Benin Begegnen

BUNTerwegs im Westen Afrikas

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BUNTerwegs mit den Kindern der Sonne

Ich bin zurück. Zumindest physisch.

Ich bin weg. Weg aus Benin.

Ich bin da. In Deutschland.

Mir ist kalt, das Thermometer zeigt gerademal 25 Grad an.

Es sind zu viele weiße Menschen unterwegs, kurvenlose „Kartoffelköpfe“

Und diese Sprache erst. Hört sich an wie ein wütender Rabe mit Sprachfehler.

Ich bin froh, wieder da zu sein.

Ich freue mich auf warme Duschen, Wälder, Schnee.

Ich freue mich auf Menschen, die mir wichtig waren und sind.

Ich bin reicher geworden.

Reich an bunten Kleidern.

Reich an Erfahrungen und Erinnerungen.

Reicher an Ängsten, reicher an Freuden.

Reicher am Wissen, was mir meine Nationalität schenkt.

Was mir meine Hautfarbe eröffnet, was sie mir verschließt.

Was es heißt, Kind gewesen zu sein.

Was es heißt, Kind gewesen sein zu können.

„Kinder sind wie Edelsteine, die auf der Straße liegen. Sie müssen nur aufgehoben werden und schon leuchten sie.“

So sagte es Johannes Bosco einst.

Ich habe versucht mein Bestes zu geben beim Einsatz, Kinder von der Straße aufzuheben, sie zum Leuchten zu bringen. Hätte manchmal gewiss noch mehr tun können, manchmal zu viel getan.

Kinder der Sonne.

Der beninschen, Leben schenkenden, leuchtenden, erbarmungslosen Sonne.

Nein, für immer dort bleiben, das könnte ich nicht. Es war gut nun wieder nach Hause zu kehren. Und doch möchte ich danken denen, die dort sind, bleiben. Aufzuheben die Kinder der Sonne, die keine Kinder sein können.

Die Hälfte Benins ist Analphabet. Familien haben viele Kinder, jede Frau im Durchschnitt 5 Geburten, nicht wenige davon können nicht ernährt werden, die Kindersterberate aufgrund von nicht medikamentös behandelter Krankheiten erschreckend hoch. Tausende Kinder leben ohne ihre Familie zu kennen, ohne ihre eigene Herkunft, oder im Extremfall ohne ihre Nationalität, ihr Alter, ihren Namen zu kennen.

Ein Phänomen nennt sich „Vidomegon“; Die Kinder der Dörfer werden von den Eltern einer nahestehenden Person anvertraut, welche diese weitervermittelt, „verkauft“, beispielsweise als Hausmädchen in eine Stadt oder als Hilfe auf den Markt. Die Eltern erhoffen sich neben dem Geld so eine bessere Zukunft für das Kind in der Stadt oder gar eine Schulbildung. Auf dem Dorf gibt es selten Perspektiven für Kinder. Doch nur selten geht es den Kindern danach besser. Sie werden ausgebeutet, ausgenutzt, arbeiten hart. Ein großer Teil der Mädchen, die die „Baraque SOS“ besuchen, sind „Vidomegon“. Ihnen und anderen Kindern und Jugendlichen eine Zukunft, eine Perspektive, ein Leben in einem geschützten Umfeld zu geben ist das Ziel der Don-Bosco-Schwestern in Cotonou.

Eine soziale Wiedereingliederung junger Menschen in die Gesellschaft und Familie. Besonders Mädchen, die häufig Opfer von Ausbeutung und Menschenhandel wurden, durch Bildung und Ausbildung sowie psychologische, soziale und pädagogische Unterstützung zu einem selbstständigen, unabhängigen Leben zu helfen.

Doch nicht nur in der „Baraque SOS“ und bei der Alphabetisierung auf dem Markt habe ich gearbeitet:

„Maison de l‘Esperance“, „Maison du Soleil“, „Espace Eveil“,…

Um diesen Blog zu beenden möchte ich sie alle noch einmal würdigen. Jedes einzelne ein wichtiges Puzzleteil – auch in meinem Jahr.

Alles begann im „Maison de l‘Esperance“. Nicht einfach waren die ersten Wochen, besonders die Aktivitäten am Nachmittag haben mir so einiges abverlangt. Unzählige Anfragen, dass ich doch bitte am besten jeden Einzelnen zeichnen möge, völlig aus dem Ruder laufende Quiznachmittage und wundervolle Pappmachéweihnachtsbaumkugeln werden mir im Gedächtnis bleiben. Vormittage auf der Bäckerterrasse, schmerzende Beine und Arme vom Stehen und Eiweißschlagen bei den Konditoren, Schnitte in den Fingern vom stachelige Fische Ausnehmen vor der Küche und wunderschöne, doch strenge Lebensweisheiten der „Seifenmama“ zu ihren Schützlingen haben meinen letzten Monat dort geprägt.

Abschiedsfoto mit einigen Mädchen aus der Seifenherstellung

Nach Weihnachten dann Kontrastprogramm: Die Vorschule war jeden Vormittag meine Einsatzstelle.

…Junior, der mir jeden Morgen schon auf dem Motorrad entgegengerannt kommt um meinen Helm zu nehmen, und mich, sobald ich im Klassenzimmer bin, nach Schleichtieren fragt

…die laute Aisha, die mir jeden Morgen ihren Rucksack in die Hand drückt nur um ihn einige Zeit später wieder zurückzufordern, Grace, die kleine Lady und Joie Divine, die ich mit neuem Haarschnitt nicht wiedererkannt habe

…Sandrine, die einfach immer zu langsam anmalt, Viviane die irgendwann nurnoch mit „Mbä“ ihren Ellenbogen anzieht, weil sie kein Bock mehr auf ausmalen hat sowie der kleine Didje, das unangefochtene Maltalent der Gruppe

… der „coole“ Keffa, der eigentlich ein super weiches Herz hat genau wie der große Contrent, der gerne mal Schläge verteilt

…Anna, die gerne mit den Jungs abhängt, besonders mit Rodolphe, dem Superintelligenten der Klasse, der oft länger bleibt, da er direkt ums Eck wohnt

Maskenbasteln im „Espace Eveil“

Aber auch ein paar der lauten Schar der ganz Kleinen werde ich nicht vergessen…

…Mahuna, die mich gerne pausenlos auf Fon vollplappert und JEDEN Tag am Ende Rucksack und Schuhe sucht, die irgendwo im Zimmer verteilt sind und Anna, die mir Grimassen zieht und dann Lachanfälle bekommt wenn ich mitmache

…Anaelle, aus der man kein Wort herausbekommt während andere da sind, die aber alleine aufblüht

…die selbstbewusste Fernadine und Odillon, der zu viel Energie hat und diese nicht kontrollieren kann, sowie Constantin, den ich für ein großes Turntalent halte

…unsere drei Jean‘s bei denen ich noch immer nicht weiß, welcher welcher ist

…Emmanuel, der mit seinen krummen Beinchen erstaunlich gut mithält und Joseph, der mit seinem viel zu großen Kopf immer ein wenig hinterher hängt

Unterricht mit Tafeln und Kreide

Nach unzähligen verteilten Kreiden ging es dann irgendwann ans Verteilen von Windeln.

Meine letzten Monate durfte ich vormittags in einem überaus sonnigen Projekt verbringen: Im „Maison du Soleil“ haben mir nicht nur die 9 Babys tagtäglich ein Lächeln auf die Lippen gezaubert, sondern auch ihre jungen Mamas, die trotz schweren Schicksals ihren Kleinen ganz viel Liebe entgegenbrachten.

Abschiedsfoto mit Mamas und Babys

Neben einer Menge vollgepinkelter Röcke, vollgespuckter Oberteile und ausgerissener Haare haben mir die Babys vor allem eins geschenkt; Sonne im Herzen. – und die Fähigkeit ein Baby auf dem Rücken zu transportieren. Doch man muss auch sagen: Egal ob 0 oder 19 Monate alt, jedes hat es faustdick hinter den Ohren und ist eine Geduldsprobe.

Mein Dank gilt besonders Tata Anna und Tata Joelle, die mich Neuling sehr geduldig in die Kunst des Babyhütens eingeführt haben.

Dieses Jahr ist nun vorbei.

Hat schnell begonnen und ist noch schneller vergangen.

Ich habe viele, viele Erfahrungen gemacht. Sei es das Unterrichten mit Kindern, die keine oder kaum eine gemeinsame Sprache mit mir sprechen. Sei es die Erkenntnis, dass Puzzeln, eine Schere oder einen Kleber benutzen, keine Kompetenzen sind, die sich durch Alter von selbst entwickeln. Sei es die Erfahrung, fremd zu sein, anders zu sein als alle anderen und das Gefühl niemals gleich behandelt zu werden wie Gleichaltrige. Sei es die Erkenntnis, dass durch mangelnde, schlecht bezahlte Arbeitsplätze und Korruption die Zukunft ganzer Generationen, egal wie gut sie auch ausgebildet sein mögen, auf dem Spiel steht.

Mir ist noch einmal bewusster geworden, dass ich nichts dafür getan habe, hier geboren zu sein und mehr dafür tun sollte dies für mich und für Andere nutzen.

Aber auch persönliche Erfahrungen wie kleinen Kindern beim Gewöhnen an deine Hautfarbe zuzuschauen, die Mentalität des Teilens, der andere Umgang mit Smalltalk und die Konfrontation mit einem anderen Bild der Frau in der Familie und Gesellschaft, haben mich geprägt.

Doch diese Zeit, die vergangen ist, für die bin ich nicht alleine verantwortlich.

Ich möchte Danke sagen an so viele Menschen, an euch alle, die ihr meinen Blog gerade lest oder schon immer mitverfolgt habt.

Danke an alle, die mich unterstützt haben bei meiner Entscheidung, dieses Jahr anzutreten, bei der Vorbereitung und Durchführung. Danke Jodi, Danke Hanna und ein feierliches „Bohm“! Auf unsere mehr als 250 bewältigten Bastelideen! Danke an unser wundervolles Vorbereitungsteam in Bene, an meine Familie für eure Unterstützung und ganz besonders an meinen freitäglichen Telefonpartner für 2 Jahre Warten! Außerdem natürlich an meine Mitarbeiter und Freunde vor Ort und unsere Schwesterngemeinschaft, jedes einzelne Mitglied für sich super lieb und voller Humor.

Danke euch Beiden für all die unvergesslichen Momente in unserer Dreier-WG

Mein großer Dank gilt außerdem allen, (vorne weg meinem Opa und seinen Geburtstagsgästen), die mir während des letzten Jahres etwas gespendet haben. Auch jetzt noch ist jeder Euro, der eingeht eine Hilfe. Über dieses Geld werden wir Volontäre auf dem Rückkehrerseminar gemeinsam entscheiden; in welchem Projekt in der Welt unsere und eure finanzielle Hilfe das Meiste bewirken kann. So wollen wir garantieren, dass das Geld nicht in kleine Geldprobleme fließt, sondern Projekte davon nachhaltig profitieren können. – Und nun bin ich am Ende angekommen.

Das war‘s von mir.

Danke an euch alle fürs Lesen und kommentieren! Ich habe mich immer über Rückmeldung gefreut.

Ich hatte großen Spaß, wenn auch in den letzten Monaten zu wenig Zeit, an diesem Blog.

Das war‘s von mir.

Eji sandé

Tata Annika

Alle Namen der Kinder wurden geändert

Nachwort:

Und jetzt?

Tja, jetzt fängt für mich eine neue Zeit an.

Ein Praktikum ist in Planung, genaue Studienvorstellungen habe ich noch nicht.

Eine Einladung kann ich dafür trotzdem schon aussprechen.

Am 30. Oktober werde ich um 19.30 in meinem Heimatörtchen Stegen, im ökumenischen Zentrum einen Vortrag halten über mein Jahr, meinen Einsatz in Benin:

BUNTerwegs mit den Kindern der Sonne.

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