Als ich interessehalber im Lonely Planet blätterte, was man in der Nähe besichtigen kann, kam mir die Idee am kommenden Feiertagsmarathon die Gelegenheit zu nutzen und nach Madurai zu fahren und den tollen Hindu-Tempel dort zu besichtigen.
Auf in die indische Millionenstadt
Klingt aufregend? War es auch! Defintiv!
Um 5:30 klingelt der Wecker und ich packe meinen Mit-Volo Lukas (inzwischen erfolgreich hier angekommen und eingewöhnt), ein Frühstück und ein paar Rupien und auf geht’s ins „Herz Tamil Nadus“ (Lonely Planet), in die „Stadt der Tränen“ (eigentlicher Stadtname), in die Tempelstadt, in die 1,3-Millionen-Stadt.
Mit dem Sonnenaufgang über der Ebene schlendern wir durch das verschlafene Vilathikulam zum Bus-Stand. Dank freundlicher Helfer und dreimaligem Nachprüfen, ob auf dem Bus auch wirklich Madurai in Tamil steht (மதுரை), beginnt unsere Fahrt für nur 65 Rupis (~ 77 ct). Ich habe mir einen Platz am Fenster gesichert und sehe mir die dank der Regenfälle der letzten Wochen sehr grüne Landschaft an, die von der Morgensonne in warm orangenes Licht getaucht wird. Traumhaft!!!
Unsere fathers haben uns liebenswürdigerweise schon angekündigt und uns zwei „guides“ organisiert. Vom Busstand, der größte in ganz Tamil Nadu, fahren wir per Tuktuk durch die Straßen Madurais zur „Don Bosco parish“. Auf diesem kurzen Weg merken wir schon, dass hier ein ganz anderer Wind weht, wie im vergleichsweise beschaulichen Vilathikulam. Zwei Jungs aus der Gemeindejugend nehmen uns netterweise an ihrem freien Tag mit und zeigen uns ein paar Dinge. Es kann los gehen:
Dem Vater der Nation auf der Spur
Der erste Halt ist das Gandhi Memorial Museum, ein großes weißes Gebäude, das seiner Zeit von Nehru (erster Premierminister des unabhängigen Indiens) eingeweiht wurde. Der „Vater der Nation“ steht als Statue davor. Im Inneren wird die Geschichte von der Ankunft der Briten in Indien, wobei es diese Bezeichnung zu diesem Zeitpunkt noch nicht verdient, bis zur Unabhängigkeit 1947 aufgearbeitet. Danach folgt die Ausstellung über Mahatma Gandhi selbst. Zu sehen sind unter anderem seine „blutbefleckte“ Kleidung, die er bei dem tötlichen Attentat auf ihn trug, und weitere Utensilien aus seinem Leben (Brille, Schuhe, Haushaltsgeräte).
„Vielleich stimmt es, vielleicht ist es alles fake…“, sagte einer der Jungs.
Ins Herz der Stadt
Weiter ging es ins wahre Zentrum der Stadt. Madurai ist im Grunde eine Tempelstadt. Sobald du in der Innenstadt bist und durch eine der zahlreichen Gassen guckst, wirst du über den herumwuselnden Menschen einen gigantischen Tempel entdecken, den Meenakshi-Amman-Tempel. Vorher gings jedoch zur christlichen cathedral und zum Tirumala Nayaka-Palast. Hier – und auch in vielen anderen indischen Touristenattraktionen zahlen Ausländer das 5- oder auch das 10-Fache des Preises (für 50 Rupien ist es aber immer noch ultrabillig). Außerdem muss man für Handys Eintritt zahlen. „Jetzt müssen wir erst recht viele Fotos machen, wir haben schließlich bezahlt!“ Der Palast aus dem 17. Jahrhundert besteht heute nur noch aus einer großen Halle mit riesigen Säulen, die nur drei Männer zusammen umfassen können (glaubt es mir, wir haben es ausprobiert 😊). An der Decke befinden sich hoch oben schöne ornamentale Muster und Verzierungen und wir wandelten einige Zeit durch diesen Säulenwald. Auch in einer zweiten Halle wurde nicht an Prunk und Protz gespart und man kann sich lebhaft vorstellen, wie hier indische Herrscher auf vielen Kissen und Frauen neben sich Hof gehalten haben.
Eine weitere Attraktion hier: die erste weiße Person seit 6 Wochen. Krass!
Achtung Reizüberflutung!
Der Weg führte uns weiter durch die umliegenden Gassen, scheinbar das Stoffviertel, denn hier kann man jedes Kleidungsstück in jeder Form, Farbe und Größe kaufen. Fasziniert von den ganzen Farben und Stoffen, schockiert von den vielen Menschen und Fahrzeugen um mich herum und interessiert, was uns nun erwartet, folgte ich brav unseren zwei guides. Wer hätte gedacht, dass ich es mal als Abenteuer empfinde über die Straße zu gehen, aber ich sage euch, wenn ihr im Zentrum Madurais egal zu welcher Tageszeit gerne über die Straße wollt, beschleunigt euren Schritt, wenn auf euch das nächste Tuktuk, der nächste LKW oder Bus zuschießt. In einem Straßengeschäft tranken wir ein Glas „Jigarthanda“, eine Spezialität Madurais, die wir Milchshake mit Eis schmeckte und in der Hitze sehr erfrischend/überlebensnotwendig war.
„Wo kommen die ganzen Menschen her und was machen die hier alle?“, dachte ich mir.
Überall wuselte es herum, drängelte man sich teilweise in die Geschäfte, wurde man angehupt und angerempelt. Diese Masse aus Menschen und Motoren versetzt mich immer wieder zwischen Faszination und Überforderung.
Tempel? Heute leider nein …
Ich war verdammt froh, als wir die Straßen um den tollen Meenakshi-Amman-Tempel erreicht hatten, denn hier hat die Polizei in einem Geniestreich alle Fahrzeuge verbannt. Leider kamen wir gerade zu einem ungünstigen Zeitpunkt, zur Mittagspause … Lediglich von außen konnten wir die vier großen Türme ausführlich bestaunen, auf denen sich bunt bemalte Plastiken von Hindugöttern nur so winden. Mein Lonely Planet sagt, es sind insgesamt 1511 Figuren auf dem South Tower. Ein Mann, der uns hilfsbereit anspricht, empfiehlt uns, in eines der Kunstwarengeschäfte zu gehen und von deren Dachterasse einen Blick hinein zu werfen. Gesagt, getan und so bewunderte ich kurz das Ausmaß der riesigen Tempelanlage. Das war es erstmal mit den Sehenswürdigkeiten und wir fuhren wieder zurück zur parish.
Motorradkunststücke und Tamil-Hochzeit
Lunch … Schon als wir in der Früh ankamen, fand gerade eine Hochzeit mit viel Tam Tam statt. Zufällig ist der Bräutigam ein guter Kumpel unseres guides und was soll ich sagen: mit guten Beziehungen ist man schneller auf einer tamilischen Hochzeit, als man Madurai sagen kann. Dazu wurde ein Motorrad herbeigeholt. EIN Motorrad – für 4 Personen. Ähm, und jetzt? Ich hatte schon gesehen, dass dieses Prinzip bei Familien mit (Klein-)Kindern funktioniert, aber bei 4 Erwachsenen?! Ich war skeptisch. Doch irgendwie funktioniert doch alles, auch zu viert Motorrad fahren 😊 So gelangten wir zu üppigem Speis und Trank und kurzfristig auf ein Foto mit dem Brautpaar.
1. FC Don Bosco Madurai
Den Rest des Nachmittags verbrachten wir mit den Jungs der parish youth in Madurai. Es hieß, wir spielen ein bisschen Fußball und ich hatte ein bisschen barfuß Kicken im Kopf. Doch uns erwartete das Fußballtraining des 1.FC Don Bosco Madurai 😊. Sehr professionell mit Schienbeinschoner, Stollenschuhen und dem ganzen Outfit lebten 20 Jugendliche in der Abendhitze ihre Leidenschaft (Lieblingsspieler sind vor allem Messi, Neymar, Ronaldo und Müller). Uns wurden Schuhe überreicht, wobei meine unter allgemeinem Gelächter nach einer halben Runde um den Platz ihre Sohlen verloren. Nach zwei Stunden Fußball spielen auf hohem Niveau, war ich platt, denn wir wurden als fester Bestandteil der Defensive eingeplant. Ich tat mein Bestes!
Der Tag endet wie er begonnen hat – müde
Danach ging es zurück zum Busstand und nach einigem Warten setze uns ein hilfreicher Mitreisender in den richtigen Bus nach Vilathikulam. Um 20:00 hocken wir müde, total verschwitzt und mit vielen, vielen Eindrücken im ruckelnden Bus. Ich lernte noch einen Englischlehrer kennen, der sich nach 30 min neben mir traute, mich anzusprechen und nach meinem Namen zu fragen 😊.
Schließlich angekommen und überrascht, wie ruhig und friedlich es hier doch ist, fiel ich nur noch glücklich ins Bett und war froh, dass alles so problemlos geklappt hat. Rückblickend ist unser vorheriger Plan zwar überhaupt nicht aufgegangen, aber wir haben so viel anderes erlebt, womit ich am Morgen absolut nicht gerechnet hätte, dass es heute passiert.
Macht euch nicht zu viele Pläne und Gedanken, sondern lasst euch für überraschen, was das Leben gerade für euch bereithält und nehmt es an.
Viele Grüße!