Ostern ist vorbei und ich bin wieder alleine. Da die Schulpflicht rief, musste meine Schwester mich leider letzten Samstag wieder verlassen. Der Abschied fiel aber nicht so schwer, denn wir sehen uns ja bald wieder. In 3,5 Monaten, um genau zu sein. Das macht noch 15 Wochen und langsam bekomme ich Angst, dass ich all die Dinge, die ich hier noch vorhabe, in dieser kurzen Zeit gar nicht mehr schaffe. Besonders, weil ich im Moment kaum eine freie Minute habe, weil es so viel zu tun gibt. Nicht, dass ich mich darüber beschweren wollte, den Großteil der Arbeit suche ich mir selbst, aber die Zeit vergeht dadurch umso beängstigender.

Was ich denn so viel zu tun habe? Ich gebe euch einen kurzen Abriss der vergangen Woche, dann könnt ihr euch einen eigenen Eindruck machen:

Ich arbeite immer noch, wie gewohnt, vormittags im Maison du Soleil. Dort haben wir in der letzten Woche sechs neue Babys bekommen. Das heißt aber auch jede Menge Arbeit, denn die Neuen schreien natürich noch sehr viel. Besonders Kuduz, der mit seinen 10 Moanten ohenhin ein schwieriges Alter hat, schreit nicht nur ununterbrochen (egal ob auf den Arm, dem Rücken oder dem Boden), sondern auch in einer absolut trommelfellzerfetztenden Lautstärke. Außerdem weigert er sich beharrlich zu schlafen, welhalb das Geschrei vier Stunden am Stück den Morgen versüßt. Aber das wird mit der Zeit hoffentlich besser werden. Sonst muss ich den Armen irgendwann notgedrungen knebeln.

Auch neu, ist Deo Gratias (ja, er heißt wirklich „Gande Gottes“). Er dagegen ist sehr ruhig und sehr süß, ist fünf Monate alt und macht eigentlich keine Probleme. Nur dass er letzte Woche leider krank war und dementsprechend viel Zuneigung brauchte. Auch neu ist Jules. Er ist 2 Jahre alt und sitzt im Moment nur weinend in der Ecke und fragt nach seiner Mama. Zwar spielt er auch mit Salomon und mir Fußball, wenn man ihm eine Weile gut zugeredet hat, aber sobald man ihn eine Minute nicht beschäftigt, kommen auch schon wieder die Tränen. Unserer anderen drei Neuzugänge waren dann eher eine seelische, als eine körperliche Belastung. Da ist das Mädchen, das mit einem einen Tag alten Säugling zu uns kam, den sie auf dem Hof der Polizeidienststelle bekommen hatte. Ganz alleine, denn sie hat niemanden in Cotonou. So kam sie dann ins Maison du Soleil, mit einem winzigen Baby, das noch nicht einmal einen Namen hat und ein viel zu geringes Geburtsgewicht hatte. Vermutlich weil seine Mutter während der Schwangerschaft nicht ausreichend zu Essen hatte. Aber wenigstens sind beide wohlauf und können fürs erste bei uns bleiben. Einen bleibenden Eindruck hinterlassen, hat bei mir aber die Ankunft der Zwillinge Mael und Maela. Beide sind 11 Monate alt und wiegen unglaubliche 5kg und 3kg. Die Ärmchen und Beinchen sind so dünn, dass man Angst hat sie zu zerbrechen. Die Augen sind riesig in dem winzigen Gesicht und sie können weder Krabbeln noch Kriechen. Maela kann ncoh nicht einmal selbst den Kopf halten. Als Vergleich dazu Chantal, die 9 Monate alt ist: sie kann krabbeln, ist ungefähr soppelt so groß wie die Zwillinge und brabbelt schon fröhlich vor sich hin. Der Grund für diese extreme Unterernährung ist vermutlich und so schlimm es klingt, schlicht und einfach Vernachlässigung. Um die beiden wieder einigermaßen aufzupäppeln, wurden sie und ihre Mutter fürs erste in ein Zentrum weitergeleitet, das sich auf unterernährte Kinder spezialisiert hat. Das waren also meine Vormittage. Die Nachmittage bin ich ja auch im Maison du Soleil oder im SOS. Zusätzlich dazu helfe ich jetzt auch im Büro des Maison de l’Espérance mit, denn dort gibt es zur Zeit sehr viel zu tun und die Ökonomin ist hoch schwanger und bald im Mutterschutz. Natürlich hole ich außerdem noch zweimal in der Woche die Kasse in der Boutique Rose ab und helfe einer Schwestern bei der Vorbereitung ihres Unterrichts, indem ich Materialien bastele. Nebenbei ist abends noch Spielen im Foyer angesagt und zweimal in der Woche Englischkurs, um mich auf meine Studium vorzubereiten. Von den Bergen an Wäsche, die gewaschen werden wollen, fange ich jetzt gar nicht erst an.

Ihr seht, einiges zu tun. Und trotzden, oder gerade deshalb, bin ich sehr glücklich und zufrieden und genieße eine halbe Stunde Ruhe umso mehr.

Was gibt es sonst noch zu berichten, außer mein alltägliches Chaos? Der gestrige Tag ist glaube ich  noch erwähnenswert.

Gestern fand in der Schule Laura Vicuna ein so genannter „Jouneé de spiritualitée“ statt, bei dem wir Volontäre auch „eingeladen“ waren. Ablehenen konnten wir aber eher nicht 🙂

Also waren wir brav um acht Uhr am Tor, um mit dem Bus loszufahren, nur dass außer uns noch niemand da war. Wir hatten vergessen, dass man bei beninischen Zeitangaben immer mindestens eine Stunde dazurechenen muss, wenn man nicht ewig warten will. Letzteres taten wir dann auch und trauerten dabei um die Stunde Schlaf, die uns so verloren gegangen war. Als wir dann aber um 9.10 Uhr endlich alle vollzählig waren, ging es los. Mit einem Bus, der so voll war, dass einige Schüler auf Plastikhockern im Mittelgang sitzen mussten. Bei deutschen Verkehrsregeln natürlich nicht einmal denkbar. Aber die Gefahr eines Unfalls war nicht allzu groß, denn wir fuhren den Großteil der Zeit hinter einen riesigen Lastwagen her, der uns zu einem sehr schneckigen Schneckentempo zwang. Deshalb brauchten wir für die eigentlich nicht besonders lange Strecke in einen der Vororte von Cotonou, doppelt so lange wie geplant. Der Bus war natürlich nicht klimatisiert.

Angekommen verlief der Tag wie folgt:

  1. Gebet
  2. Probleme mit dem Beamer
  3. Improvisiertes Gespräch über Freundschaft und ihren Wert
  4. Film über Maria Mazzarello (nur bis zur Hälfte)
  5. Mittagessen in Form von Picknick auf dem Hof
  6. Mittagsschlaf
  7. Probleme mit dem Beamer
  8. Film über Männer und Frauen und den kleinen Unterschied (abgebrochen, weil alle Schüler schliefen)
  9. Stattdessen ein schrecklicher, ziemlich amerikanischer Spielfilm
  10. Aufräumen
  11. Rückfahrt

Sehr spirituell!

Allerdings muss man sagen, dass wir wenigstens gut mit den Schülern ins Gespräch kamen. Besonders auf der Rückfahrt. Denn wegen eines Marathons, war einfach kurzerhand die Hauptstraße Cotonous (die übrigens auch die Hauptverkehrsachse von Lagos nach Abijan ist) für den Verkehr gesperrt. Die Folge: Wegen ein paar Verrückter, die bei dieser Hitze einen Marathon laufen wollen, brauchte der Bus für die Strecke vom Stade de l’Amitié bis zu uns statt fünf Minuten, eine Stunde. Eine sehr heiße Stunde! Aber gut, Warten ist so eine Art arikanischer Sport 🙂

Warten!

Mittagessen

Heißer Bus!

Abends belohnten wir uns dafür mit einem Konzert. Im französischen Kuturzentrum lief nämlich bis gestern die semaine culturelle allemande, die mit einem Gratiskonzert beschlossen wurde, bei dem unter anderem auch Sessimé auftrat, die wir ja schon auf einem Konzert im September gesehen hatten und die einfach geniale Musik macht.

Eine ereignisreiche Woche!

P.S.: Ach ja, die Regenzeit beginnt bald und die Moskitos werden schon mehr. Ein Grund seine Beine abends zu schützen…