In eigentlich jedem zweiten Fantasy-Roman kommt es vor. Ein junger Held aus dem Lande, verlässt, aus fasslichen oder innerlichen Gründen seine Heimat und kommt in die große Stadt. Durch viele Erzählungen hatte der junge Held ein Bild von der Stadt. Groß und voller Wunderdinge, die man auf dem Land noch nie gesehen hat. Und vor allem wartet dort wohl Freiheit. Die Menschen dort haben es, so denkt der Held, viel besser und großes Glück dort zu leben. Dann kommt der Held in die Stadt und wird von ihr erschlagen von dem, wie es wirklich ist. Nichts ist wirklich so, wie er es sich ausgemalt hatte, er fühlt sich beengt und unwohl und ohne jedwede Freiheit.
Ich glaube ein wenig so wie einem dieser zahlreichen Helden ging es mir, als wir durch die vollen und lauten Straßen Madurais gingen, zumindest zeitweise.
Aber erstmal begann unsere Reise noch im ruhigen und friedlichen Vilathikulam und schlummerten tief und fest. Doch schon bald würde dies ein Wecker in großer frühe beenden.
Madurai für Dummies und Schlauies
Folgend habe ich mal ein paar Informationen aufgeschrieben, die ich aus diversen Reiseführern und Internetquellen habe, um Interessenten einen kurzen Überblick über die Stadt zu geben. Wer nur über unserer Reise lesen möchte, kann dieses Punkt auch gerne überspringen. Mehr als eine kurze Recherche ist das hier erstmal nicht.
Die Geschichte Madurais beginnt vor über zweitausend Jahren. Damit ist sie eine der ältesten Städte im Süden Indiens und gilt als das Zentrum für tamilische Kultur.
Die genauen Ursprünge sind aber nicht bekannt. Die Legende erzählt, das einst ein Farmer durch den Wald, der das Gebiet bewuchs, ging und dort auf Indra (Der König der Götter in der vedischen Religion, heute im Hinduismus ein wenig bedeutender Gott) traf, der ein selbst kreiertes Lingam (Symbol des Hindu Gottes Shiva) anbetete. Der Farmer berichtete dies seinem König und dieser entschloss, den Wald sofort nieder zu fällen und einen Tempel um das Symbol zu bauen. Dies geschah und bald begann dann sich eine große Stadt mit dem Tempel als Zentrum dort zu errichten.
Früh schon wurde die Stadt von Reisenden aus Rom oder Griechenland besucht, die einen regen Handel mit dem Pandya König hielten.
DiePandya waren eines der ersten frühen Königreiche Südindiens und Madurai war ihre Hauptstadt. Zu dieser Zeit sollte dort auch eine Akademie gewesen sein, die von vielen Dichtern besucht wurde, die die tamilische Dichtung pflegten und prägten, weshalb Madurai auch in vielen Literarischen Texten eine wichtige Rolle spielt.
Um das vierte Jahrhundert n. Chr. endete dann die Vorherrschaft der Pandya vorerst, da die Erzfeinde der Pandya, die Kalabhra, das alte Königreich eroberten. Im 12.Jahrhunder gelang es aber den Pandya das Land zurückzuerobern. Doch die Wiedererlangung wehrte nicht lang, denn kurz darauf wurde das Land vom Sultan von Dehli erobert. Diese islamistische Herrschaft währte aber auch nicht lange, da sie vom Hindu-Königreich Vijayanagar vernichtend geschlagen wurde. Die sogenannte Nayak-Dynastie währte dann, bis die Britten kamen und Indien einnahmen.
Durch dieses viele hin und her der Herrschaft soll die Stadt viel an verschiedenen Kulturen gewonnen haben, weshalb es heute eben als Zentrum für tamilische Kultur steht.
Heute ist Madurai mit etwa 1million Einwohnern die drittgrößte Stadt Tamil Nadus.
Hin-*
Wir standen am Bus-Stand von Vilathikulam und warteten. Und obwohl es bei uns im Projekt noch ruhig war und alle schliefen, als wir gerade eben das Gelände verlassen hatten, war hier schon etwas los. Busfahrer und Kontrolleure standen in Grüppchen auf dem Platz, die kleinen Kioskläden um den Platz waren schon alle geöffnet oder sind vielleicht sogar noch nie wirklich zu gewesen. Bisher war ich noch nicht spät in der Nacht am Bus-Stand, daher kann ich das noch nicht genau sagen. Einige Busse fuhren auf den Platz und verließen ihn wieder, nachdem Menschen ein- oder ausgestiegen sind. Aber ganz so besucht, wie am Tage, war es noch nicht, aber zumindest erwachte gerade alles zum Leben.
Dann kam unser Bus, der nette Kontrolleur, den wir nach dem richtigen Bus bereits gefragt hatten, machte uns auf diesen aufmerksam und unsere knapp zweieinhalb Stündige Fahrt immer geradeaus Richtung Norden begann.
Schönerweise hatten wir einen sehr bequemen Bus und ruhigen Busfahrer, weshalb die vielen Schlaglöcher und Betonwellen, zum Abbremsen des Verkehrs, auf den Straßen nicht allzu sehr auffielen und nur ein wenig für Hüpfpartien sorgten. Zu unserer linken und rechten zogen sich endlose grüne Felder in die Ferne. Die einzigen Anhebungen, waren künstliche große Erdhügel, die hier und da aus dem Boden stachen. Immer wieder kamen wir durch kleine Dorfe oder Dorfschaften und immer wieder hielt der Bus, um neue Leute einzuladen oder Personen dort abzusetzen. Meist war dies aber ein einsteigen, bis der Bus immer voller wurde, bis wir dann ein oder zweimal in eine größere Stadt kamen und der Bus danach wieder sehr leer war.
Irgendwann erreichten wir dann unser Ziel, Madurai.
Madurai im Schnelldurchlauf
Unser Direktor war so freundlich uns am Vortag, obwohl er gar nicht in Vilathikulam, sondern wieder einmal auf einer Besprechung war, uns bei den Salesianer Madurais anzumelden und eine Begleitung zu organisieren.
In Madurai nun also angekommen, nahmen wir uns dann ein Taxi, wurden dabei sogar nicht mal abgezogen, und cruisen durch engere und über breitere Straßen, mit dem Ziel „Hauptquartier der Salesianers Madurais“. Dort trafen wir auf unsere Ansprechperson, Begleitung und Reiseführer Godwin und auf David, der uns auch begleitet hat. Nach einer kurzen Stärkung mit Beuteltee, ungesüßt(!), ging es dann auch schon wieder zu viert rein in ein Taxi und ab zum Gandhi Memorial Museum.
In diesem war die Geschichte von der Britischen Herrschaft über Indien, bis zur Unabhängigkeit und der Lebensweg von Mahatma Gandhi und einigen anderen wichtigen Personen mit Texten und Bilder ausgestellt. Außerdem gab es dann noch einige alte Gegenstände von Gandhi, wie sein Hemd, das bei er bei seiner Ermordung getragen hatte. Da wir ja aber nur einen Tag Zeit hatten, uns aber sehr viel am Vormittag gezeigt werden sollten, saßen wir auch bald schon wieder in einem Taxi, mit einem für uns unbekanntem Ziel.
Wir fuhren ins Herz der Stadt, mitten in die Innenstadt. Da die um einen großen und bekannten Tempel gebaut ist, blitzt nun am Ende jeder Seitengasse dieser Tempel auf und erstreckt sich hoch in die Höhe. Bevor wir aber das hinduistische Bauwerk begutachten wollten, ging es erstmal zu einem chtistlichen Bauwerk, der Kathedrale von Madurai, die, wie viele Kirche hier, sehr bunt gehalten ist und von außen in den Farben blau und weiß strunzt. Jedoch blieb hier keine wirkliche Minute Zeit für eine richtige Besichtigung, denn das Taxi wartete und der Fahrer hatte uns eine Minute zugesprochen.
Dann ging es weiter, weiter hinein in die Innenstadt. Der nächste Halt sollte der Thirumalai Nayak Palace aus der Nayak-Dynastie sein. Natürlichen zahlen Ausländer hier einen höheren Eintrittspreis und Fotos machen wird auch nochmal extra berechnet. Dann ging es hinein, durch einen Metalldetektor, der bei jedem, der dort durchging, piepste, aber das interessierte auch irgendwie keinen. Nachdem wir den prunkvollen Palast dann durchlaufen und besichtigt hatten ging es weiter, nun zu fuß, quer durch die Innenstadt. Erst noch durch kleine Gassen, dann aber raus auf offene Straßen voller Autos, Menschen, Lärm und Müll. Es war, wie ich fand, unglaublich anstrenged und auslaugend, sich durch diese Mengen zu wühlen. Für meinen Geschmack war es viel zu voll und viel zu laut. Überall hupte oder bimmelte es. Es war einfach nur unglaublich beengend und nervtötend. Als wir da
so durch die Innenstadt liefen war ich einfach nur unglaublich froh, dass Vilathikulam eine Kleinstadt und nicht ansatzweise so wie die Innenstadt Madurais ist.
An einer Ecke direkt an einer lauten und vollen Kreuzung machten wir dann eine Pause, um Jigarthanda zu probieren. Jigarthanda ist ein kaltes Getränk das aus Madurai kommt und natürlich nur dort wirklich gut schmeckt. Leider konnte ich persönlich das Getränk aber nicht wirklich genießen, auch wenn es unglaublich lecker und erfrischen war, aber mir war es dort einfach viel zu voll, laut und stickig.
Dann erreichten wir irgendwann den Tempel, doch leider ist dieser mittags geschlossen und so mussten wir uns damit begnügen, den Tempel einmal zu umrunden und von außen die hohen Türme zu betrachten, die übersäht sind von feinsten und kunstvollen Statuen.
Als wir um die dritte Ecke des Tempels bogen, sprach uns auf einmal ein freundlicher Inder an, der meinte, er habe eine Zeit lang in Deutschland studiert. Er meinte, wir können aufs Dach eines nahen Gebäudes und von da aus in den Tempel blicken. Wir folgten seinem Rat, betraten das Gebäude und stiegen eine lange Wendeltreppe hinauf, die durch Räume voller kunstvollster Gegenstände führte, ein Laden oder eigentlich ein Museum, in dem man Stunden verbringen könnte, nur im immer noch vieles nicht wirklich betrachtet zu haben. Vom Dach konnten wir dann etwas in den Tempel blicken, wenn auch viel durch dichte Bäume versperrt war.
Dann verließen wir den Tempelplatz wieder, um in einem nicht leeren Seitenweg auf ein bestelltes Taxi zu warten. Ein Taxi zu bestellen ist um einiges billiger als eines direkt von der Straße zu nehmen. Nachdem wir eine ganze Zeit gewartet haben, gingen wir dann ein Stück weiter, warteten dann an einer größeren Straße und irgendwann stiegen wir dann alle in eine Art Bustaxi. Lustigerweise kannte David die Tochter, die mit ihrer Mutter bereits im Taxi saß.
Ein königliches Mittagsmahl
Nach einer kurzen Fahrt erreichten wir dann wieder das Hauptquartier der Salesianer. Jedoch blieben wir keine Minute, sondern zwängten uns zu viert auf ein kleines Motorrad und los gings, raus in den Straßenverkehr Indiens, ohne genau zu wissen, wohin wir jetzt schon wieder geführt werden.
Nach wenigen Minuten hielten wir dann wieder bei einer kleinen Gruppe Jugendlichen und einer jungen Kuh. Nach ein paar freundschaftlichen Worten führte uns Godwin dann weiter die Straße hinauf, hin zu einer Hochzeit. Er kannte wohl irgendwie den Bräutigam und daher essen wir jetzt da.
Wir wurden an eine lange Tafel gesetzt, uns wurde ein Palmblatt vor die Nase gelegt und dann wurde geschaufelt. Jede Menge Reis, Soßen und verschiedenste andere Dinge, wie Gemüse und Fleisch. Ich gebe sogar zu, einige dieser Dinge waren sogar so gut, dass sie selbst die Kochkunst unserer Köchin in Vilathikulam übertrafen und das ist keine einfache Aufgabe.
Und sobald man etwas aufgegessen hat, kamen sofort wieder Leute mit Eimern angewatschelt und wollten wieder schaufeln und nur mit Mühe war dies zu verhindern.
Mit Bäuchen die über den Rand gefüllt waren saßen wir dann noch einige Zeit dort und beobachteten das Brautpaar beim Fotos Machen mit niemals endenden Ver- und Bekannten.
Nachdem wir dann überzeugt wurden, auch noch ein Foto zu machen, stapelten wir uns wieder auf dem Motorrad undfuhren zurück zum Hauptquartier.
Fußball mit der untergehenden Sonne
Dort wartete mittlerweile eine kleine Gruppe Jugendlicher, die uns sogleich neugierig umringten. Gemeinsam warteten wir dann und mit der Zeit kamen immer mehr, denn das Fußballtrainig des 1.FC Madurais stand an und wir sollten mit dabei sein. Ganz stolz verkündigten sie uns, dass ihr Team sogar gesponsert wird.
Nachdem dann alle da waren ging es dann mit dem Motorrad zu einer Don Bosco Schule am Rand der Stadt. Von der Fülle der Stadt war dort nichts mehr zu sehen. Nur wir, das Fußballteam, Benni, Ich und die zum Horizont wandernde Sonne (und vielleicht ab und an ein kleiner Laster der vor einer Betonschwelle abbremste und danach wieder schneller wurde). Dort erst entspannte sich mein Körper wieder richtig, von der enge der Stadt.
Dann ging es ans Trainieren, erst im Kreis verschieden den Ball hin und her kicken, dann wurde gespielt, bis die Sonne untergegangen war. Erschöpft, aber glücklich saßen dann alle wiederim Kreis auf dem Boden.
Und dann, dann stand der Rückweg an.
*-und wieder zurück
Mit dem Motorrad ging es zurück zum Bus-Stand, für uns wurden einige Worte mit ein paar angestellten Gewechselt, nur um uns dann mitzuteilen, dass unser Bus gerade abgefahren sei und der nächster erst in über eine Stunde fahren würde. Nachdem wir ihm ein paar Mal versichert haben, wir schaffen das ab hier dann auch allein, fuhr unsere Begleitung dann wieder ab und wir machten es uns mit eine Cola und ein paar Keksen am gemütlich und warteten auf unseren Bus.
Schneller als gedacht war die Zeit dann auch gekommen und unser Bus kam. Um uns hatten einige mitbekommen, dass wir auf den Bus nach Vilathikulam warten und als er dann herbei fuhr, wurden wir von vielen Seiten freundlich darauf aufmerksam gemacht, das er nun da war. Also stiegen wir ein, machten es uns gemütlich und die Rückfahrt durch die Nacht begann. Zu Beginn war in den Läden der Ansiedlungen durch die wir kamen, noch Betreib, doch wie die Zeit verging, wurde dann irgendwann vor den Läden gefegt, alles nach innen geräumt und am Ende war alles fest verriegelt und geschlossen.
Einmal kamen wir an einer durch Fackeln beleuchteten Prozession vorbei, bei der eine Götterstatue, die oben auf einem kleinen Bus befestigt war, angebetet wurde. Es war der letzte Tag eines drei Tage langes hinduistischen Festes.
Und dann waren wir wieder zurück. Zurück in Valiathikulam und es war leer. Im Vergleich zu Madurai schien es, als sei die Menschheit ausgestorben. Nahezu niemand war zu sehen. Und die vielen kleine Stände um den Bus-Stand sind wohl doch Nachts geschlossen. Wir erreichten unser Projekt Vembu, in dem die Salesianger gerade mit einigen Schwestern, die zu besuch waren, am Tisch saßen. Müde, doch hungrig, setzten wir uns dann noch dazu, bevor ein Tag zu ende ging, der so viel mehr brachte, als auch nur zu erahnen war, aber ein wunderschöner Tag, voller neuer Erfahrungen, die ich nicht missen möchte.
Auf bald,
Lukas
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Literaturverweise
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