Jana

Obwohl ich seit gut zwei Wochen schon wieder in der „Erstheimat“ bin, lasse ich es mir nicht nehmen, noch einen letzten, abschließenden Blogeintrag zu schreiben, bevor mein Leben als Studentin beginnt. Leider ist es um uns in den vergangenen Monaten ein wenig still geworden, was ich bedauere. Die Arbeit in der Schule erforderte noch einmal unseren vollen Einsatz, dann verging die Zeit plötzlich viel zu schnell und wir hatten uns so eingelebt, dass uns die ulkigen Eigenheiten Kolumbiens schon gar nicht mehr befremdeten. Doch nun läuft kein Avocado- Verkäufer mehr schreienderweise die Straße entlang, keine Salsamusik ertönt mehr lautstark von gegenüber und ich wundere mich jeden Tag wieder von Neuem, warum es um sieben Uhr abends noch immer hell ist. Jetzt stelle ich durch einen erneuten Kulturschock erst wieder fest, wie kontrastreich meine „zwei Heimaten“ doch sind. Es fühlt sich schon etwas seltsam an, denn wirklich in Herborn angekommen bin ich trotz des ewig langen Flugs noch lange nicht. Ich fürchte, es wird auch noch eine ganze Weile dauern, bis ich mich daran wieder gewöhnt habe.

Meine letzten (Ferien-) Wochen in Kolumbien habe ich noch einmal gut ausgenutzt: Ende Juni konnte ich das internationale Tangofestival in Medellín erleben. Auch wenn man den Tango eher mit Argentinien als Kolumbien verbindet, so spielt er doch eine sehr bedeutende Rolle. Denn 1935 kam genau hier, in Medellín, der Tangosänger Carlos Gardel bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Freunde des Tangos kommen aus aller Welt, um Orchester und Tänzer zu bestaunen und nicht zuletzt, um auch auf den so genannten „Milongas“ selbst das Tanzbein zu schwingen. Da durfte ich natürlich auch nicht fehlen! Medellín trägt wegen seiner schönen Gartenanlagen und der Orchideenvielfalt den Beinamen „die Stadt des ewigen Frühlings“, was durch das entsprechend angenehme Wetter unterstrichen wird. Das jährlich stattfindende Blumenfestival im August ist das wichtigste Ereignis der Stadt. Anfänglich dachte ich, man muss Deutschland und Kolumbien, wenn überhaupt möglich, miteinander vergleichen. Doch schnell wurde mir klar, dass man Cali und Medellín bereits vergleichen muss. Schon der Verkehr ist weniger aggressiv als in Cali; die Metro, die einzige in ganz Kolumbien, ist der Stolz aller „paisas“, welche von ihrer Art her zwar ein bisschen ernster, aber nicht weniger herzlich sind als die „caleños“.
In Bogotá hingegen erwartet einen ein an Deutschland erinnernden kühlen Wind und die große Orientierungslosigkeit: Selbst von einem Aussichtspunkt aus bleibt es unmöglich, diese Stadt mit acht Millionen Einwohnern komplett zu sehen. Hinter einem Berg erstreckt sich ständig ein weiteres Gebiet und es schient, als würde diese Stadt gar nicht aufhören zu wachsen. Besonders schön ist hier das historische Stadtzentrum „La Candelaria“, in welchem ein buntes Haus im Kolonialstil neben dem anderen steht und die Geschichte Kolumbiens in etlichen Museen wieder aufleben lässt. Das Goldmuseum mit präkolumbianischen Ausstellungsstücken ist umwerfend und gehört zu einem Besuch in Bogotá dazu.

Doch leider geht auch die schönste Reisezeit vorbei. Wieder in Cali angekommen, musste ich schweren Herzens schon sehr bald Abschied nehmen von allen Schülern, Freunden, Helfern und Wegbegleitern. Die Kinder aus Aguablanca ließen es nicht nehmen, sich noch einmal wie im vergangenen April für den Besuch von Frau Vollmer auf den Schulhof zu stellen und in einem 500-stimmigen Chor für uns zu singen. „Amigos“, Freunde, war das Lied, welches wir in unserer wöchentlichen Chorstunde so oft geprobt hatten und uns nun gesungen wurde. In einer Strophe heißt es: „Der Ort ist ganz egal, die Sonne ist stets diesselbe. Es ist ganz egal, wo du gerade bist, ob du kommst oder ob du gehst. Das Leben ist ein Weg, ein Weg, den man nach vorne geht.“  Auf beiden Seiten wurde die ein oder andere Träne vergossen, wie sollte es auch anders sein. Nur gut, dass mit Miriam und Britta gleich schon zwei neue Freunde nachgerückt sind. Mit der gleichen uneingeschränkten Herzlichkeit, wie wir sie  ein Jahr lang erfahren durften, empfingen die Kinder auch unsere Nachfolgerinnen.
Ich freue mich auch sehr, dass die beiden unseren begonnenen Blog mit ihren Erlebnissen weiterführen und -füllen werden. Und möchte mich gleich auch bei all denen ausdrücklich bedanken, die unsere Artikel gelesen haben. 10 000 Besucher! Welch unglaubliche Zahl. Es war schön, dass wir immer Rückmeldungen von ganz unterschiedlichen Personen erhielten, die sich für uns und unsere Arbeit in der Ferne interessiert haben. Vielen herzlichen Dank dafür! Denn so habe ich den Eindruck gewonnen, Kolumbien ein kleines Stückchen näher an Deutschland heran gerückt zu haben. Mich macht es traurig, stets gegen die Vorurteile und Klischees sprechen zu müssen – das Land ist dabei doch so viel mehr. Worte und das arbeitsreiche Tippen von Artikeln sind ein guter Anfang, um die Menschen, ihre Mentalität, das Land und seine Probleme zu beschreiben und begreiflich zu machen, doch sie reichen nicht aus. Ich bin mir sicher, dass diejenigen, die Kolumbien schon kennen, das nur bestätigen können.
Noch bevor ich vor vier Jahren das erste Mal nach Cali gereist bin, hat Frau Vollmer mir etwas gesagt, an das ich bis heute denken muss: „Es gibt nicht wenige, die regelrecht Südamerika-süchtig werden.“ Mich hat es jedenfalls erwischt. Als ich das Flugzeug, das mich nach Hause bringen sollte, bestieg, habe ich Kolumbien bereits vermisst. Von daher ist es auch wenig verwunderlich, dass ich am Flughafen zum Abschied zu Reyna sagte:

„Das Jahr ging wie im Flug vorbei. Aber genauso schnell, wie es vorüber gegangen ist, bin ich auch wieder hier.“

Spätestens dann melde ich mich irgendwann auch hoffentlich an dieser Stelle mit einem Blogeintrag wieder 🙂

Mil gracias, Colombia.

Ich grüße ein letztes Mal und übergebe hiermit „offiziell“ an Miriam und Britta, eine gute Zeit euch weiterhin!

Jana