172 Tage sind vergangen. 172 Tage liegen noch vor mir.

Ich kann es selber kaum glauben – die Zeit rennt! Auch wenn diese Zeit nicht immer ganz einfach war und ich einige Schwierigkeiten zu bewältigen hatte, so kann ich doch sagen, dass ich mit großer Freude auf das vergangene halbe Jahr zurückblicke. So Vieles durfte ich erleben, erlernen und erfahren. So viel Neues habe ich bereits dazugelernt – und jetzt ist gerade erst Mal die Hälfte der Zeit vergangen. Wie viele unglaubliche, außergewöhnliche und faszinierende Momente werde ich im zukünftigen halben Jahr wohl noch erleben dürfen? Was wird die zweite Hälfte meines entwicklungspolitischen Freiwilligendienstes in Indien alles mit sich bringen? Werde ich noch mehr Leute kennenlernen und gute, aufklärende Gespräche führen? Wie tief kann man sich in eine andere Kultur hineinleben? Ich habe ich jetzt schon das Gefühl mittendrin zu sein – und doch geht es noch tiefer, noch weiter, noch genauer. Ab und zu habe ich das Gefühl, mein Freiwilligendienst geht jetzt erst los. Inzwischen weiß man, wie die InderInnen denken, versteht ihre Verhaltensweisen und entscheidet selber, inwieweit man sie akzeptiert und mitmacht, versucht sie zu ändern oder doch lieber beim Gewohnten bleibt.

Zeit zum Nachdenken

Das Zwischenseminar letzte Woche war der ideale Anlass, um das Erlebte zu reflektieren. Angeregt durch einige Fragen unserer Zuständigen aus Deutschland, aber auch durch die Gespräche mit meinen „indischen“ MitvolontärInnen, habe ich mir die Zeit genommen, all meine Erfahrungen gedanklich zu sortieren und einzuordnen. Bei diesem Seminar stand meiner Meinung nach der Austausch mit den anderen Mitfreiwilligen im Vordergrund. Denn obwohl wir über ganz Indien verstreut sind, machen wir doch dieselben Erfahrungen, haben ähnliche Probleme und bereits ganz unterschiedliche Lösungsansätze. Unsere Betreuer aus Deutschland haben uns zusätzlich guten Input gegeben. So sind wir jetzt gewappnet für die zweite Hälfe. 🙂

Neben dem Reflektieren des vergangenen halben Jahres haben wir uns auch mit den bevorstehenden 172 Tagen beschäftigt. Welche Aktionen sind schon geplant? Was möchte man in dieser Zeit alles noch umsetzten? Gibt es schon feste Termine, die auf keinen Fall vergessen werden dürfen? Kommt vielleicht jemand zu Besuch oder hat man selber schon einen Urlaub geplant? Wie genau läuft das mit der Versicherung nochmal ab? Bis zu welchem Datum können Spenden gesammelt werden? Und wann ist es eigentlich an der Zeit sich wieder zu verabschieden von diesem Land? Das alles waren Fragen über die wir uns Gedanken machen sollten. Ja sogar schon über den Abschied. Im Moment ist es für mich unvorstellbar ans Verabschieden zu denken. So sehr ich mich auf Deutschland, das deutsche Essen, ein weiches Bett, eine Wasch- und Spülmaschine, einen Staubsauger, warmes und fließendes Wasser, den Schnee usw. freue – jetzt möchte ich nicht von hier weg. Ich habe das Gefühl, gerade erst so richtig angekommen zu sein. Und es fühlt sich gut an, irgendwie.

Kaum zu glauben, dass JETZT schon Halbzeit ist!!!

Nach dem Zwischenseminar und dem langen Urlaub freue ich mich jetzt richtig auf dir mir noch bevorstehende Zeit. Mit neuer Energie und Lebensfreude packe ich nun die zweite Hälfe an: Heute war der „erste Schultag“ für mich als Lehrerinn. Ich muss sagen, dass mich diese Arbeit erfüllt. Obwohl ich fix und fertig nach nur drei Stunden Unterricht zurück in unser Zimmer gekommen bin, freue ich mich trotzdem schon darauf, die Kleinen morgen wieder zu sehen und meinen Teil zu ihrer Bildung und Erziehung beitragen zu dürfen.

Zum Schluss möchte ich kurz einen für mich sehr schönen Moment mit euch teilen:

Vorgestern Abend habe ich das Spiel „Ha-He-Ho“ für die Convent-Mädels angeleitet. Eines der Mädchen kam ein wenig später dazu und forderte mich auf, ihr das Spiel bzw. die Regeln zu erklären. Gerade als ich anfangen wollte, hat Christy* (eine neue Fünftklässlerin) angefangen, ihr die Spielregeln auf Khasi zu erklären – und zwar mit exakt genau den Bewegungen, die ich zuvor beim Anleiten gemacht habe. Anscheinend hören (und schauen!) sie doch oft genauer zu als man meinen würde. Mich hat es total gefreut, dass ich in diesem Fall als Vorbild fungieren konnte und dass dieses einfache Spiel so gut bei den Mädels ankam. Ich hoffe ich kann sie mit meinem Spielgeist ein Wenig motivieren und vielleicht sogar inspirieren. Heute Abend wollen wir wieder „Ha-He-Ho“ spielen. Ich freue mich schon!

Bis in 172 Tagen in Deutschland

 

*der Name wurde aus Datenschutzgründen geändert