Tausche Alpen gegen Anden

Martha in Argentinien

Die Silvesterfrage

…kommt sicher jedem bekannt vor. Spätestens am zweiten Weihnachtsfeiertag werden Überlegungen angestellt, wie und wo (wann ist ja klar) der Jahreswechsel verbracht wird. Auch Simon und ich haben uns überlegt, wie wir den Tag bzw. die Nacht besonders einzigartig gestalten können. So haben wir Silvester weder in unserem Projekt, noch in Santiago del Estero verbracht. Genauer gesagt: 2020 haben wir den argentinischen Boden noch gar nicht betreten! Aber dazu später mehr, denn sicher fragen sich schon einige:

„Wie war denn Weihnachten?“

Tja, was soll ich sagen… Wie erwartet total anders als in Deutschland. Wer hätte das schon gedacht?! 😉 Wie bereits in meinen vorherigen Einträgen erwähnt, orientiert sich das Weihnachtsfest in Argentinien stark am amerikanischen/europäischen. Zumindest am Verschneite-Straßen-Lichterketten-Riesengeschenke-Bild, dass man hier eben so aus Filmen kennt. Wahlweise mit Weihnachtsmannapplikation. Denn viele „eigene“ Weihnachtstraditionen gibt es nicht, eher wird viel von Ländern übernommen, die sich als weihnachtstauglich erweisen. So gibt es den Adventskranz erst seit Kurzem (auch nur in den Kirchen) und die Geschenketradition wird für Kinder in Argentinien einfach auf den 24.12. und den 6.1. ausgeweitet. Denn hier waren ursprünglich nur Caspar, Melchior und Balthasar für leuchtende Kinderaugen verantwortlich, bis sie den Job mit Papa Noel (Weihnachtsmann) teilen mussten. Die Kids freut die zweiteilige Bescherung auf jeden Fall.

Vino caliente

Unsere etwas freche Übersetzung vom deutschen Glühwein, denn was gibt’s denn schöneres als einen guten Glühwein bei Ü-40-Grad im Schatten?

Heuer mal Glühwein in der Don-Bosco-Edition

Der war aber für den heilig Abend gedacht, denn selbst wenn Weihnachten nicht den Höhepunkt des Jahres darstellt, gibt es doch ein paar wichtige Ecksteine, die Weihnachten ausmachen.

Zuerst geht es nämlich zur „Misa de navidad“. Von Säugling bis Urgroßopa, die Christmette am 24.12. um 20 bzw 21 Uhr ist für alle obligatorisch. Unsere Messe im Oratorio war echt schön, auch wenn sie einfacher und kürzer gehalten wurde. Jedoch waren richtig viele Jugendliche aus den Gruppen und einige Mitarbeiter dabei, weshalb dannach erstmal einige Glüchwünsche (und natürlich Wangenküsschen) ausgetauscht wurden.

Unsere Kirchenkrippe. Schon am 25.12. mit den heiligen drei Königen

Nach der Messe folgte dann das Weihnachtsessen mit den Salesianern und mit anschließender Plätzchen- und Glühweinverkostung.

Stolze Plätzchenbäcker

3, 2, 1… FROHE WEIHNACHTEN!

Zur Verwunderung von Simon und mir war nach dem Essen noch lange nicht Schluss, denn es wurde auf 00:00 Uhr gewartet, denn Weihnachten bedeutet 25.12.. Punkt 12 war es dann so weit: Nach dem Countdown beglückwünscht ein dicker Weihnachtsmann einer weltweit bekannten Getränkemarke alle Zuschauer des Fernsehsenders und auch das Feuerwerk ließ nicht lange auf sich warten.

Den Abend ließen wir dann noch ganz entspannt in unserer Salesianer-Freiwilligen-Familie ausklingen. Das war also die Kurzinfo zum Weihnachtsfest und jetzt komme ich auch endlich mal zum eigentlichen Thema: Silvester.

„Manche Leute kennen gar nicht den Unterschied“

meint Padre Silvio scherzhaft zu uns, als wir nach dem silvesteranmutenden Weihnachtscountdown fragen. Im Grunde wird das Neujahrsfest also genauso wie der 24. Dezember ablaufen: Abendmesse, Familienessen, Countdown, Feiern. Da wir als Freiwillige ja sehr flexibel und neugierig sind, beschließen Simon und ich am zweiten Weihnachtsfeiertag (der in Argentinien gar kein Feiertag ist) unsere Kollegen in Bolivien zu besuchen, denn da wollten wir eh hin und die Volontäre in Santa Cruz würden sich bestimmt über uns freuen. Zurzeit ist im Oratorio nämlich nicht viel los, die Jungs sind auf dem Land bei ihren Familien und die Vorbereitungen für die Ferienfreizeit Ende Januar befinden sich im Anfangsstadium. Also die perfekte Zeit für einen Urlaubstrip.

Morgen geht’s los

Gesagt, getan. Nachdem Gabi (Volontär in Santa Cruz) meint, die Lage wäre sicher (da gab es in letzter Zeit ja einige Probleme…), sie würden gerne mit uns Silvester feiern und wir könnten bei ihm in Projekt schlafen, düsen wir zum Busbahnhof in Santiago del Estero und besorgen unsere Fahrkarten an die Grenze. Denn einen Direktbus nach Santa Cruz gibt es nicht, dass wird dann schon – denken wir uns, spontan wie wir sind. Wir fahren also am folgenden Morgen (4:00 Uhr, danke an dieser Stelle an Noelia und Silvio für’s Bringen und Auf-den-Bus-warten) los, überqueren bei der kleinen Stadt Salvador de Mazza die Grenze und sind in Bolivien!

Der Busbahnhof auf der bolivianischen Seite, natürlich mit kleiner Marienstatue

Ein paar Busstunden später kommen wir FRÜHER als geplant in der größten Stadt Boliviens an. Wie das funktioniert hat, kann ich euch wirklich nicht erklären, es muss wohl ein Weihnachtswunder gewesen sein. Gabi holt uns dann auch am Terminal in Santa Cruz ab und bringt uns zu seinem Arbeitsplatz, dem Techo.

Don Bosco in Santa Cruz

Hier in Santa Cruz besteht das Projekt der Salesianer aus vier Teilprojekten, von denen wir drei besucht haben. Denn wir haben wirklich viel Zeit mit den anderen Volontären verbracht und durften sogar in die Einrichtungen mit.

Das Techo, in dem wir auch geschlafen haben, ist das zentralste Projekt direkt im Stadtzentrum und ist die Auffangstation für Jungs von der Straße. Hier lernen sie einen geregelten Tagesablauf mit Essenszeiten und Hausarbeiten einzuhalten. Lange waren wir zwar nicht im Techo, die Jungs haben uns aber total lieb aufgenommen und sich sehr gefreut. Für uns war das Techo schon eine andere Realität, hier ist man nahe an Familientragödien und Drogenvergangenheit dran.

Den wenigsten der Jugendlichen gelingt der Wechsel zur Normalität und sie brechen aus dem Techo aus. So treffen wir eines Abends als wir mit Gabi auf dem Weg zum Techo sind auf Jungs, die erst vor ein paar Tagen getürmt sind und wieder auf der Straße schlafen. Nach einem kurzen Gespräch zwischen Gabi und den Jungs wollen zwei wieder ins Techo. Sofort kann Gabi sie nicht mitnehmen, auch dje Jungs müssen die Öffnungszeiten des Techos respektieren, schlussendlich nehmen wir sie doch mit. Alleine werden die Kids nicht gelassen, deswegen sind die Projekte in Santa Cruz so wichtig.

Das Techo

Aber wir waren auch im Hogar, dem größten Teilprojekt und Herzstück. Hier gibt es Jungs im Grundschulalter, um die sich Hanna und Rebekka kümmern, und die älteren Jungs, die von Phillip und Göran betreut werden. Simon und ich durften sogar einen Vormittag Praktikum bei unseren Kollegen machen, haben daher mitgespielt, -gebastelt und -gemalt.

Neujahr – auch ein Thema bei den Jungs im Hogar

Ich könnte euch jetzt noch stundenlang alle Projekte mit den zugehörigen Volontären vorstellen, aber da macht ihr euch am besten selber ein Bild auf den Blogs von Gabi, Rebekka, Hanna und Philipp.

Böller und Burger

Den letzten Abend des Jahres haben wir dann noch mit den Santa-Cruz-Volontären in einer lokalen Bar verbracht und das neue Jahr gebührend begrüßt. Ein wirklich schönes – anderes – Silvester als sonst, ohne Sekt, dafür mit bolivianischen Burgern und Feuerwerk. Da stehen wir zwei Santiago-Volontäre zusammen mit den „Bolivianern“ also zusammen auf einer Terrasse in Santa Cruz und feiern gemeinsam 2020, wer hätte das gedacht?

Ein bisschen verschwommen, aber geht schon – die Santa-Cruz-Santiago-Crew
Wir wurden natürlich auch durch Gabi mit dem kulinarischen Bolivien bekannt gemacht (Maisgetränk in der Mitte)

Alles in allem wars ein echt schöner Jahresausklang bzw. -beginn. Wir haben ein wenig von der Stadt Santa Cruz gesehen und viel aus den anderen Projekten mitbekommen. Ein etwas anderer Urlaub also, wie so vieles im Freiwilligendienst. Jetzt sind wir wieder auf den Weg nach Hause nach Santiago del Estero und ich freue mich schon auf die kommende Ferienfreizeit, von der ich euch demnächst mehr erzählen werde. Mein ABC habe ich auch nicht vergessen, aber erstmal heimfahren. Bis dahin macht’s gut,

Eure Martha

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  1. Sabine

    Hola, lustig finde ich die Aussage, dass in Argentinien ein Dialekt gesprochen wird.
    Es ist aber eine eigene Sprache: Castellano! Aber sonst alles Gute und viel Erfolg beim Projekt. Grüße aus der Provinz Cordoba / Argentinien von Sabine

    • Martha Ehrtmann

      Hallo Sabine,
      wie es aussieht, beziehst du dich auf den erst kürzlich erschienen Artikel im Tölzer Kurier, in dem ich über die sprachlichen Besonderheiten hier in Santiago berichte.
      Dass das Spanisch in ganz Argentinien ein Dialekt sei, möchte ich nicht behaupten (zudem habe ich das auch noch nie).

      Jedoch muss ich dir leider widersprechen, man kann es auch nicht als astreines „spanisches“ Castellano bezeichnen. Da du ja in Argentinien zu leben scheinst, sollten dir regionale Unterschiede in Aussprache und einigen Wörtern bekannt sein. Denn selbst in meinen wenigen Monaten hier in Nordargentinien habe ich schon mit einigen Argentiniern aus den unterschiedlichsten Provinzen zu tun gehabt und kann mir anmaßen bspw. einen Bewohner der Stadt San Juan von einem „Tucumano“ (jemanden aus der Provinz Tucuman) zu unterscheiden – und das aufgrund der (auf lokaler Ebene) unterschiedlichen Redeweise, die ich als Dialekt definieren würde.

      Weil ich in meinem Freiwilligdienst gerne meine subjektiven Eindrücke schildern und so authentisch wie möglich berichten möchte (hier [in Sgo. del Estero] würden sich die Menschen nie als Castellano-Sprecher bezeichnen, das ist ziemlich verpöhnt), kann ich meine Aussage voll vertreten und freue mich, dich erheitert und auch ein bisschen über Argentinien informiert zu haben.
      Viele Grüße aus dem schönen Santiago del Estero, Argentinien,
      Martha

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