Hallo und Bonjours an meine Leser zu Hause und in der Welt. Letzte Woche gab es ja ausnahmsweise keine Nachrichten aus dem Busch, aber dafür gibt es heute viele neue Fotos von meinen Kleinen.

Da ihr inzwischen ja schon einen vergleichsweise guten Überblick über mein Aufgabenfeld und meinen Alltag habt, werde ich diese Woche ein bisschen von den Menschen erzählen mit denen ich hier so täglich zu tun habe und mit deren Geschichten ich konfrontiert werde. Zu Beginn möchte ich gleich meine Begegnung mit dem bisher jüngsten Beniner schildern, die ich bisher hatte. Letzten Sonntag nämlich haben wir eine Tata aus dem Foyer besucht, die vier Tage zuvor ihren kleinen Sohn „Ma Gloire“ zur Welt gebracht hatte. Ich habe noch nie etwas so Süßes gesehen! Ein winziges Bündel mit einem Büschel schwarzen Flaums auf dem Kopf, der ganz friedlich in meinen Armen geschlummert hat. Und was erstaunlich ist, er ist noch fast ganz weiß. Säuglinge haben hier nämlich noch eine sehr helle Hautfarbe, die erst mit der Zeit dunkler wird. Der Kleine hätte als fast auch mein Baby sein können 😉

Ach, bevor ich mit den eigentlichen Geschichten beginne muss ich euch unbedingt noch an den Genüssen des gestrigen Abends teilhaben lassen. Wir haben uns nämich einmal etwas gegönnt und sind Pizza essen gegangen. Ja, Pizza. Klingt in Afrika vielleicht ein bisschen fehl am Platz, aber ich muss sagen, sie hat wirklich gut geschmeckt! Allerdings gab es zum Essen den Kulturschock gratis dazu. Ich kam nicht umhin mich zu fragen, ob alle Yovos aus ganz Cotonou dort zu Abend gegessen haben. Es waren nämlich NUR Weiße in diesem Lokal, was angesichts der sehr europäischen Preise auch nicht überrascht. Aber man gönnt sich ja sonst nichts 🙂

Ansonsten bin ich gerade dabei mich durch die Berge von Akten zu arbeiten, die im Maison du Soleil die Mädchen betreffen. Ich habe damit angefangen, um mir einen Überblick über die Geschichten der Mamans zu machen, um dann auch im Umgang mit ihnen besser auf kritische Situationen reagieren zu können. Allerdings musste ich an vielen Stellen wirklich schlucken. Von den neun Mädchen die permanent im Maison du Soleil wohnen sind zwei vergewaltigt und anschließend von der Familie verstoßen worden, als diese herausfand, dass die Mädchen schwanger waren. Vier haben einen Freund gehabt, der sich allerdings sehr schnell aus dem Staub gemacht hat, als er mitbekam, dass er Vater wird. Besonders krass ist da die Geschichte einer Externen Mutter, die also nicht bei uns schläft, sondern nur vormittags die Kinder abgibt. Ja, ihr habt richtig gehört, ihre Kinder, Mehrzahl. Die beiden Jungs sind zwei Jahre und zwei Monate alt und auch vom gleichen Vater. Der hatte allerdings nach der zweiten Schwangerschaft seiner Freundin einfach keine Lust mehr auf den ganzen Stress und war von heute auf morgen auf und davon. Und jetzt weigert er sich natürlich für seine Kinder zu zahlen, sind angeblich gar nicht seine. Besagte Mutter ist neunzehn Jahre alt.

So wirklich aus der Bahn geworfen hat mich aber ein Mädchen, nennen wir sie jetzt einfach Rosine, ihren wirklich Namen möchte ich nicht so öffentlich nennen. Rosines Eltern haben sich schon sehr früh getrennt und sie ist bei ihrem Vater aufgewachsen. Letzterer hat aber neu geheiratet, als seine Tochter vierzehn Jahr alt war. Die Stiefmutter muss das Mädchen wirklich schwer mishandelt haben, sowohl körperlich, als auch psychisch. Jedenfalls beschloss Rosine zu ihrer Mutter nach Nigeria zu fliehen, was ihr schließlich auch gelang. Ihr Vater holte sie aber wieder zurück. Die Situation in dessen Haus hatte sich abe rnciht verbessert und so floh seine Tochter zum zweiten Mal, diesmal zu ihrem Großvater, auch nach Nigeria. Dort wähnte sie sich in Sicherheit, weil niemand sie dort vermuten würde. Und genau das war das Verhängnis. Ihr Großvater wusste sehr wohl um die Situation seiner Enkeltochter. Doch anstatt ihr zu helfen, nutzte er den Moment und vergewaltigte Rosine mehrere Male auf brutalste Weise. Die Einzelheiten möchte ich euch hier ersparen, dabei dreht es einem nämlich wirklich den Magen um. Tatsache ist, Rosine wurde schwanger und floh vor ihrem Großvater und Vater ihres ungeborenen Kindes zurück nach Benin. Dort wurde sie schließlich von der Polizei aufgegriffen und an die Soeurs Salesiennes weitergegeben. So kam sie dann schlißlich ins Maison du Soleil. Jetzt hat sie einen sieben Monate alten Sohn und ein schweres psychisches Trauma.

Solche Dinge können einen dann nicht kalt lassen, besonders wenn man sowohl Mutter, asl auch Kind gut kennt. Ich bewundere dann immer die Lebensfreude, die die Mädchen oft zeigen, denn bei jemandem, der solche Dinge erlebt hat, ist das nicht selbstverständlich.