Benin Begegnen

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Von Streifen, Stopps & Straßen

Och neee. Echt jetzt? Schon wieder ein Verkehrs-Blog?

Genau das wären meine Gedanken, wenn ich gerade du wäre. Warum? Ich zähle mich zu der Gruppe von Personen, die nicht nur meinen Blog schreibt, sondern auch die Einträge meiner Mitvolontäre aufmerksam verfolgt. Aus diesem Grund würde es mich nicht wundern, wenn ich demnächst anfinge vom indischen Verkehr zu träumen. Auch wenn ich jeden Einzelnen meiner Mitvolontäre verstehe, welcher oder welche dieses Thema in seinem Blog unbedingt näher thematisieren will. Mir geht es auch nicht anders. Deshalb ensteht gerade dieser Blog. Nur anders.

Also liebe Mitvolontäre und sonstige Leseratten, die viele Blogs lesen: Hört hier jetzt nicht auf! Euch zu liebe versuche ich diesen Blog anders als andere Verkehrs-Blogs zu gestalten. Aber natürlich richtet sich dieser Eintrag nicht nur an euch, sondern auch an alle treuen Leser dieses Blogs, die noch ein volles Leben außerhalb der Blog-Website haben.

So. Es geht los. Stellt euch vor ihr fahrt auf einem Motorrad durch eine deutsche Stadt. Egal welche. Stellt euch vor, ihr kommt aus Cotonou, seid Mototaxifahrer und das erste Mal hier. Das reicht. Mehr Gedanken braucht ihr euch nicht zu machen, denn was ihr denkt, das sage ich euch jetzt.

Die komischen, weißen Streifen auf dem Boden

Erklärung: Diese komischen, schmalen Streifen nennen sich Fahrbahnmarkierung und sind zur klaren Trennung der Fahrspuren gedacht.

Hier tatsächlich ein Grünstreifen – mit tierischem Bewohner

In Cotonou gibt es diese nicht. Auch nicht zwischen den Fahrtrichtungen. Am Stadtrand wird die Breite der Spuren einfach individuell dem Verkehr angepasst. Morgens nutzt der Verkehr ins Stadtinnere zwei Drittel der Fahrbahn, nachmittags die andere Richtung. Wenn es geregnet hat und die Straßenbreite sich bereits deshalb auf seine Hälfte reduziert, muss eine Seite warten, bis sie sich traut dem Gegenverkehr mit erhöhtem Kollisionsrisiko den Kampf anzusagen.

Auf größeren Straßen gibt es häufig einen Grünstreifen bzw. eher erdigen Braunstreifen zwischen den breiten Pflasterstraßen und auf jeder Seite fahren einfach so viele Autos und Motorräder, wie gerade nebeneinander passen.

Schon wieder komische, aber breite Streifen

Erklärung: Das ist ein Zebrastreifen.  Er dient Fußgängern zur selbstständigen, sicheren Überquerung der Straße.

In Cotonou gibt es diese nicht. Nicht in dieser Form. „Zebrastreifen“ sind vergleichbar mit Männern in Warnweste, mit Trillerpfeife und Holzschlagstock. Stehen genug Leute bei ihnen, heben sie ihre rote Fahne, steigern sich in ein Trillerpfeifenkonzert hinein und laufen in Todesmut zwischen die fluchenden, hupenden, bremsenden Motorräder und Autos um ihre Schützlinge – nicht nur Schulkinder – sicher über die Straße zu geleiten.

Jemand sollte dringend mal die ganzen, scheinbar kaputten Hupen reparieren

Erklärung: Diese sind nicht kaputt. Laut §16 der deutschen Straßenverkehrsordnung – ich weiß nicht, ob es etwas vergleichbares in Benin gibt – dürfen Warnzeichen wie die Hupe jedoch ausschließlich in Gefahrensituationen zum Warnen anderer Verkehrsteilnehmer genutzt werden.

In Cotonou ist das anders. Hier hupt Jeder. Immer. Zum Überholen, zum Bremsen, zum Grüßen, zum Abbiegen…

Fahrt mal da vorne! Oder wollt ihr alle geradeaus?

Erklärung: Dies ist eine Kreuzung, deren Ampel für alle Verkehrsteilnehmer gilt.

In Cotonou ist das anders. Dein Weg führt an einer Kreuzung nach rechts? Dann  gilt die Ampel für dich nicht. Schließlich kreuzt du ja keine Fahrspur. An den stehenden Motorrädern vorbeiquetschen – wenn nötig und vorhanden in Einbeziehung des Bürgersteiges -, ein kurzer Blick zum Verkehr und ein gewagtes Einordnen zwischen die anderen Zweiräder und schon kann es unter Hupen in anderer Richtung weitergehen.

DIE MACHEN SICH DURCH DEN BORDSTEIN HIER DOCH ALLES KAPUTT!

Erklärung: Das ist eine normale, deutsche Bordsteinkante. Sie dient vor allem dem Schutz der Fußgänger.

In Cotonou ist das anders. Hier haben Bordsteinkanten häufig noch eine andere Funktion. Motorradfahrer fahren hier hinauf um zu überholen, Pause zu machen, zu wenden oder manchmal auch Leute auf- oder absteigen zu lassen. Aus diesem Grund sieht man häufig Aufschüttungen an Bordsteinkanten, die ein problemlosen Befahren ermöglichen.

UNd Wann kommt jetzt die angekündigte Bodenwelle?

Erklärung: Das war die Bodenwelle. Sie verhindert, dass Autos und Motorräder zu schnell fahren.

Erkennbar: Metallstange am Sitzende sowie Bordstein-„absenkung“ an einer Tankstelle

In Cotonou ist das anders. So ist zumindest mein Eindruck. Hier scheinen Bodenwellen zum Testen der Fahrtauglichkeit der Zweiräder und deren Fahrer zuständig zu sein. So müssen Motorradfahrer (und Autos) auf die Schrittgeschwindigkeit eines Kleinkindes runterbremsen und nicht selten ist der Einsatz der Füße als Gleichgewichtshilfe unumgänglich um die hohen Wellen in der Straße zu überwinden. Auf unserem Weg zur Arbeit befindet sich eine Serie von drei dicht aufeinander folgenden Wellen, die einem die morgendliche Müdigkeit aus dem Körper schüttelt. Auch macht in unaufmerksamen Momenten hier gerne das Steißbein Bekanntschaft mit den Matallstangen am hinteren Ende der Sitzfläche.

Die merkwürdigen Beutel an der Seite

Erklärung: Was du siehst sind Satteltaschen am Motorrad. Sie bieten zusätzlichen Stauraum für Gepäck.

In Cotonou ist das anders. Das heißt nicht, dass man hier ungenutztes Potential am Motorrad hätte – im Gegenteil. Nur keine komfortablen Taschen. Die meisten Dinge, die hier auf Motorrädern transportiert werden, würden wohl auch kaum in diese hinein passen. Man findet alles!  2 Türen, 3 Meter hohe Glasscheiben, 15 volle Bananenkartons, 5 Schulkinder… So sieht gelebte Mathematik aus. Dinge verstauen, wo für das europäische Auge keine Möglichkeit mehr erkennbar ist.

WIE TELEFONIERT MAN HIER? BEI DEN HELMEN!

Erklärung: Die in Deutschland üblichen Motorradhelme haben einen Kinnschutz. Telefonieren ist mit diesen schwierig. Dennoch tragen viele Motorradfahrer ihr Handy  natürlich in greifbarer Nähe.

In Cotonou ist das auch so – nur anders! Eigentlich tragen alle Motorradfahrer ihr Handy in greifbarer Nähe. Das bedeutet hier allerdings: Sie klemmen es dauerhaft zwischen Helm und Ohr ein und telefonieren so problemlos während der Fahrt.


Das waren sie. Die ersten Assoziationen eines beninischen Motorradfahrers in Deutschland. Denkt daran, wenn ihr das nächste Mal auf einer komplett ebenen, mehrspurigen, europäischen Straße an einer roten Ampel steht, obwohl ihr doch eigentlich nur nach rechts abbiegen wollt. Ihr dürft nun wieder selbstständig denken. Ich werde euch nicht länger Gedanken vorgeben. Wem das gerade noch schwer fällt in seinen deutschen Kopf zurückzukehren, für den habe ich zum Schluss aber einen Gedankenvorschlag. Es gibt die Möglichkeit mich hier zu unterstützen. Hier findet ihr wie immer mehr Informationen. Schaut mal vorbei!

Was hier sonst noch so Los ist

Geländespaziergang

Meine dritte Arbeitswoche im „Maison de l’Esperance“ ist beendet. Ich lerne erste Phrasen auf der Lokalsprache Fon. Wir sind nun fast 4 Wochen hier. Im einen Moment kommt es einem vor als wäre man schon ewig hier, im nächsten Moment kommt einem die Ankunft wie vorgestern vor. Ich lerne die Jugendlichen im Projekt und hier im Heim jeden Tag ein wenig besser kennen, höre ihre Geschichten, lerne, wie sehr ich die Meinen schätzen sollte und beantworte bereitwillig Fragen über Deutschland, Schule und Menschen. Dennoch gibt es noch viel zu lernen, auszuprobieren und viele Hindernisse zu überwinden um sich hier einleben zu können. Aber was das alles genau bedeutet ist eine andere Geschichte. Nach und nach werdet ihr sie hier kennen lernen. Nur so viel…

Seid dankbar für jede Sekunde, die ihr im Sandkasten verbringen durftet.

Liebe, nachdenkliche Grüße und ein fröhliches huuphuup.

Eure Annika

 

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