Hallo Deutschland!

Es ist soweit: Endlich schaffe ich es, mich ein allerletztes Mal zu melden. In den vergangen zwei Monaten ist viel passiert und inzwischen würde ich behaupten, wieder richtig in Deutschland angekommen zu sein.

Ich konnte den Moment kaum erwarten, deutschen Boden zu betreten und meine Familie und Lieben wiederzusehen. Doch dann ging alles ganz schnell:

Mein 19. Geburtstag, das erste Treffen mit Freunden, die erste Breze, das erste „Furth geh“ und alleine Autofahren. Die Freiheit, die ich mir so sehnlich gewünscht habe, hat mich am Anfang ein wenig überfordert. In dem Land, in dem ich geboren wurde, habe ich mich plötzlich einsam und allein gefühlt. Ein eigenes Zimmer, ein riesen Schrank (den ich erstmal ausmisten musste), Essen (v.a. Fleisch) im Überfluss, kaum Menschen auf den Straßen, kein Müll, der in der Sonne eingeht, keine komischen Blicke und auch keine Selfies mehr.

Der Kulturschock war heftiger als erwartet. Mit vielen Sachen habe ich gerechnet, doch einiges kam unerwartet: Zum Beispiel die Einsamkeit. Teilweise hatte ich das Gefühl, dass mich keiner mehr versteht.

Alle denken, ich bin dieselbe, aber das bin ich nicht. Alle denken, ich wäre in Deutschland, dabei bin ich noch zur Hälfe in Indien. Alle fragen mich „Wie war Indien?“ – Was soll man darauf antworten? Kein Wort oder Satz kann das je beschreiben. Ich fange an, mich wieder selbst zu suchen und in meinem neuen Alltag einzuleben.

Wo stehe ich?

Was will ich?

Was mache ich hier?

Bin ich hier überhaupt richtig?

Gehöre ich noch dazu?

Wie geht’s den Mädels?

Schaffen sie es sich beim Hausaufgaben machen zu konzentrieren?

Helfen sie sich gegenseitig, so wie wir es ihnen beigebracht haben?

Vermissen sie mich?

Um genau solche Fragen zu bereden, war Zeit am Rückkehrer-Seminar im September. Es tat unglaublich gut sich mit den anderen Volunteers, die auf der ganzen Welt verstreut waren, auszutauschen, zu diskutieren und neue Denkanstöße zu bekommen. Wir haben die Unterschiede der verschiedenen Kulturen herausgearbeitet und erstaunlich viele Gemeinsamkeiten erkannt. Obwohl uns teilweise über 15.000 km getrennt haben, hatten wir ähnliche Probleme und Glücksmomente mit den Kindern. Das Seminar war für mich der erste Schritt des Loslassens. Reflektieren und Akzeptieren. Abschließen.

Neues anfangen. Recht zügig ging es mit einer guten „Ablenkung“ weiter: Dem Umzug nach Augsburg. Einkaufen, Aufbauen, neue Menschen um mich herum, Lernen, anspruchsvolle Texte und Informationen über Informationen. Meine Motivation Grundschullehrerin zu werden ist auch nach den ersten Tagen Uni noch genauso hoch wie zu Beginn. Ich freue mich auf diese neue Herausforderung. 😀

In dem vergangenen Jahr habe ich mich oft gefragt, was Heimat bedeutet und auch darüber haben wir am letzten Seminar gesprochen. Jeder definiert es anders. Für mich es nicht unbedingt ein Ort, sondern eher ein Gefühl.

Wenn ich ich selbst sein kann. 

Wo Menschen sind, die mich lieben und Menschen, die ich liebe. Menschen, die mir wichtig sind. Menschen, mit denen ich schöne Momente geteilt habe; positive Erinnerungen an die gemeinsame Zeit.

Aber durchaus auch eine vertraute Umgebung, in der ich mich wohlfühle und meine Rückzugsmöglichkeiten habe. In der ich genau weiß, wo was hingehört und es bemerke, wenn sich etwas verändert hat.

Auf meiner „in Deutschland To-Do-List“ stand u.a. der Punkt Heimat finden. Ich glaube das kann ich jetzt abhaken:

Heimat ist nicht nur ein Ort. Heimat ist viel mehr. Ich bin froh das jetzt herausgefunden zu haben.

Meine erste Heimat ist und bleibt Benediktbeuern. 

Die Zweite ist Indien geworden: Die Mädels, Schwestern und LehrerInnen; die Schule, das Internat, die Kapelle, die Farm und der Dschungel; die Märkte, die Hitze, die Sonne und der Regen. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl daran zu denken. Es erfüllt mich und macht mich glücklich. Wer weiß, vielleicht werde ich eines Tages dorthin zurückkehren?

Eine neue, dritte Heimat bildet sich gerade in Augsburg. Schon jetzt fühle ich mich dort wohl. 🙂

Das Gefühl in Deutschland allein zu sein ist schnell wieder verschwunden. Ich habe einfach ein bisschen Zeit gebraucht, um mich zu sortieren und mir über meine Standpunkte klar zu werden. 

Bis ich mich wieder vollends in Deutschland eingelebt habe und ich nicht in jedem dritten Satz „Indien“ erwähne, wird es vielleicht noch ein wenig dauern. – Und ob das je passiert, kann ich nicht garantieren… 😉 Ich möchte Euch für Eure Geduld mit mir und auch für alles andere danken.

Dankeschön.

Noch ein wenig Werbung in eigener Sache:

Am Sonntag, den 10.11.2019 werde ich um 11.00 Uhr auf der Leinwand im Kino Penzberg (Frauenhoferstraße 8, 82377 Penzberg) ein paar Fotos von meinem Jahr in Indien zeigen und von dieser superspannenden Zeit berichten: Sowohl von der Zeit im Projekt, als auch von Erlebnissen auf den Reisen.

Ihr seid alle Herzlich willkommen!

Der Eintritt ist frei. Ich freue mich auf bekannte und unbekannte Gesichter und darauf, meine Erfahrungen mit Euch zu teilen.

Das war’s jetzt endgültig von mir,

Macht’s gut!

Die Anita

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Indien bleibt für immer

  1. Roland Krammerr

    Vielen Dank für Deine tollen Berichte während der gesamten „Indienzeit“.
    Auch Dein letzter Blog „Hallo Deutschland“ ist wieder sehr berührend!
    Liebe Grüße
    Deine Familie Margit, Roland und Irina

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