Tausche Alpen gegen Anden

Martha in Argentinien

Zeitplan? Check

Nach einem Monat ist es soweit, endlich kann ich mehr zu unserer Arbeit hier in Santiago del Estero schreiben! Denn anfangs war es ziemlich schwierig sich auf einen Tagesablauf einzustellen, da fast jeden Tag kleine Arbeitsaufgaben hinzukamen.

Die Arbeit von Simon und mir lässt sich hier ziemlich genau in zwei Bereiche gliedern: Die Tage „unter der Woche“ (wie man in Bayern so schön zu der Zeit von Montag bis Freitag sagt) und das Wochenende. Von letzterem erzählt euch Simon in seinem Blog, am Samstag und Sonntag läuft nochmal alles etwas anders ab – wie so viele Dinge hier in Argentinien.

Aber erstmal zur Arbeitswoche…

Von Montag bis Freitag leben im Oratorio 29 Jungs (Residentes) zwischen 14 und 18 Jahren. Hier können sie Lernen, Schlafen, Essen und natürlich viiiiel Fußballspielen. Am Wochenende fahren sie aber nicht nach Hause zu ihren Familien (für die meisten wären das ca. vier Stunden Fahrzeit), sondern bleiben in der Stadt oder ein wenig außerhalb bei einem Tutor, der sich um sie kümmert. Für unseren Tagesablauf bedeutet das, dass wir unsere Tagesordnungspunkte nach denen der Jungs ausrichten. Also, los geht’s:

7:45 Uhr – Raus aus den Federn

… denn es heißt für mich Aufstehen, Duschen, Zähne putzen und rein in die Flip-Flops – meine zugegeben sehr stark vereinfachte Morgenroutine und Simons tatsächliche 😉

8:15 Uhr – Abwarten und Tee trinken

Eigentlich müsste man hier mindestens 10 bis 15 Minuten dazurechnen, weil die Jungs zum einen in der Früh ziemlich verschlafen sind und zum anderen die Uhren in Argentinien entspannter und einfach ein bisschen langsamer gehen. Deshalb sind wir als Volontäre meist die Ersten, helfen beim Aufdecken und Herrichten, schlürfen dann den heißen Mate-Tee und gönnen uns ein paar Scheiben Weißbrot.

8:45 Uhr – „Handy weg!“

Ein Standardsatz, der in der ersten Hälfte des Tages immer wieder zu den Jungs gesagt werden muss. Da die Jungs erst am Nachmittag Schule haben, sollten sie bis 11 Uhr nämlich lernen und Hausaufgaben machen. Richtig, „sollten“. Das ist hier nicht so ohne weiteres möglich, denn Schulbücher gibt’s nur für Englisch und lernen kann man ja auch nur das, was der Lehrer oder der Schüler selbst auf- bzw. mitschreibt. Nach einer kleinen Pause um zehn lässt sich dann aber doch ein wenig Motivation zusammenkratzen und es kann gelernt werden, auch wenn dafür ein Wikipedia-Artikel am PC herhalten muss.

11:00 Uhr – Nach den Hausaufgaben kommt die Hausarbeit

Und die besteht für einen Teil der Jungs aus Müllwegbringen. Wie schon mal in einem Blogeintrag erwähnt, wird hier sehr viel auf die Umwelt und somit natürlich auf Mülltrennung geachtet. Deswegen kommen die Jungs auch nicht drumherum und müssen sich abwechselnd immer um die Entsorgung kümmern. Damit auch jeder, der eingeteilt ist, mithilft, kontrollieren wir nach der Assistenz die Tonnen und zusätzlich, wer sich möglicherweise doch auf den Fußballplatz geschlichen hat. Die Jungs, die keinen „Tonnendienst“ haben, müssen entweder zum Sportunterricht oder haben ein wenig Freizeit.

12:30 Uhr – Almuerzo

…ist spanisch für „Mittagessen“ und ist der Beginn unserer langen Mittagspause. Zum Essen werde ich noch einmal genauer etwas schreiben, aber eins kann gesagt sein: Es ist sehr, sehr lecker. Nach dem Mittagessen ist für uns eigentlich nichts mehr geboten, seit einigen Wochen verabreden wir uns aber immer mit Pater Silvio zum Spanischlernen, was aus dem Vorlesen aus einem spanischen Buch über Don Bosco und der nachfolgenden Besprechung besteht. Also auch ein bisschen „clase“ (Unterricht) für uns.

14:00 Uhr – Siesta, siesta

Diese argentinische Mittagsruhe nutzen wir meistens für die eigenen Hausarbeiten: Also den Gang zur Waschmaschine und den Wäscheraum (mit dem schönsten Ausblick über unser Viertel), putzen und aufräumen oder einfach Musik hören, lesen und – ganz nach argentinischen Gusto – entspannen.

Schönster Waschraum-Ausblick in Santiago del Estero

Wenn Simon und mir dann tatsächlich mal langweilig wird, machen wir uns auf den Weg zum Stammsupermarkt und erledigen unseren Wocheneinkauf. Da sind dann auch manchmal Zutaten für Brezen, Obazdn, Apfelstrudel und co. dabei, denn nicht nur wir sind auf die fremde Kultur gespannt, auch die Padres sind total neugierig auf typisches deutsches Essen und wollen so viel wie möglich probieren.

Brezen und Obazdn für die Salesianer

Noch sind wir einigermaßen von den heißen Temperaturen verschont geblieben, aber ich denke, wenn es dann tatsächlich sommerliche Temperaturen von 45 Grad hat, wird sich die Aktivität in der Siesta auf das allernötigste beschränken.

18:30 Uhr – „Kontakte knüpfen“

…wäre eine sehr idiomatische Übersetzung von „Tejiendo Lazos“, dem Programm des Oratorios, das auch Kindern und Jugendlichen aus den Nachbarsvierteln eine offene Spielzeit gewährt. Dabei sind wir schon seit einiger Zeit als Spielkameraden für Basket- und Volleyball abkommandiert worden und es finden auch immer wieder emotionale Kickertuniere zwischen „Alemania“ und „Argentina“ statt. Dabei wird stehts versucht, den argentinischen Fußballalbtraum der WM 2014 durch möglichst viele, mehr oder weniger faire Tore auszugleichen.

19:30 Uhr – Brot und Spiele Mate

…gibt es zur Merienda. Diese Zwischenmahlzeit könnte man vielleicht mit dem deutschen Kaffeeklatsch vergleichen, nur dass es eben keinen Kaffee, sondern Mate gibt und auch keinen Kuchen, sondern das Weißbrot, das schon zum Frühstück auf den Tisch kommt. Zusätzlich gibt es ein kleines Zuckerl: Und zwar „Schohurt“. Bis wir verstanden hatten, dass das keine neue Spanischvokabel, sondern einfach die sehr eigene Aussprache der Argentinier für das trinkbare Milchprodukt ist, hat es etwas gedauert. Der Trinkjoghurt, den ziemlich viele Jugendliche besonders im Sommer dem heißen Mate vorziehen, wird auch gerne von den Jugendlichen der „Teijendo Lazos“ getrunken. Die sind bei der Merienda ebenso dabei, was die Stimmung im Speisesaal etwas aufheizt, da die „Stadtkinder“ sehr lebendig – im Gegensatz zu den Jungs aus dem Oratorio – sind.

20:00 Uhr – Kupferdraht und Taktgefühl

…brauchen die Jugendlichen unter anderem in den Talleres. In diesen Workshops können sich die Residentes und die Jugendlichen aus der Nachbarschaft selbst ausprobieren. Unsere Jungs aus der Einrichtung müssen zwar nicht zu allen, sollten aber wenigstens einen Workshop besuchen. Abhängig von den Wochentagen werden verschiedene Aktivitäten angeboten: Von Sport (in Argentinien gleichzusetzen mit Fußball) und Elektrowerkstatt, über Bäckerei und Gitarre ist hier alles dabei.

In der Panaderia…

Die Panaderia, also die Bäckerei, ist dabei mein persönliches Highlight. Hier lernen die Jugendlichen nicht nur das Backen an sich, sondern auch den verantwortungsvollen Umgang mit Lebensmitteln und dass man auch mit wenigen einfachen Zutaten super Sachen zaubern kann. Besonders freut die Jugendlichen, dass auch die Volontäre in die Kunst des Richtig-Knetens eingeweiht und so auch ein bisschen herumgeschickt werden können.

…gibt’s Donuts

Zusätzlich kommen einmal in der Woche Psychologiestudenten, die Gesprächsrunden oder kleinere Spiele veranstalten. Letzte Woche gabs dann eine ganz neue Attraktion, denn es wurde Folklore getanzt. Also, halt, die Argentinier haben Folklore getanzt, wir sind hinterhergestolpert und haben versucht, nicht komplett aus der Reihe zu fallen. Trotzdem war es wirklich mal etwas ganz Besonderes und wir haben ja schließlich noch ein Jahr Zeit um den „Chacarera“ zu erlernen…

Wimmelbild – Finde die deutschen Amateure

Eine bestimmte Aufgabe haben Simon und ich in den Talleres noch nicht bekommen, wir machen einfach mit und schauen uns so viel wie möglich an. Wenn es mit dem Spanisch besser funktioniert, werden wir auch einen Workshop anbieten können. Mal schauen, hier werdet ihr auf jeden Fall auf dem Laufenden gehalten!

22:00 Uhr – Mal wieder essen

Wer in der Merienda nichts gegessen hat, der tut es spätestens jetzt, denn es gibt Abendessen! Die späte Essenszeit ist für argentinische Verhältnisse vollkommen normal, wir wurden schon öfters (natürlich unter mitleidigen Blicken) gefragt, ob wir in Deutschland nach der kargen und frühen Brotzeit um 19 Uhr nicht plötzlich in der Nacht mit Hunger aufwachen würden. Hier sind wir wieder mit den Jungs und den Salesianern allein, während die Jugendlichen die Arbeit in den Talleres beenden und sich auf den Weg nach Hause machen.

22:30 Uhr – „Quieren jugar?“

Beim allabendlichen Rummi-Spiel

„Wollt ihr spielen?“ – Mittlerweile braucht Pater Silvio das gar nicht mehr zu sagen, wir finden uns schon fast automatisch zum täglichen Rummikub-Spiel in seinem Büro mit einigen anderen der Jungs ein. Den bis zum nächsten Tagesordnungspunkt ist noch Zeit und die kann gut genutzt werden um die deutschen Volontäre im Zahlenbrettspiel zu zerstören. Gut, manchmal gewinnt auch „Deutschland“, trotzdem müssen wir dann doch einige Runden überstehen, um zum letzten Termin des Tages überzugehen:

23:15 Uhr – Buenas Noches und Gute Nacht

Die kleine Andacht ist im Oratorio traditionell der letzte gemeinsame Moment des Tages. Manchmal gibt es eine kleine Meditation, ein Video oder einen Song, was zum Nachdenken und Ruhigwerden einlädt. Auch wird noch einmal kurz besprochen, wie der Tag so war, ob beispielsweise die Ventilatoren schon wieder angelassen oder die Zimmer nicht aufgeräumt wurden. Aber auch etwaige Ankündigungen zu den nächsten Tagen werden der ganzen Versammlung bestehend aus Salesianern, Jungs und Volontären mitgeteilt. Nach dem „Buenas Noches“ geht’s dann ab ins Zimmer und ab ins Bett, denn der nächste Tag wartet schon.

Klar, ein typischer Tag kann nach diesem Muster ablaufen. Aber dennoch sind wir noch immer in Argentinien, was für uns bedeutet, dass kein Tag hier dem anderen gleicht… Trotzdem ist es ein kleiner Einblick in das Leben hier vor Ort, den ich euch nicht vorenthalten möchte und deshalb auch ungekürzt hochlade. Hoffentlich konnte ich euch ein bisschen was erzählen, bis demnächst!

Eure Martha

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  1. Javier

    Me encantó! Gracias!

  2. Karl-Heinz Weniger

    Servus Martha, es ist immer wieder ein Genuss und eine Bereicherung Deinen und Simons Blog zu lesen. Ich tauche dann virtuell und voller Begeisterung in Eure Welt der Voluntäre mit ein, um ehrlich zu sein bin ich etwas neidisch auf Euch. Die Begegnungen und schmunzel, die manchmal „holprige“ Verständigung mit den kids, „la vita e` bella cosi come`“ oh sorry das war dann wohl italienisch und doch trifft es genau zu. Eine wunderbare Zeit wünsche ich Euch in Argentinien und so Gott will sehen wir uns im Frühjahr.
    Liebe Grüße vom Simon Papa Karl-Heinz

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