Wie ich es euch gestern schon so schön angekündigt hab, es geht in die letzten Runden mit dem ABC. Auch wir verbringen die letzten Tage hier in Argentinien (selbst wenn wir bis jetzt noch nicht wissen wann es schlussendlich weitergehen wird. Um euch in der Zeit der eingeschränkten Sozialkontakte die Zeit etwas zu vertreiben, hier die aller, aller letzten Buchstaben – ich versprech’s:

Y wie Yerba

Tja. Wo soll man da anfangen? Reichen ein paar Zeilen aus um das argentinische Nationalgetränk mit all seinen Facetten (Zubereitung, Arten, gesellschaftliche Bedeutung, Serviermethoden, …) zu beschreiben? Eigentlich nicht, aber ich probiere mal, euch wenigstens eine Idee von Mate zu geben.

Mate. Das ist in erster Linie ein heißes Teegetränk, das aus den rauchgetrockneten Blättern des Mate-Strauchs (gibt’s wirklich) hergestellt. Da die Blätter im Rauch eines Holzfeuers getrocknet werden, entsteht ein etwas bitterer Geschmack, den man als europäischer Teetrinker nicht wirklich gewohnt ist. Mein erster Matetee brachte daher für mich nicht nur einen extrem starken Geschmack, sondern auch ein paar Tränen mit sich. Diese Bitterkeit hatte ich zuvor noch nie gehabt, es war einfach zu viel für mich 😉

Wenn der Ersatz zur Passion wird

Da aber die Argentinier jeden Tag ihren Mate trinken, hat man sich mit der Zeit dran gewöhnt. Simon würde jetzt sagen, dass ich mich vielleicht etwas zu sehr daran gewöhnt habe und dass zwei Thermoskannen am Tag zu viel sind. Aber mir schmeckt der Mate einfach gut und da ich schon in Deutschland gut beim Teetrinken dabei war (Grüße an meine Family), habe ich hier meinen Ersatz zu Pfefferminz- und Orangentee gefunden.

Wichtig beim Mate ist zudem noch der gesellschaftliche Aspekt, denn so gut wie nie wird Mate von einer Person alleine getrunken (siehe auch im zweiten ABC-Teil unter „T wie Teilen“). Und deshalb sind die Argentinier überall mit ihren Thermoskannen unterwegs: Im Linienbus, in der Arbeit, auf der Straße. Sogar in der Kirche haben manche ihr „Equipo de mate“ (alles was man zum Mate trinken braucht: Yerba, Zucker, heißes Wasser und Mategefäß) und auch beim Fernsehinterview, ist der Mate am Start.

Immer mit Mate unterwegs. Sogar beim Fernsehinterview ist unser Padre mit dem argentinischen Nationalgetränk anzutreffen…
Sind ja nur Kräuter und heißes Wasser, oder nicht?

Zu guter Letzt: Das argentinische Teegetränk ist mehr als „einfach nur aufgießen“: Der Behälter (mate) wird zu ungefähr ¾ gefüllt, dann so gedreht bzw. geschüttelt, dass die Kräuter (yerba) mit einer Steigung (uns wurde gesagt 90°) im Gefäß steht. Dannach wird die bombilla (Strohhalm) ans untere Ende des Yerba-Haufens gesteckt, also da wo am wenigsten Kräuter sind. Nun kann mit dem Aufguss begonnen werden. Dabei gießt man nicht alles auf einmal auf, sondern stückchenweise immer an der bombilla, so dass der oberere trockene Teil immer weniger wird. Der Inhalt von einem Mate reicht ungefähr für eine Thermoskanne, also ca. 1 Liter.

Zudem gibt es auch eine kalte Variante, den Tereré. Statt heißem Wasser gibt’s hier aber kalten Fruchtsaft oder Eiswasser. Außerdem wird der Tereré auch nur im Sommer serviert. Wichtig ist auch noch – egal ob heißer Mate oder Tereré – dass jeder in der Materunde seine „Portion“ vollständig austrinkt, die Position der bombilla nicht verändert und den Mate dannach wieder an den „Servierer“ zurückgibt. Wer noch mehr wissen will, dem empfehle ich Simons Blog über Mate, Yerba und co.

Z wie Zufriedenheit

Eine Eigenschaft, die ich an den Argentiniern echt bewundere. Denn dem Land geht es nicht wirklich gut: Kein Zweifel, wer in Argentinien lebt, dem geht es zurzeit besser als einen Einwohner Venezuelas oder Chiles, trotzdem gibt es die schon seit längerem anhaltende Wirtschaftskrise mit Inflation, die Lebensmittel werden teurer, obwohl die Löhne kaum steigen und die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer weiter auseinander. Trotzdem sind die Leute hier einigermaßen zufrieden, natürlich klagt man hier und da mal über die derzeitige Lage. Aber die Argentinier lassen sich dadurch nicht ihr Leben vermiesen, trinken weiter entspannt vor der Haustür ihren Mate mit Freunden und Familie und feiern ihre Folklore. Alles in allem: Sie leben ihr Leben.

Ein Nachteil, der sich daraus ergeben könnte, ist die mögliche Umwandlung von Zufriedenheit in Gleichgültigkeit. In Argentinien gibt es beispielsweise wenig Demonstrationen und Proteste im Vergleich zu anderen Ländern. Als wir für ein paar Tage in Chile waren, zerstörte Läden, beschmierte Denkmäler und Panzer bzw. Wasserwerfer auf den Straßen gesehen haben, fragten wir uns schon, wieso das in Argentinien noch nicht so weit gekommen ist. Von der Wirtschaft her war Chile stets ein Vorreiter in Südamerika, auch wenn es immer wieder politisches Versagen gab.

So weit, dass in Argentinien die Anarchie ausbricht, ist es vielleicht nicht. Ich finde auch nicht, dass den Argentiniern alles egal ist, in Buenos Aires und anderen größeren Städten gibt es schon manchmal Demonstrationen, die aber nie ausschreiten. Vielleicht ergibt sich der Wandel in Argentinien auch ganz ohne große Kundgebungen und Visionen, sondern ohne Stress, große Menschenaufläufe. Ganz entspannt, wie immer: „Tranquilo“

So eigentlich wären wir jetzt am Ende des Alphabets angelangt, Argentinien ist jetzt von A bis Z durchgearbeitet. Aber weil Deutsch schon immer mein Lieblingsfach war, muss ich die Umlaute einfach auch noch inkludieren…

Ä wie Ästhetik

Besonders in der Weihnachtszeit kommt die spezielle argentinische Idee von Schönheit und Liebreiz zum Vorschein. Lametta und Lichterketten in allen Farben und so gut wie überall. Man könnte fast zur Auffassung kommen, dass es nicht ohne gehen kann. Auch hängen manche Dekoartikel einfach das ganze Jahr über herum. Zumindest in einigen Schaufenstern in der Innenstadt findet man noch immer Fensteraufkleber mit „Felizes Fiestas“ (Fröhliche Feiertage) umrandet von Mistelzweigen und Christbaumkugeln.

Anfangs fand ich das ganze noch etwas merkwürdig, aber so hat doch jede Nation ihre Eigenheiten… Und außerdem muss ja auch die Wiederverwertung wertgeschätzt werden, so geht Klimaschutz 😉

Ö wie Öffentlichkeitsarbeit

…betreiben die meisten Argentinier über ihren Instagram-Account. Denn das soziale Netzwerk ist hier ganz groß am Kommen und seit kurzem hat das Oratorio nun auch ein Profil auf Instagram, zusätzlich zu Facebook. Die hiesigen Jugendgruppen freut‘s, denn Mallín, Exploradores und Catequesis (was das genau ist, findet ihr in Simons Beitrag zum Wochenende) haben schon länger mit der medialen Präsenz begonnen und auch höhere Don-Bosco-Instanzen wie „Argentina Norte“ oder die Salesianer in ganz Argentinien besitzen gut ausgebaute und stetig betriebene Accounts.

Nun hat das Oratorio also auch einen Draht in die bunte Welt Instagrams und lädt mit einer – mehr oder wenigeren – Stetigkeit Beiträge zu Ereignissen und Aktionen hoch. Beliebt von Anfang an: Die Fotoserie mit dem Oratiorio-Guide namens Simon, der die Einrichtung und seine Mitarbeiter vorstellt und kostenlose virtuelle Rundgänge anbietet. Wenn auch ihr einen Einblick in unsere Einrichtung haben wollt, hier der Link zum Instagram-Account: https://www.instagram.com/oratorio.db_sgo/?igshid=1a3a1d7l8uoq4

Guide Simon präsentiert das Oratorio…

Ü wie Übertreiben

Der eigentliche Grund, wieso ich die Umlaute zum ABC dazu genommen habe. Denn ich finde dieser Charakterzug kann bei keinem Argentinier fehlen: Der Hang alles und immer zu übertreiben. Und das fängt schon beim Wetter an. Klar, hier in Santiago del Estero ist es heiß. In der wärmsten Stadt Argentiniens kann es schon mal bis zu 45 Grad warm werden. Für die Argentinier ist das ein gefundenes Fressen. Kommt nun also jemand von außerhalb nach Santiago wird die Temperatur erstmal in der thermischen Sensation (also wie sich das Wetter anfühlt) angegeben, so 50 Grad. Dann kann man noch ein bisschen was dazurechnen und schon ist man looocker bei 60 oder gar 70 Grad. So warm kann es gar nicht werden, zumindest nicht hier.

Alles immer ins Extreme zu ziehen, das können sie echt gut. Und so kommt das ganze Übertreiben nicht nur in Gesprächen zum Vorschein, sondern auch im täglichen Handeln. Bei etwas Regen (ich meine wirklich kein Unwetter, einfach nur stinknormaler Regen) laufen viele Leute in gelben Regenmänteln herum, die mich irgendwie an einem Krabbenfischer aus der Nordsee erinnerten.

Besser so, als nass zu werden
Ein bisschen Übertreiben muss schon sein

Warum die Argentinier das dann eigentlich machen, keine Ahnung. Vielleicht liegt es aber auch in der Mentalität, in der Kultur. Einen Vorteil hat das ganze dann natürlich auch: Wenn man alles im Vorhinein in der drastischsten Art und Weise sieht, ist man schlussendlich ganz froh und erleichtert, wenns gar nicht so dramatisch wird, wie gedacht.

Anderes Beispiel: Bei uns hat seit zwei Wochen wieder die Schule angefangen, heißt: Unsere Jungs aus der Residencia sind wieder da, zu den „Ehemaligen“ aus den letzten Jahren sind jetzt auch 10 neue Jungs dazugestoßen. Vor dem ersten Tag wurde uns immer wieder von verschiedenen, aber argentinischen, Seiten gesagt, dass die nächsten Wochen von Arbeit nur so gefüllt sein werden würden. Und obwohl Simon und ich schon ein gewissen Gespür für die Argentinier entwickelt haben, stellten wir uns auf das Maximum an Volontärsarbeit ein.

„Mucho trabajo“ – Ganz viel Arbeit, oder nicht?

Gut, was soll ich sagen, in den ersten Tagen war schon etwas los. Eltern und Verwandte, die ihre Jungs ablieferten, das Einschreiben der Jungs in die Schule und die Renovierung der Küche. Dass wir aber vor lauter Stress zu nichts anderem mehr kommen würden, hat so auch wieder nicht gestimmt.

Vielleicht haben wir als Deutsche auch eher einen Hang zum Untertreiben und sehen das „Gerede“ der Argentinier auch etwas extremer als es tatsächlich ist. Wer weiß?

El fin… vom ABC

Da habens wir doch tatsächlich geschafft. Als ich angefangen habe, hätte ich nie gedacht, dass es mal so lang werden könnte. Mir hat es auf alle Fälle Spaß gemacht, ein paar Vorurteile zu widerlegen (manche zu bestärken) und aber auch neue Seiten der Argentinier bzw. die ihres Landes kennenzulernen. Denn über vieles, was einem hier so tagtäglich begegnet, wird man sich erst so richtig beim Schreiben bewusst. Ich hoffe, euch hats auch gefallen und ich melde mich demnächst (aus Deutschland?) wieder. Bleibt gesund!

Eure Martha