„Die Rechnung, bitte!“
„Kommt sofort! … also sie hatten ein das „Ein Jahr in Indien“-Menü. Das war also einmal …“
… Beziehungen aufbauen
Das Hauptgericht und der wichtigste Punkt! In dieser langen Zeit, die man hier verbracht hat, die vielen Tage in den Grundschulen, die vielen Nachmittage mit den Jungs, die vielen Stunden in der press, hat man zu jedem eine ganz besondere Beziehung entwickelt. Quasi jeder, dem ich sage, es sind nur noch wenige Tage, bis ich zurück muss, sagt, dass ihn das traurig macht. Meist folgt darauf der Entschluss „I’m coming with you! I go in your backpack!“ oder die Frage „When you coming India?“. Auch ich merke es jedes Mal, wenn ich jetzt schon aus der Grundschule zurückfahre, wie schwer es mir fallen wird, die Schüler, meine Schüler hier zurückzulassen… Jeder hat für mich seine eigene Rolle. Ich habe hier viele kleine und gleichaltrige Geschwister, viele Spielkameraden, viele Freunde und Kumpel. Es ist eine ganze soziale Welt hier, mit der man die verschiedensten Erinnerungen teilt.
… Teil werden
Ich erinnere mich an viele Nachmittage mit legendären Volleyball-Matches. Wir hatten eine Schnur, einen Ball und nur wenig Platz. Trotzdem haben wirs jedes Mal geschafft, dass alle leidenschaftlich mitspielen. Angefangen mit den Jungs kamen Tuition-Kinder, Staff-Member, Leute aus der press oder Klassenkameraden dazu. Volleyball hat wirklich alle zusammengebracht. Sport ist das beste Team-Building!!!
Wo man in den ersten Tagen und Wochen noch der Neuling war, derjenige, der sich noch nicht richtig auskennt, der alles noch kennenlernen muss, ist man inzwischen ein Teil geworden. Ein Teil eines großen Projektes. Jeder hier in Vembu leistet mit seiner Arbeit einen kleinen Teil, um das selbstgestecke Ziel zu erreichen: eine fairere Gesellschaft. Drum freut es mich, ein Rädchen in diesem Laufwerk zu sein (wenn auch nur ein kleines) und mitzudrehen.
… bekannt, manchmal sogar berühmt werden
Die Schule ist für uns vorbei. Wir laufen durch Martandnampatti zum Bus. Dann ist es soweit – wir werden entdeckt. Ein Trupp der High School Schülern löst sich und stürmt auf uns zu. Jeder versucht, der erste zu sein und ZACK in meine Arme zu springen 😊. Teilweise sind es ehemalige Schüler vom letzten Schuljahr, teilweise Kids, die wir am großen Dorffest kennengelernt haben, teilweise „Fremde“.
Es ist angenehm, die Sonne grade am Untergehen und wir auf dem Weg zum tea. In den Seitenstraßen ruft jemand hinter mir „Benni! Good evening!“. Ich rufe zurück und überlege die nächsten Minuten, woher ich ihn kenne… nein, er ist nicht von der Tuition. Er muss mich irgendwie über Freunde kennen. Dabei ist er bei Weitem nicht der einzige. Bei diesen Spaziergängen lernen wir immer mehr Kinder Vilathikulams kennen, die mit Vembu an sich nichts zu tun haben 😊
… Veränderungen erleben
Ich sortiere Fotos auf meinem Laptop. „Kraaass! Guck mal, war das damals echt so grün?“ Ich bin auf ein Foto aus dem Dezember gestoßen, wo die Feldern tatsächlich alle grün und bewachsen waren. Das Grün ist dem Braun-Schwarz der verwahrlosten Äcker gewichen, auf dem nun entweder die Ziegenherden oder Büffel ihren Marsch zum Wasser-Pond vor Vilathikulam machen oder die Pfauen wild herumrennen (Pfauen sind geschützt, weil Nationaltier). Die Bauern gehen jetzt in der Trockenzeit der zweiten Beschäftigung im Jahr nach: der Holzkohle-Herstellung. Aus den Dornbüschen werden Hügel aus Holzkohle.
Wir kamen aus unserem letzten Urlaub zurück und stehen auf der Dachterasse. „Guck mal! Windräder, hä? War dieser Windpark da schon immer??? Bin ich blöd?“… Tatsächlich wurden in wenigen Wochen hier viele hohe Windräder errichtet und nun befindet sich im Süden ein echter Windpark. Krass, ich dachte nicht, dass das so schnell geht.
Aber auch im Projekt hat sich einiges verändert. Einiges zum Positiven, aber auch manches zum Negativen.
… eintauchen
Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht von Tamil Musik beschallt werde, meine Tamil Playlist anhöre (bei Interesse, melde dich) 😉, das beste tamilische Essen esse, mich ins Getrubel Vilathikulams stürze, einen indischen Tee trinke, vorbeigehe an bunten Tempeln und Kolams, Tamil spreche, Männer in vedhis und Frauen in Sarees sehe und durch die Landschaft Tamil Nadus fahre. Es ist mein Lebensstil geworden und ich bin es mittlerweile gewohnt. Trotzdem versuche ich seit einiger Zeit alles besonders auszunutzen und zu genießen, da ich irgendwann gehen muss.
Obwohl: die Kids in Martandampatti haben wir geraten, in ihrem Dorf mein Haus zu bauen und dort mit ihnen zu wohnen. Sie würden täglich für mich kochen und so könnte ich jeden Tag zu ihnen in die Schule kommen. Die andere Überlegung war, wie viele der Kids in meinen großen 60l Rucksack passen, sodass sie heimlich mit nach Deutschland kommen können.
… ein Stück Welt sehen
Ich habe viel gesehen. Viel von der Geschichte Indiens, aber auch viel von der Gegenwart. Viel vom Land, viel von den Städten. Viel von Don Bosco in Indien – in all diesen Projekten durfte ich kennenlernen, wie vielfältig die Arbeit der Salesianer ist.
Was mich am meisten auf den Reisen fasziniert hat, war, wie anders Menschen leben können, wie anders Kinder groß werden können und wie sehr es dich in deiner Entwicklung beeinflusst, wo du geboren wirst.
… indisch leben
Indisch Leben? Was ist das? Was zeichnet Indien aus? Jetzt weiß ich’s 😊 Indien ist wahnsinnige Vielfalt. Indien ist superintensiv: die Musik ist super laut und super energetisch, das Essen super lecker, die Menschen super gastfreundlich, die Feste super ausgelassen.
… lernen
Auch ich habe wahnsinnig viel gelernt in diesem Jahr – natürlich anders als in den letzten 18 Jahren. Ich habe eine der ältesten Sprachen gelernt (zumindest so viel, wie ging). So fällt es immer leichter, Leute kennenzulernen. Auch im Alltag rutschen mir oft die Tamil-Schnipsel heraus 😊. Ich habe auch gelernt, wie man mein indisches Lieblingsessen zubereitet (alles abgeguckt von ammaa). Natürlich lernt man auch die Gestik und nimmt sie an: das Kopfwackeln, um Ja zu sagen, das Abwinken, um Nein zu sagen, das Mit-dem-Daumen-nach-hinten-Zeigen, um die Frage zu bekräftigen, das Eindrehen der Hand, um „Ich weiß nicht zu sagen“. All das sind Gesten, die ich mir angewöhnt habe.
… Rituale
Iravu Vanakkam – ich liege auf der Dachterasse, über mir Sterne, Planeten, der Mond. Hier, an meinem Lieblingsplatz kann man sehr gut nachdenken oder einfach nur nach oben schauen. Irgendwann wird man doch einschlafen und unter einem komplett anderen Himmel aufwachen. „Goooood morning, India!“, rufe ich jeden Morgen vom Dach beim 360° Blick auf Indien, auf die platte Landschaft. Es könnte keinen besseren Start in den Tag geben!!!
Donnerstag ist Parotta-Tag! Da wir aus der Grundschule mit dem Bus kommen, nutzen wir die Gelegenheit, um im Sadis Hotel unser Lieblingsessen zu genießen: Parotta. Man kennt uns mittlerweile schon. Mit vollem Bauch und 90 Rupees weniger im Portemonnaie, bzw. in der Brusttasche – wie es sich in Indien gehört – spazieren wir zurück ins Projekt, wobei ich mir auf dem Weg eventuell noch 1-2 Mangos oder 3-4 Jackfruits kaufe. Man muss es ja ausnutzen! Wir haben noch viele andere kleine und große Rituale, die uns den Tag versüßen.
… Routine
Die Grundschule ist schon lange zur Routine geworden. Mittwoch ist Bastel- oder Maltag. Dienstag ist Parachute-Tag, d.h. wir nehmen den riesengroßen Fallschirm mit. Sobald er aus der Hülle ist, herrscht Anarchie 😊 jeder will damit Wellen machen, sich drunter setzen, einen Ball fangen, der darin herumhüpft. Wir sind nur zum Regulieren da, wann, was gespielt wird. Solange es den Kindern Spaß macht, sagen wir immer.
Auch abends in der Tuition herrscht Routine: zwei Kinder kommen zu mir und wir machen erst eine Englische Aufgabe, wiederholen dann englische Wörter, lesen ein/zwei Bücher und spielen am Ende noch ein Spiel. Je nach Tagesstimmung finde ich es mal sinnvoller zu lernen, mal sinnvoller mehr zu spielen. Trotzalledem sind die Kinder immer ganz heiß und schlagen sich fast drum, zu mir zur English Class zu kommen 😊.
… genießen
… ein Stück Heimat zu finden
„So das war alles, was eben zum einen Jahr in Indien dazugehört.“
„Es war wahnsinnig gut! Ich habe alles sehr genossen! Vielen Dank für das Angebot und die Möglichkeit! Jetzt bin ich voll mit Indien 😊! Ein Lob an den Koch!“
„Freut uns. Kommen Sie doch einmal wieder.“
„Mal sehen. Wäre sicherlich sehr schön, wenn auch nicht das ganz Gleiche. Auf Wiedersehen, ich vermisse manches jetzt schon! Don’t forget me!“
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