Schon seit längerer Zeit versuchen die Mädels mich zu überreden, mit ihnen im Dschungel ein „Bath zu taken“. Da es mir persönlich über den indischen Winter zu kalt war, kam es erst jetzt dazu – und um ehrlich zu sein: Ich bin mir nicht so sicher, ob es nochmal dazu kommen wird –  denn es ist ganz schön umständlich…

Zuerst nimmt man sich am besten zwei Eimer und geht die ca. 150 m in den Dschungel – wie es alle hier nennen. Dort gibt es zwei große Brunnen mit Eimern, die an Seilen festgeknotet sind, um Wasser zu schöpfen. (In etwa so, wie man es sich immer in einem Bilderbuch vorstellt. 😉 )

Die erste Herausforderung: Wie bekomme ich möglichst schnell möglichst viel Wasser nach oben?

Da derzeit immer noch Trockenzeit ist, gab es vor ein paar Tagen eine echte Wasserknappheit, denn die Brunnen waren allesamt ausgetrocknet. Das gab es angeblich schon seit Jahren nicht mehr. Was tun? Die Hauptschwester unseres Projekts hat den Mädchen verboten, ihre Kleidung (außer der Unterwäsche) täglich zu waschen. Das Wasser zum Putzen und Spülen wurde aus dem Teich vor dem Convent genommen und mir ist es unklar, wie mit diesem Dreckswasser das Geschirr bzw. der Boden sauber geworden ist. Die Haare, die Wäsche und auch der Körper sollten so wenig wie möglich gewaschen werden. Vroni und ich durften keine Laufspiele anleiten, damit die Mädchen nicht so stark ins Schwitzen geraten. Jedes Mädchen soll angeblich nur noch zwei Eimer Wasser pro Tag zur Verfügung gestellt bekommen haben, um sich und die eigene Kleidung zu waschen. „Zwei volle Eimer pro Tag – wo ist das Problem?“, haben Vroni und ich uns gedacht. Wenn wir duschen benutzen wir höchstens einen Eimer zum Duschen mit Haare waschen und um nur kurz den Körper abzuwaschen, reichen zwei – drei Kellen. Auch zum Klamotten reinigen brauchen wir im Normalfall nicht so viel Wasser, da wir jedes Teil einzeln in nur sehr wenig Wasser waschen. Trotz dieser Ankündigung kam es glücklicher Weise doch anders: Über Nacht haben sich die Brunnen mit ein wenig Grundwasser gefüllt. Trotzdem hatten Vroni und ich kein Wasser im Zimmer und sind selber losgegangen, um uns Wasser aus dem Brunnen zu schöpfen. Wieso wohnen wir eigentlich im dritten Stock?!?

Nun zum eigentlichen Thema: Wie bekomme ich einen vollen Eimer aus dem fast ausgetrockneten Brunnen nach oben? Es gibt tatsächlich eine bestimmte Wurftaktik, die vorgibt, wie man den Eimer werfen muss, damit er so fällt, dass er sich schnell mit Wasser füllt. Dabei ist es wichtig, dass das Seil nicht verknotet ist oder gar hängenbleiben kann und dass man den Eimer leicht schräg mit der Öffnung nach unten loswirft. Beim Hochziehen muss man drauf achten, dass er nicht an der Brunnenwand schrammt und dass man nicht gleich das ganze Wasser verschüttet. Um einen großen Wascheimer zu füllen braucht man zwei – drei Fuhren. Für‘n Anfang reichen erstmal zwei große Eimer voll mit Wasser, wie es mir die Mädels geduldig erklären. Also ran an die Arbeit! Mit der Zeit hatte auch ich den Dreh raus. 🙂

Und wieso schnell? Bei zwei Brunnen und 80 Mädels, die in einer halben Stunde fertig sein sollen, ist das einfach erklärt. Man steht Schlange, bis man mit dem Schöpfen an der Reihe ist und dauert es mehr als eine halbe Minute, so hat man mindestens 20 Mädels im Genick, die sich beschweren oder einen auslachen…

 

Die zweite Herausforderung: Wie wasche ich meine Klamotten auf dem Steinboden – ohne Waschmittel oder gar heißem Wasser?

Ich muss zugeben, dass ich vor Indien noch nie wirklich Kleidung mit der Hand gewaschen habe. Wenn, dann schnell auf einer Reise oder Hütte mit „Rei in der Tube“ – das war’s. Meine Waschtechnik in unserem Zimmer (in der kalten Saison mit Wasserkocher und inzwischen auch mit Waschmittel) ist gar nicht mehr sooo schlecht. Ich schaffe es nach dem halben Jahr Übung in relativ kurzer Zeit meine Sachen sauber zu waschen. Aber das hier war nochmal eine ganz andere Nummer: Also erst mal alle Klamotten in den ersten Eimer voller Wasser, damit sie nass werden. Dann nimmt man Kleidungsstück für Kleidungstück raus, breitet es auf dem Steinboden (der als Waschstein dient) aus und rubbelt es mit viel, viel Seife ein. Wenn es überall ordentlich schäumt wird geschrubbt und gerubbelt was das Zeug hält, damit alles richtig sauber ist. Danach wird der Restschaum ausgewunden und das Kleidungsstück kommt in den zweiten Eimer mit Wasser. So macht man das immer wieder, bis alle Teile einmal eingeseift und geschrubbt wurden. Im zweiten Eimer rührt man dann ein wenig rum (zumindest habe es die Mädchen so vorgemacht) und windet Stück für Stück aus, um es danach in einen dritten Eimer mit frischem Wasser zu tun. Das macht mach ganze dreimal. Insgesamt werden also fünf volle Eimer zum Waschen benötigt: Einen zum Nassmachen, dann wird mit Seife geschrubbt und anschließend in vier verschiedenen Reinigungsschritten die Seife wieder Rausgewaschen. Zum Schluss – wenn das Wasser endlich klar ist – wird natürlich nochmal ausgewunden und dann kann die Wäsche auch schon aufgehängt werden. Das machen die Mädels JEDEN Tag mit ALL ihrer Wäsche. Sogar das Schlafgewand wird jeden Tag gewaschen! Für mich ist das unvorstellbar. Obwohl ich sehr auf Sauberkeit achte und häufig wasche, sehe ich keinen Sinn darin auch die Hose, die Jacke, den BH oder gar den Schlafanzug gleich jeden Tag zu waschen… Sogar die Schuhe werden täglich geschrubbt!

Was mich sehr beeindruckt hat war, wie schnell die Mädels das alles machen. Diese Handgriffe sitzen! Ich finde es auch komisch, dass sie immer ihre ganze Wäsche in ein und demselben Eimer waschen. Was machen sie denn, wenn z.B. ein Teil abfärbt? Oder wenn sie mal doch nur drei Teile haben? Es wird Immer ein ganzer voller Eimer Wasser genommen. Schon ein bisschen verschwenderisch…

 

Die dritte Herausforderung: Wie ziehe ich mich aus, ohne dass man irgendetwas sieht?

Die Mädels duschen sich hier nicht nackt, sondern tragen während dem Duschvorgang ein Tuch umgebunden. Sogar die Unterhose bleibt an… D. h. auch ich habe mir ein Tuch rumgewickelt. Allerdings als ich noch alles anhatte. Jetzt erst sollte ich mich dann ausziehen. Wieso darf man vorher weder das Oberteil noch die Hose ausziehen?!?! Man kann sich das Leben auch echt kompliziert machen… Aber gut – nach ein wenig „Rumgewurschtel“ war das dann auch geschafft.

 

Die vierte Herausforderung: Wie wasche ich meine Haare kopfüber und schaffe es dabei einen ganzen Eimer Wasser zu verbrauchen?

Im Zimmer wasche ich meine Haare auch mit Eimer und Kelle – aber dass es so anders wird, hätte ich nicht gedacht. Kopfüber im Stehen Haare zu waschen ohne auf dem rutschigen Steinboden auszurutschen und ohne, dass man dieses doofe Tuch verliert ist gar nicht so einfach. Obwohl ich mehr Wasser verbraucht habe als normal, bleibt es mir ein Rätsel, wie man für einen einzigen Haarwaschgang einen ganzen, vollen Eimer Wasser brauchen kann…

 

Die fünfte Herausforderung: Wie wasche ich mich ordentlich, wenn doch gefühlt der ganze Körper noch eingehüllt ist? Und wieso ist das Wasser eigentlich so kalt?

Bis zum Körper waschen ist mir die Kälte des Wassers gar nicht bewusst gewesen, aber warm ist sicher was Anderes. Ich bin sehr froh, dass Vroni und ich inzwischen im Normalfall mit unserem Heiz-Stab das Wasser warm machen können und nicht mehr wie im November beim Duschen frieren. (Obwohl man dazu sagen muss, dass derzeit ca. jedes zweite Mal kein Strom da ist, um das Wasser zu erwärmen.)

Die Mädchen haben ein krasses Sauberkeitsbewusstsein – so krass, dass sie sich mit einem Schrubber und sehr viel Seife abrubbeln. Den Rücken und Nacken schrubben sie sich gegenseitig, was ich sehr schön zu beobachten fand. Außerdem helfen die großen den kleinen Mädchen nicht nur beim Klamotten waschen, sondern auch beim Haare waschen und Duschen. Wie in einer großen Familie halten hier alle zusammen. Auch mein Rücken wurde ordentlich geschrubbt, sodass es fast ein wenig wehtat. Die Mädchen sagen, man muss sich den Dreck aus der Haut rubbeln. Mit einem speziellen Stein scharben sie sich außerdem die Schienbeinhaare weg. Obwohl ich mich wie ein Auto in der Waschanlage gefühlt habe, hatte ich persönlich trotzdem nicht das Gefühl richtig sauber zu sein, denn an manche Bereiche kommt man mit umgehängtem Tuch und Unterhose einfach schlecht ran… Außerdem mag ich das Gefühl von einem nassen Tuch, dass ich jeder Zeit verlieren könnte, um mich rum nicht. Langzeitig betrachtet finde ich es also praktischer, im Zimmer zu duschen – auch wenn ich dafür vielleicht mal ein – zwei Eimer schleppen muss. So bleibe ich wenigstens fit!

 

Die sechste und letzte Herausforderung: Wie ziehe ich meine frischen Klamotten an, wenn meine Füße im Dreck versinken?

Dazu kann ich eigentlich nicht viel sagen – außer, dass ich es nicht geschafft habe meine Hose sauber zu behalten. Auch meine Schuhe waren nach 5 min wieder komplett dreckig, sodass ich sie im Zimmer gleich nochmal gewaschen habe…

 

Insgesamt hat die Dusche im Dschungel zwei Stunden gedauert. Ich habe sieben volle Eimer Wasser verbraucht und eine Menge Seife. Vroni und ich haben seit September gemeinsam dreieinhalb Seifen gebraucht – die Mädels sagen, dass sie in zwei Wochen drei Seifen benötigen. Jetzt weiß ich auch warum… Nach dem Duschen benutzen die Mädels übrigens mehrere Cremes und Lotionen, denn die Körperpflege ist hier wirklich wichtig.

Obwohl ich den Mädels schon öfters beim „Bath taken“ zu geschaut habe, war es doch noch mal ein ganz anderes Erlebnis, das selbst auszuprobieren. Es ist schön zu sehen, wie viel wir voneinander lernen können. Ich unterstütze sie in der Schule und sie zeigen mir, wie man effektiv wäscht – das ist ein fairer Deal würde ich sagen! Außerdem ist es doch gut, täglich auf’s Neue herausgefordert zu werden 😀