ war gestern, neuer Zungenbrecherhit „Fleischpflanzerl“ und „Apfelstrudel“).

Die einzige Hürde, die sich uns immer wieder stellt und uns vom kulinarischen Sprachkurs abhält, sind die Kochgeräte. Denn nach einem Ofen, bei dem die Temperatur eingestellt werden kann, sucht man vergeblich. Was der ambitionierte Hobbybäcker/-koch auswählen kann, ist die Temperaturspanne des gasbeheizten Ofens von warm über heiß bis zu „verbrannter Unterseite“. Also heißt es: Mit viel Intention backen.

Da so gut wie alle Öfen mit der öffentlichen Gasleitung gespeist werden, haben wir uns schon mehr als einmal mit dem Anschalten des Herdes auseinandergesetzt. Bei einem der ersten Kochversuche, bei denen die Deutschen sich mit der Kunst des Ofenbeheizen beschäftigt haben, funktionierte… nichts. Nach dem zehnminütigen Herumprobieren war noch immer kein einziger Funken in Sicht. Wir hatten auf alles geachtet, was uns wichtig erschien: Die richtige Herdplatte, genügend Gas, das Streichholz nicht zu weit wegzuhalten und natürlich die Abzugshaube geöffnet.

Fast schon verzweifelt, mit dem unguten Gefühl den Herd kaputt gemacht zu haben (anscheinend stehen hier alle deutschen Volontäre mit Elektrogeräten auf dem Kriegsfuß, besonders mit der Waschmaschine, zumindest laut unserem Hausmeister) und um zu vermeiden, für die nächsten paar Wochen auf eine neue Gasleitung warten zu müssen, holten wir also Pater Silvio. Der probierte ebenso wie wir lange herum und nachdem wir die anderen Gasleitungen in der großen Küche beim Speisesaal der Jungs überprüft hatten (da ging alles perfekt), standen wir ziemlich ratlos da. Also nochmal hoch in unsere Küche und als wir erklärten, was wir genau gemacht hatten, erreichte unseren Chef und schließlich auch uns die Erleuchtung: Der angenommene Hebel für die „Abzugshaube“ war tatsächlich das Öffnungs- bzw. Schließventil der Gasleitung.

Einfach mal Gas geben.

Unsere Erkenntnis des Tages.

H wie Helado

Ich weiß, ich habe jetzt schon einiges über Lebensmittel in Argentinien geschrieben, aber ohne Essen geht hier einfach nichts. Genauso wie ohne Eisdielen, denn gefühlt in jeder Straße gibt es mindestens eine. Ob es an den vielen italienischen Einwanderern Anfang des 20. Jahrhunderts liegt, dass das „Helado“ (=Speiseeis) hier so beliebt ist oder die heißen Temperaturen zum Eisdielensprießen beigetragen haben, bleibt ein Geheimnis.

Jeder Eisliebhaber kommt hier auf seine Kosten. Für umgerechnet ca. 1,50 € können drei Kugeln erstanden werden. Ziemlich verwunderlich, da weiterverarbeitete Lebensmittel – insbesondere Süßkram – normalerweise ziemlich teuer ist. Von einer Helado-Preisbremse habe ich jedoch noch nie etwas gehört. Besonders an den argentinischen Eisdielen ist auch noch die Auswahl: Schoko, Erdbeere, Vanille, das war gestern. Die meisten Geschäfte haben mehr als fünfzig verschiedene Sorten, eine „Heladeria“ im Zentrum sogar über 120. Da gibt es dann sogar die Sorte „Selva negra“ (Schwarzwald), die dem Geschmack der deutschen Tortenspezialität erstaunlich ähnelt

Funfact: Glücklicherweise befindet sich direkt gegenüber des Oratorios eine Eisdiele. Durch den melodisch klingenden Namen „Rostock“ haben wir uns natürlich gleich zu Hause gefühlt.

Strategisch gute Lage der nach der norddeutschen Metropole benannten Eisdiele

I wie Improvisation

Selbst spontan handeln, das ist sicher nicht nur auf Argentinien oder meinen Freiwilligendienst begrenzt. Alle Auslandsvolontäre improvisieren Tag für Tag, ob es nun Lernspiele, Basteln oder sonstige Aktivitäten im Alltag sind. Wenn ich so darüber nachdenke, fallen mir immer mehr Situationen ein, bei denen ich mich von meinem ursprünglichen Plan verabschiedet habe. Ob das nun in den Lernstunden am Morgen mit den Jungs ist, wenn sie nichts zu tun haben und dann eben durch eine spontane Aufgabe beschäftigt werden müssen, oder in unserer Armbänder-Werkstatt, wenn die Jugendlichen plötzlich ein neues Muster machen wollen und wir ein neues Design aus dem Ärmel zaubern müssen.

Für mich sind aber diese ganzen ungeplanten (und oft auch chaotischen) eine komplett neue Erfahrung. Denn wer mich kennt weiß, dass ich am liebsten immer mit eine Woche Vorlaufzeit meine Tasks plane. Von diesem festgefahrenen Handlungsmuster habe ich mich in Argentinien verabschiedet und ich merke: Es geht auch ohne ausgefeilten Masterplan.

J wie Jajajaja

Nein, diese Buchstabenkombi ist keine aneinandergereihte Zustimmungsbekundung. Und auch kein ironischer Ausdruck, der zur Besänftigung des Gegenübers verwendet wird. Es ist eigentlich ganz einfach, denn in Argentinien (und ich glaube zu wissen, in ganz Südamerika) ist es einfach die abgeänderte Version unseres „Hahaha“. Ob die Argentinier anders Lachen als wir „Hahaha“-Schreiber (bis jetzt hab ich das J-Lachen nur in schriftlicher Form mitbekommen) kann ich nicht beantworten. Genauso wenig, ob das H-Lachen als Textnachricht verstanden werden würde. Da die Argentinier aber ein ganz fröhliches Völkchen sind, tauchen in den meisten Chats haufenweise Ja’s auf.

K wie Kraftfahrzeuge

…denn den Argentiniern geht es nicht nur um ihr Auto. Die meisten Menschen hier in Santiago benutzen „Colectivos“, diese günstigen Stadtbusse halten an so gut wie jeder größeren Straßenecke und fahren ohne Fahrplan. Also, den gibt es schon, aber weder im Internet, noch an den Bushaltestellen selbst ist dieser zu finden. Das heißt, auf gut Glück aus dem Haus gehen und warten. Normalerweise muss man nie mehr als 20 bis 30 Minuten warten und wenn man Glück hat, kurvt die schnaufende Benzinschleuder um die Ecke, kaum dass man sich an der Bushaltestelle aufgestellt hat.

Mit offener Tür fahren. Können argentimische Busfahrer.
Hier ein Colectivo. Aufgrund der extremen Geschwindigkeit nur von hinten.

Nähkästchenstory von Simon und Martha: Dass am Wochenende – speziell am Abend – die Colectivos eher selten bis gar nicht fahren, hat uns schon öfter ein längeres Warten an der Bushaltestelle beschert. Nach einer Stunde Beine in den Bauch stehen, dann das genervte Aufgeben mit Heranwinken der billigen Taxis (sowie die Erkenntnis: „Hätten wir auch gleich machen können“).

Viele Santiagueñer besitzen aber auch ein Auto, denn die Straßen sind gut, ohne Schlaglöcher und im Zentrum fast nicht vermüllt. Dabei haben wir eine interessante Beobachtung gemacht: Eine eindeutige Mehrheit der Autos ist weiß, und zwar kein creme- oder grau-weiß. Nein, ein strahlendes „blanco“ ziert die Fahrzeuge – zumindestens wenn sie frisch gewaschen sind.

Wenns hier schon nicht schneit, dann sind die Autos wenigstens weiß

Woher dieser Trend kommt? Mein Mitvolontär, der weise Simon (selbsternannt), führt es auf den niedrigeren Preis von weißen Autos im Gegensatz zu dunkleren oder farbigen zurück. Wer dieser Theorie etwas entgegenzusetzen hat, hier der Blog vom weisen Simon, lasst ihm einfach ein Kommentar da:

https://blogs.donboscovolunteers.de/messimatemerienda/author/simoninsantiago/

L wie Lomito

Was dem Amerikaner sein Hamburger ist, ist dem Argentinier sein Lomito. Diese Art von warmen Sandwich (kulinarisch Gebildete aus dem Tölzer Umkreis können sich an der Kesselhaus Rennsemmel orientieren) mit Weißbrot, Salat, Käse; Mayonese und einem Fleischfetzen („Lomo“ ist die Lende- meist vom Rind – also hält man hier ein „Rinderlendchen“ in der Hand) ist hier ein großer Kult.

Lomito und papas fritas

Es gibt eigene Lomiterias, endlos viele verschiedene Varianten und als „Basis“ vor dem Feiern ist der Snack nicht wegzudenken. Bevorzugt wird der Lomito mit Pommes serviert und da sich ein paar Häuser weiter neben unserer Rostock-Filiale „LomoISA“ befindet, rechtfertigt das auch unsere zwei wöchentliche Fitnessstudiobesuche.

M wie Mittagsruhe

…erwähne ich deswegen, weil in Santiago diese „Siesta“ fest mit dem Sozialleben verknüpft ist. So gut wie jeder richtige Santiagueñer – ausgenommen Schüler, die am Nachmittag in der Schule sind, und arbeitende Menschen, die wirklich gar keine andere Wahl haben – macht diese Pause nach dem Mittagessen. Die hat meistens kein „offizieles“ Ende, doch fast immer wagen sich die Argentinier gegen fünf bis sechs Uhr abends (hier eigentlich nachmittags, aber dazu gleich mehr) wieder in ihre berühmt-berüchtigte Hitze.

Für mich war die Siesta lange ziemlich unnötig, den was kann man mit fünf freien Stunden am Nachmittag anfangen, wenn keine Geschäfte offen haben und die anderen Bewohner aus Santiago Mittagsschlaf halten? Nachdem wir aber immer bis um ca. halb 12 abends arbeiten und dadurch erst um halb eins ins Bett kommen, war mein Schlaf-Wach-Rhythmus irgendwann so durcheinander, dass die Siesta plötzlich ziemlich viel Sinn gemacht hat.

N wie Nachaktiv

Ohne Siesta kann ich die argentinische Feierlaune auch nicht überstehen. Egal welches Fest, traditionelle Familienfeier oder Clubnacht im „Boliche“, egal wo, die Argentinier sind der Prototyp des Nachtmenschens. Um feiern zu gehen, verlässt man nie früher als 01:00 Uhr das Haus. Dementsprechend lange geht es dann auch, und Partynächte bis um 07:00 am Sonntagmorgen sind mehr als normal. Spätestens nach einmal Feierngehen begibt man sich in den nie endenden Kreislauf der Siesta: Denn wer am Sonntag nach dem Mittagessen eine kleine Pause zu einem zweistündigen Mittagsschlaf ausdehnt, wird am Abend hellwach sein, was ein frühes Bettgehen unmöglich macht. Also ist man am nächsten Morgen ziemlich müde, und verlangt um ca. 14 Uhr nach der Siesta und der Teufelskreis lässt denjenigen nicht mehr los.

Was es nun zuerst gab, die Siesta oder die unstillbare Lust Nachtaktiv zu sein, lasse ich einfach mal als Diskussionsgegenstand offen.

Weil die Argentinier eben dieses unstillbare Verlangen nach nächtlicher Aktivität haben und deshalb einfach mal ein paar Stunden am Nachmittag die Jalousien herunterlassen, verschieben sich auch die Tagesordnungspunkte in der zweiten Hälfte des Tages (zumindestens im Zeitverständnis von uns): Der Nachmittagssnack, also die Merienda, findet so gegen 18:00 oder 19:00 Uhr statt, zur deutschen Brotzeit, Abendessen gibt’s um 22:00 Uhr und dananch geht’s noch lange nicht ins Bett. Für mehr Infos zu meinem Tagesablauf und den dazugehörigen Uhrzeiten (sehr ähnlich zu dem vieler Argentinier) klickt hier.

Und wie geht’s, wie steht’s?

Die letzten paar Wochen waren sehr entspannt, die letzten Schultage waren angebrochen. Sprich – wie bei uns im Juli – hatten die Schüler wenig Unterricht, die letzten Prüfungen und viel Zeit. Deswegen hatten auch wir Volontäre viel Zeit um Volleyball zu spielen, unsere Kenntnisse in der Empanadaherstellung (Empanada = je nach Belieben mit Gemüse, Fleisch, Eiern usw. gefüllte Teigtasche) zu erweitern oder einen Recycling-Christbaum zu basteln.

Empanadas vor…
…und nach dem Ofen
Aus den leeren Plastikflaschen entsteht unser Weihnachtsbaum

Zudem wurde die verbleibende Zeit dann auch für diverse Abschlussfeiern genutzt: Zuerst von „Tejiendo Lazos“ mit den Jugendlichen aus den Workshops, dann mit unseren Jungs aus er Residencia (verbunden mit dem Geburtstag vom Simon, es wurde ein Rind gegrillt und gab ein bisschen Salat = Asado) und schließlich letzten Samstag der „Cierre“ der Samstagsveranstaltungen von Mallín und den Exploradores.

Das Bild gibt einen kleinen Eindruck, was die argentinische Esskultur ausmacht. Hier nämlich die Reste NACH dem Essen.
Den letzten Samstagnachmittag haben die Kids von Mallín und den Exploradores gemeinsam mit Gruppenspielen verbracht.

Am Mittwoch geht’s für uns dann in das schöne San Juan zu unseren Kollegen Jakob und Luis, mit denen wir ein bisschen herumreisen werden. Dazu aber in Kürze mehr, bis dahin schöne Grüße

Eure Martha

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Die Silvesterfrage

  1. Grube

    Hallo Martha, ich habe mich bei Don Bosco beworben und interessiere mich für dein Projekt. Deshalb wollte ich Dich fragen, ob wir vielleicht mal telefonieren oder schreiben könnten oder so? Meine Email lautet: milan.grube@gmx.de
    Freu mich wenn Du Dich meldest
    Josias Grube

    • Martha Ehrtmann

      Hi Josias, klar können wir das machen. Ich schreib dir meine Nummer per Mail.
      Viele Grüße aus Argentinien, Martha

  2. Christiane Mühlbauer

    Hallo Martha,
    wir möchten im Tölzer Kurier gerne wieder über Dich und Deinen Einsatz berichten, am besten jetzt in den Weihnachtsferien. Kannst Du Dich bitte dieser Tage mal bei mir melden, so dass wir mailen/chatten können? Danke! Liebe Grüße aus Tölz, Christiane Mühlbauer

  3. Hola Martha,
    los colegas de tu instituto en Bad Tölz te desean feliz Navidad y un próspero año nuevo allá en el nuevo mundo.

    Leemos con atención tu blog con cual nos das buenas impresiones de tu vida en Argentina. Nos parece muy interesante tu nueva vida cotidiana y el trabajo con los jóvenes.

    ¿Cómo se celebra la Navidad en Argentina – hay muchas diferencias o tradiciones especiales? ¿Qué come la gente? ¿Hay árboles de Navidad? ¿Qué tiempo hace? ¡Aquí hace 17 grados – increíble!

    Muchos saludos de tus profesores
    Andrea Kühnel-Bourkache, Roland Klein y Michael Amft

    • Martha Ehrtmann

      Hola, que bueno, me alegro mucho sobre su mensaje!!! Muchísimas gracias, yo también mando saludos navideñas a ustedes del caloroso Santiago del Estero (hoy hace más que 36 grados – re caliente, pero común aquí).
      Tal vez, escribiré un blog de navidad
      acá en Argentina, pero para mis profesores un mini-blog ahora 😉

      Entonces, navidad en Argentina no es tan „importante“ como en Alemania/Europa/EE.UU., mucha gente no sabe que es adviento y pocas casas tienen una propia corona de adviento. Y sí, hay árboles de navidad pero son plasticos y tienen muchas veces nieve artificial o son blancos. Se celebra navidad (24 y 25 de deciembre), sin embargo el 6 de enero es más importante. Especialmente para las niñas y los niños (nueva forma controversa: les niñes) por regalos de los tres reyes mágicos.

      Navidad en Argentina no es muy tranquilo, alguna gente festeja en la calle con vecinos en la noche del 24 a 25 de deciembre y los jovenes salen despúes del comida con la famila en el 24 en la noche.
      A mí dijieron que el comida es casi lo mismo como en Europa a causa de los imigrantes y sus tradiciones. Por supuesto voy a probar este sabor santiagueño para contarles.

      Como aquí tenemos verano, hace mucho calor. Santiago es una de las ciudades más caliente en Argentina (y en el mundo, dicen los Santiagueños), por eso vamos a preparar „Glühwein“ solo para demonstrar a los salesianos.

      Finalmente, yo estoy muy curiosa de estos dias en Santiago del Estero y de las nuevas experiencias. Espero que señor Klein ha entendido todo, pero seguro vos tienes ayuda de tus compañeros señora Kühnel y señor Amft 😉
      Saludos de Santiago del Estero y feliz navidad,
      Martha

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