Dieser Blogeintrag ist eigentlich schon über eine Woche alt. Leider jetzt erst online, wegen anhaltender Internetprobleme.

Was war los in den letzten zwei Wochen in Cotonou? Hier bin ich wieder und bringe euch auf den neuesten Stand. Wie ja bereits im letzten Eintrag erwähnt, war für den 1. Mai ein Ausflug nach Porto Novo geplant. Doch bereits am Dienstagabend kündigten sich zwei Hindernisse an. Das erste waren sehr dunkle Wolken und das zweite heftige Halsschmerzen. Beides sorgte letztlich dafür, dass unser Ausflug im wahrsten Sinne des Wortes „ins Wasser fiel“. Es regnete praktisch den ganzen Mittwoch. Und meine Halsentzündung bescherte mir zusätzlich leichtes Fieber und Kopfschmerzen, weshalb ich praktisch den ganzen Tag verschlief. Und nicht nur diesen Tag, sondern auch gleich die zwei darauf folgenden auch. Zum Thema Krnakheit muss ich jetzt einmal eine Sache loswerden: Ich bin langsam aber sicher genervt! Dass man gelegentlich krank ist und das vielleicht auch für mehrere Tage, ist ja ganz normal. Nicht normal ist, zumindest in meinen Augen, einmal im Monat krank zu sein, was ich seit Dezember auch war. Häufigster Grund ist mein Magen, aber auch Entzündungen sind gerne einmal dafür verantwortlich, dass ich ein Wochenende das Bett hüten muss. Denn das kommt noch dazu: Ich bin natürlich immer nur krank, wenn ich frei habe und die Zeit für Ausflüge nutzen könnte! Aber gut, ich sollte nicht zu sehr jammern, immerhin habe ich Porto Novo dann doch ncoh bewundern können; dazu später mehr.

Im „Maison du Soleil“ sind in den vergangenen zwei Wochen auch die letzten Mütter aus der Gruppe gegangen, die ich von Anfang an mitbegleitet habe und damit auch meine Süßen. Hier nocheinmal eine kleine Erinnerung:

Ovynx kam im Alter von 7 Monaten zu uns. Seine Mutter Alexandrine hat ihre Ausbildung in der Patisserie abgeschlossen und macht jetzt ihr Praktikum. Ovynx Lieblingsbeschäftigung: Sich schmutzig machen! Wenn irgendwo etwas ausgelaufen oder heruntergefallen ist. Man kann sicher sein, dass er innerhalb von Sekunden genau dort seine Hände hineinklatscht und sie sich danach vorzugsweise noch damit durchs Gesicht wischt.

Sena und ihre Mutter Parfaite waren seit Mitte September bei uns, auch Parfaite macht jetzt ihr Praktikum in einer Patisserie. Sena war immer eines meiner Lieblingskinder, auch wenn es sowas eigentlich nicht geben darf. Anfangs war sie unglaublich schreckhaft (vielleicht erinnert ihr euch noch an die Geschichte mit der Puppe?) und weinerlich. Aber nach der üblichen Gewöhnungsphase gab sich das auch. Zwar kann sie noch nicht sprechen, aber sie versucht es zumindest, was sich dann meistens anhört wie „Baba Baba“ :).

Es gab hier ja schon häufiger Momente in denen ich mich gefühlt habe, wie im Film. Irgendwie war meine Umgebung bzw. die Situation irreal. Letzten Dienstagabend ging es mir einmal wieder so. Wir haben nämlich zwei Fofos (das ist das männliche Gegenstück zu Tata) auf den Markt begleitet, wo sie ein bisschen nach den Mädchen sehen, die dort schlafen, weil sie sonst kein Dach über dem Kopf haben. Aber den Markt kennst du doch schon, mögt ihr jetzt vielleicht sagen. Dem möchte ich gar nicht widersprechen, aber bei Dunkelheit, ist das eine ganz andere Sache. Man kommt sich wirklich vor wie in einer Filmkulisse. Weil es auf dem Markt natürlich keine Elektrizität gibt, beleuchten die Händlerinnen ihre Waren mit Öllampen, das heißt überall in der Dunkelheit flackern kleine Flammen. Und auch die Stimmung ist anders. Zwar kann man immer noch überall alles kaufen (der Markt schläft nie), aber es ist viel leiser als tagsüber und fast geheimnisvoll. Man sollte sich allerdings nicht davon täuschen lassen, denn auch Diebe und andere zwielichtige Gestalten halten sich nachts bevorzugt auf dem Markt auf. Deshalb nie ohne Begleitung! Aber die Erfahrung war unglaublich interessant. Leider im Bezug auf unsere Mädchen auch traurig, denn die Orte an denen sie nachts schlafen sind meistens einfach nur ein paar Säcke unter einer Plane und bei Regen hilft die auch nicht besonders viel.

Aber genug zum Markt, jetzt muss ich ja dann doch noch von Porto Novo erzählen. Denn da der Mai mit besonders vielen Feiertagen gesegnet ist, konnten wir den verpassten 1. Mai einfach an Christi Himmelfahrt nachholen. Also ging es morgens, bei strahlendem Sonnenschein, mit dem Taxi auf in Benins Hauptstadt. Denn das ist Porto Novo, auch wenn Cotonou ungefähr dreimal so groß ist und auch praktisch gesehen die Hauptstadt. In Porto Novo befindet sich eigentlich nur der Sitz des Parlamentes. Sogar der Präsident residiert in Cotonou und ein Großteil der Ministerien und Botschaften befindet sich hier. Das sorgt aber auch dafür, dass in Porto Novo eine ganz andere Stimmung herrscht. Es ist fast ländlich, der Verkehr ist sehr ruhig, die Häuser niedrig und es kann sogar vorkommen, dass man an einer Straße entlang läuft und dabei keinem Menschen begegnet. Das ist mir in Cotonou noch nie passiert. Mit dem Sammeltaxi fährt man ungefähr eine Dreiviertelstunde bis Porto Novo. Angekommen ging es weiter mit dem Zem, denn wir hatten ein straffes Programm vor uns. Erste Station war das „Centre Songhai“, worunter wir uns zu Beginn recht wenig vorstellen konnten. Nach einer fast zweistündigen Führung allerdings, war ich schwer begeistert! Es handelt sich um ein Ausbildungszentrum für nachhaltige Landwirtschaft, dass von einem Dominikaner-Pater in den Achziger-Jahren gegründet wurde. Seitdem ist es beständig gewachsen und umfasst inzwischen etwa 2,5 Hektar. Das System ist relativ einfach: Es werden keinerlei Abfälle produziert, alles wird wiederverwertet. Es gibt drei Sektoren: Im primären Sektor werden die Rohstoffe produziert, pflanzlich und tierisch. Im sekundären werden diese verarbeitet und im tertiären schließlich vermarktet. Dabei kommt nichts von außen und bis auf die fertigen Produkte geht auch nichts nach außen. Die benötigte Energie wird durch Solarpanele und Biogas gewonnen. Letzteres ist auch eine Verwertung der anfallenden Abälle. Sogar die Verpackung der Produkte wird in einer Fabrik, durch das Recycling anfallenden Plastikmülls, selbst produziert. Wenn das nicht mal ein Vorbild für die Zukunft ist!

Nach der langen Führung profitierten wir gleich im hauseigenen Restaurant von den Produkten, wie zum Beispiel des Magosaftes, der wirklich unglaublich gut schmeckt!

Den Nachmittag verbrachten wir zuerst im „Palais Royal“, dem ehemaligen Palast des Königreiches Porto Novo. Zwar war unser Führer etwas in Eile und ließ uns kaum die Zeit die Hinweisschilder in den unterschiedlichen Räumen zu lesen, aber trotzdem war es sehr interessant. Das Königreich Porto Novo existierte vom 17. Jahrhundert bis in die Kolonialzeit hinein und viele Generationen von Königen lebten im Palast. Dort sind sie auch begraben, allerdings weiß keiner wo genau, denn in der Vorstellung der Menschen strab ein König nicht, sondern war nur auf unbestimmte Zeit verreist.

Die nächste Station war das Foyer Don Bosco, der Salesianer. Es ist im Grunde das Gegenstück zu unserem Mädchenfoyer, nur eben ausschließlich für Jungs. Dabei ist das System ein bisschen anders, weil auch die Situation eine andere ist. Während die Mädchen in unserem Foyer meistens Opfer von Kinderhandel sind, also nicht freiwillig von ihren Familien getrennt sind und für eine fremde Person arbeiten müssen, handelt es sich bei den Jungs meist um Straßenkinder. Deren Empfang sieht etwas anders aus. Die Salesianer haben mehrer Baracken auf dem großen Märkten in Cotonou, Poto Novo und an der Grenze zu Nigeria. Dort wird Kontakt mit den Jungs aufgenommen. Im nächsten Schritt kommen sie in das erste Foyer Don Bosco, wo sie drei Stufen durchlaufen. Nur wer am Ende die Stufe drei erreicht ohne wegzulaufen und Verhaltensweisen wie Stehlen, oder Prügeleien ablegt, der kommt ins große Foyer, wo dann ein dauerhafter Aufenthalt garantiert ist und sie auch normal zur Schule gehen. Dieses System wird zum Beispiel auch in den Foyers in Abijan und Kara angewendet, in den jeweiligen Blogs findet ihr noch mehr Infos.

Das war also unser Ausflug nach Porto Novo, nach dem uns der Wahsinn des Verkehrs in Cotonou besonders aufgefallen ist.

Gestern war ich dann noch auf dem Missebo, das ist der Kleidermarkt hier in Cotonou. Dort findet man alles, von Jeans über Blusen, Kleider, Gürtel, Hüte, Schuhe etc. Eben alles, was in Europa so im Altkleidersack landet, oder in Geschäften nicht verkauft wird. Das wird dann in riesigen Containern nach Afrika gekarrt und hier zu Spottpreisen verkauft. Ich habe zum Beispiel eine weiße Jeans für 3 Euro gekauft. Dafür hätte ich in Deutschland das zwanzigfache bezahlt. Allerdings kommt es mir dann doch verrückt vor, was die Globalisierung alles bewirkt. Ich, als Europäerin, kaufe hier in Afika europäische Klamotten, die vorher von anderen Europäern getragen, weggegeben und hierher gefahren wurden, um sie schließlich wieder zurück nach Europa zu nehmen…