Es ist Nacht. Auf den Straßen bewegt sich keine Menschenseele. Vilathikulam schläft. Zwei Kundschafter ziehen langsam die Straße entlang. Zwei Brüder, gar Zwillinge. Die Garde des Fürsten. Vorsichtig achten sie auf jedes Detail, sind höchst aufmerksam. Dreimal recken sie ihre Köpfe in die Höhe, als laute Rufe durch die Luft schallen. Doch keine Gefahr ist in der Nähe. Alles ist ruhig. So wie sie auf einmal da waren, verschwinden sie auch wieder.

Es ist Nacht. Auf den Straßen bewegt sich keine Menschenseele. Vilathikulam schläft. Dann kommen sie. Langsam schreiten sie die Straße entlang. Ganz allein, zu zweit. Der Fürst und die Fürstin. Sie haben es nicht eilig. Voll Erhabenheit ziehen sie Seite an Seite an den Häusern entlang. Alles ist ruhig. Sie finden einen Platz der ihnen gefällt. Die Fürstin setzt sich, der Fürst umkreist sie einmal. Dann bleibt er auf einmal stehen, seine Muskeln beginnen zu zucken. Er wittert etwas.

Auf einmal erschallt ein lautes Geschrei aus einer Straße ihnen gegenüber. Der Fürst baut sich in all seiner Größe vor der Fürstin auf. Alle Muskeln angespannt. Voller Kraft und einschüchternder Schönheit steht er da, wachend vor der Fürstin und starrt entschlossen in Richtung der Straße gegenüber.

Auch andere Tiere lassen sich es sich in Vilathikulam gut gehen.

Das Geschrei kommt näher. Groß und weiß steht es da, ein Stück weit in der Straße. Seine Rippen drücken sich kantig mit aller Kraft gegen die glatte Haut, als wollen sie herausbrechen. Seine Ohren sind wie spitze Hörner und ragen steil in die Höhe. Unentwegt brüllt er alles was er aufbringen kann dem Fürsten entgegen. Doch dieser steht unbeeindruckt da. Keinen Zentimeter rührt er sich. Ein urgrimmiges Knurren kommt aus seiner Kehle, ohne dass er sich die Mühe macht, seinen Mund auch nur zu bewegen. Immer wieder brummt er so seinem Gegenüber seine Abneigung und Warnung entgegen.

Und das langsam wird das Gebrüll weniger, bis es ganz verstummt. Langsam aber sicher zieht sich der weiße Schatten zurück. Der Fürst entspannt sich wieder und lässt sich neben der Fürstin wieder, die sich nun auf den Boden legt. Die Nacht vergeht. Die Sterne wandern. Kein anderer wagt es, die Beiden zu stören.

Dann steht der Fürst wieder auf, geht ein Stück die Straße entlang und verschwindet in einen Busch, um seine Notdurft zu verrichten. Dann steht er wieder auf der Straße und blickt der Fürstin entgegen. Langsam erhebt sie sich und trabt zu ihm. Gemeinsam schreiten sie die Straße entlang, in Richtung Monduntergang.

Auf einmal ist Luft nicht mehr leer. Aus einer Seitenstraße strömt der Rest des Hofes zu ihrem Fürsten. Einer von ihnen humpelt. Sein linkes Vorderbein ist verkrüppelt, sein Fell ein helles braun, auf seiner Nase ein weißer Strich.

Prüfungszeit

Neben kleinen Beobachtungen wie diesen, war der März aber vor allem von den Abschlussprüfungen der Jungs geprägt.

Auch in der Grundschule waren wir fleißig. Wir organisierten ein Briefprojekt und tauschten Briefe zwischen unseren Grunschulkindern und Kindern in Deutschland.

Gleich am ersten März ging es los für die Zwölfer. Ein letztes „All the best“ und die drei machten sich auf den Weg zur Schule, während die restlichen Jungs im Projekt blieben. Während den Prüfungen hatten die anderen Stufen keine Schule. Dafür hieß es für sie wieder „Studytime“, während wir uns auf den Weg in zur Grundschule machten.

Als wir zurück ins Projekt kamen, warteten dort die Zwölfer bereits und erzählten von ihren Prüfungen. Die anderen Jungs waren bereits zur Schule aufgebrochen.

Als die Prüfungen der Zwölfer fast vorüber waren, begannen die der Elfer und Ende März die der Zehner. Im Projekt war daher nun eigentlich ständig was los. Entweder waren Jungs da, weil andere Stufen gerade am Prüfung schreiben waren, oder weil sie am nächsten Tag eine haben würden.

Wir waren daher quasi ständig gefragt. Wenn wir aus den Grundschulen kamen, wurden wir schon von, durch das viele lernen, langen Gesichtern erwartet und wehe wir waren nicht pünktlich zum Volleyballspielen wieder unten.

Dieses Volleyballspielen war überhaupt das Ding schlecht hin. Nichts anderes wurde mehr gespielt. Und nicht selten kamen die Brothers, Leute aus der „Press“ oder Mitarbeiter aus dem Büro mit hinzu. Bald brachten zwei der Jungs auch noch ihre Freunde aus ihrer Schule mit, die Teilweise auch Ministranten bei uns sind, und so war das Feld nicht selten so voll, dass jeder Quadratmeter abgedeckt war.

Doch Mitte März änderte sich dies, denn die Zwölfer hatten alle Prüfungen überstanden und gingen daraufhin nach Hause. Bald darauf folgten die Elfer und so waren wir nur noch zu siebt (mit Volos).

An den Tagen zwischen ihren Prüfungen waren sie sehr oft den ganzen Tag im Projekt und mehr als einmal blieben auch wir, um ihnen beim Lernen zu  helfen und  Gesellschaft zu leisten. Irgendwann kamen die fünf auf die Idee, dass sie sich ja selber Milchtee machen könnten und bald hatte jeder einmal Milch gesponsert.

Dann waren aber auch die Prüfungen der letzten vorbei. Doch das bedeutete, dass noch einmal alle zusammen kamen. Für die große Abschlusstour.

Das letzte Mahl

Es war der Abend nach der letzten Prüfung der Zehner. Ein letztes Mal kamen nach und nach alle Jungs wieder zusammen. Voll war wieder das Haus.
Voller Jungs und voller Worte.

Um neun gab es dann das große Festessen. Parotta, Chicken und Biryani.

Auf nach Rameswaram und über die Brücke.

Am nächsten Morgen stand schon der Bus bereit und bald war er auch gefüllt bis zum letzten Platz. Es ging nach Rameswaram. Der Ausläufer Indiens, der am nächsten an Sri Lanka liegt. Bei gutem Wetter und klarer Luft könne man bis nach Sri Lanka sehen, wurde uns gesagt.

Dann setzte sich der Bus auch schon in Bewegung. Drei Stunden und einen Film später waren wir am Ziel.

Links und Rechts von uns war das Meer. Dann kam eine große Brücke, die das Festland mit der Insel Verband. Mitten auf der Insel stoppten wir, um in das tiefe Wasser herab zu blicken. Ein Zug fuhr die Eisenbahnbrücke, ein Stück abseits der Brücke, entlang. Nach ersten Selfies ging es weiter. Immer gerade aus. Eine schier endlose Straße entlang, links und rechts von uns das Meer. Dann erreichen wir unser erstes Ziel. Mittlerweile ist es Mittag. In alle Richtungen ist Meer zu sehen, doch Sri Lanka ist nicht zu erkennen. Wir gingen einige Stufen ans herab. Wieder wurden viele Bilder gemacht, während wir im Wasser standen.

Dann ging es weiter. Ein Stück die Straße zurück. Einst standen dort viele steinerne Häuser. Doch nach einem starken Zyklon, sind von diesen nur noch Ruinen zu sehen. Heute besteht die Ansiedlung aus kleinen Ständen aus Holz und Palmblätter, die Allerlei für die Touristen anboten. Auch unsere Jungs kauften die eine oder andere Kette. Nach einem Selfie vor Ruinen einer Kirche ging es wieder in den mittlerweile sehr warmen Bus. Wir fuhren zu einem kleinen Waldstück, um zu Mittag zu essen. Das gemütliche Essen wurden aber mehr zu einer Schlacht gegen die Ziegen, die uns teilweise die Teller aus den Händen klauten.

Nachdem sehr schnell beendeten Essen ging es dann zu unserem letzten Halt. Einem Strand. Während die Sonne hinter den Baumwipfeln langsam immer tiefer sank, tobten wir im Wasser, müssen aber leider den Verlust eines Balles melden.

Links und Rechts die neuen Läden, in der Mitte die Reste der Kirche.

Dann ging es wieder zurück. Erneute drei Stunden, einen Film und einen Zwischenstopp zum Abendessen später, waren wir wieder Vilathikulam und alle gingen erschöpft zu Bett.

Am nächsten Morgen verließen die Jungs dann Vembu und viele würden nicht mehr wieder kommen.

So endete unser Abenteuer mit den Jungs. Es endeten all die vielen Stunden Volleyball, all die vielen Stunden des fleißigen Lernens, all die immer wieder kehrenden Worte „Please, be silent.“ und all die gemeinsam geleerten Tassen Tee. Eine sehr schöne Zeit.

Weitere Ereignisse

Doch ganz für sich, hatten die Jungs den März dann doch auch nicht.

Eines Abends beispielsweise meinten die Fathers überraschend zu uns, „macht euch bereit, wir fahren gleich los und essen heute außerhalb in einem Dorf.“ Indische zehn Minuten später saßen wir dann auch schon im Auto und fuhren aus Vilathikulam heraus. Irgendwann bogen wir rechts ab und waren auf einmal von Feldern umgeben. Aber immer noch auf einer, zwar sehr hügeligen, aber asphaltieren Straße. Immer weiter fuhren wir an den Feldern entlang. Immer wieder kamen wir durch kleine Dörfer, die wir aber alle hinter uns ließen. Dann endete die Asphaltierte Straße und über Erde und Gestein ging es holpernd weiter. In der Ferne waren vereinzelte Lichter in der Nacht zu erkennen. Ansonsten waren da nur wir und das Licht unserer Scheinwerfer. Dann erreichten wir unser Ziel. Ein kleines Dorf, das, wie viele andere Dörfer, zu unserer Gemeinde gehörte. Wir wurden in eine Kirche geheißen und feierten einen Gottesdienst. Dann gab es Essen. Parotta, Idli und verschiedene Beilagen.

Eines anderen Tages machten wir uns mit den Fathers auf den Weg in ein nahes Don Bosco Projekt in Sayalgudi. Das Projekt, bei dem wir, auf meinem Weg nach Vilathikulam im Oktober eine Pause einlegten. Es war der Jahrestag des Projektes und gab es eine große Feier. Das Schöne daran war aber nun, dass das Programm nahezu komplett auch auf Englisch gehalten wurde. So konnten wir endlich mal die ganzen Reden, voller blumiger Adjektive verstehen. Das zweite schöne an der Funktion war, sie ging keine Ewigkeit. Die Schüler der Grundschule tanzten und führten Theaterstücke unter anderem gegen die Verschmutzung der Umwelt auf. Auch eine Karategruppe der Schule zeigte ihr können. Verschiedene Wichtigkeiten hielten reden, aber alles hielt sich im Rahmen. Dennoch meinte unser Direktor auf der Rückfahrt zu, das Programm dauerte viel zu lang. Dabei war es nicht ansatzweise so lang, wie die Veranstaltungen Vembus.

Die Demonstration beginnt.

Anfang März war außerdem der Welttag der Frau. An diesem Tag lud Vembu ein, um gegen Sexuelle Gewalt gegenüber Frauen zu demonstrieren. Da hierfür die Gebäude in Vilathikulam zu klein sind, fand die Demonstration und das Anschließende Programm und Essen in einer nahen Stadt statt. Los ging es bei einem Denkmal eines berühmten Tamilischen Dichters. Langsam rollten immer mehr Busse an und der Platz füllte sich. Es wurden Schilder ausgeteilt, dann ging es los. Einmal quer durch die Stadt. Dann ging es wieder hinein in die Busse und auf nach Keela Eral. Es folgte ein Programm, bei dem herzlich gelacht wurde und eine Richterin motivierende Worte sagte und den vielen Frauen ihre Rechte klarmachte. Gut gelaunt ging es dann zum Essen und anschließend wieder nach Hause.

Lang zieht sich die Schlange durch die Stadt.

Nachdem wir uns im März also von den Jungs verabschiedet hatten, endete Anfang April dann auch die Grundschule und es die Sommerferien begannen.
Doch davon berichte ich das nächste Mal.

Auf bald,

Lukas


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