Henriette in Benin

Komm mit mir ins Abenteuerland

Meine täglichen Wege durch Cotonou

Das Leben in Cotonou findet zum Großteil auf der Straße statt. Auf meine tägliche Strecke zu der Vorschule in La Dji möchte ich euch heute gerne mitnehmen.


Es ist 7:30 Uhr. Noch in der angenehm kühlen Morgenluft setze  ich mich mit Schwester Cristina und Lea ins Auto und fahre Richtung Maison de l’Espérance. Bevor es aber in das richtige Straßengetümmel geht, betet Schwester Cristina erst mal für eine gute und sichere Fahrt. Und dann düst die Kolumbianerin durch den wilden Verkehr, schert auf die andere Straßenseite aus und überholt als Geisterfahrerin die hupenden Motos und Blechkisten.


Nach einer 20 minütigen Fahrt lasse ich mich dann an einer Kreuzung rauswerfen. Die beiden anderen fahren weiter bis zum ME, während ich mich auf meinen dreißigminütigen Fußmarsch nach La Dji begebe.
Noch wird das Straßenbild von gelben Mototaxis dominiert und die Straße ist asphaltiert. Nach fünf Minuten laufe ich über eine kleine Brücke einer der vielen offenen Kanäle, die Cotonou durchziehen. Gefüllt mit Müll und Fäkalien sondert der einen strengen Gestank ab. Rechts und links von dem Kanal stehen Mototaxis, auf denen sich die Fahrer zum Schlafen niedergelegt haben. Hinten sehe ich einen Mann, der in den Kanal pisst.

Nun verlasse ich das Quartier Hinde und komme in das Quartier Dji Dje. Hier hören die asphaltierten Straßen auf und ich setze meine Füße auf Sandboden. Schulkinder mit brauner Uniform laufen mir über den Weg, Frauen mit Körben starten in ihren langen und anstrengenden Arbeitstag auf dem Markt, Mütter kochen Frühstück am Straßenrand, Kinder die nicht in die Schule gehen, fegen die Straße oder präparieren ihre Verkaufskörbe, Männer schleppen Sachen durch die Gegend oder sind am Frühstücken.

Ein Gewusel also und ich mitten drin. Ich grüße die Menschen mit einem „A fon ganji à?“ was übersetzt „Guten Morgen, wie geht es dir“ bedeutet. Ich laufe geradeaus die sandige Straße entlang. Die Häuser bestehen nicht mehr aus Beton, langsam dominieren Wellblechhütten das Bild.

Kinder auf den Straßen rufen mir „Yovo, Yovo bon soir, ca va, ca va bien merci“ hinterher und begleiten mich ein kleines Stück auf meinem Weg. Natürlich ist die Weiße jetzt schon bekannt und so ist das misstrauische gegenseitige Anstarren zu Beginn durch Winken und Anlächeln ersetzt worden. Auch das Yovo wurde von so manchem durch Tata abgelöst. In einem Land, in dem ich immer durch die Hautfarbe heraussteche, kann ich also doch von einer Fremden zu einer Freundin oder wenigstens Bekannten werden.

Ein Eimer mit einer dunklen Brühe wird vor mir ausgekippt. Schnell weiche ich aus und ein „doucement“ wird mir noch entschuldigend von der jungen Frau hinterhergeworfen.
Eine Kanalisation gibt es hier nicht und so landen die Extremente eben auf der Straße.

Die Farbe unter meinen Füssen färbt sich schwarz. Ich laufe an einem Köhler vorbei, vor dessen Haus sich die Säcke gefüllt mit Kohle stapeln. Männer laden die 100 Kilogramm schweren Säcke aus einem Lastwagen. Der Schweiß rinnt. Ich rufe ihnen ein „Koudazô“ zu, was so viel wie „gutes Arbeiten“ heißt.

Je weiter ich mich fortbewege, begegne ich immer weniger Motos und selten sieht man hier noch  Autos.

Ich befinde mich immer noch in der größten Stadt Benins, aber hier in den Elendsvierteln ist von der Wirtschaftsmonopole nichts mehr zu spüren. Auch weniger Menschen treffe ich an, denn alle zieht es zum Arbeiten auf den Markt.


Ich biege um die Ecke und mein Herz bleibt jeden Tag aufs Neue stehen:

Ein riesengroßes Plastikmeer erstreckt sich vor mir. Nicht selten wühlen Müllkippenkinder in den Häufen, um nach Essbarem oder wiederverwendbaren Dingen zu suchen. Auch Schweine, Hühner und Ziegen versuchen zwischen den Plastiktüten Essensreste zu finden. Giftige Rauchwolken von brennendem Unrat steigen in den grauen Himmel.

Dürftig werden Stromkabel an Pfosten über La Dji gespannt, doch die wenigsten haben hier Strom. Fließend Wasser gibt es nicht. Ich biege um die letzte Ecke und stehe vor meiner Arbeitsstelle. Eine Holzhütte auf Stelzen in der mich Tata Caroline und 32 Kinder erwarten.

Die Vorschule Espace Eveille in La Dji

Nachmittags laufe ich denselben Weg zurück, nur noch zehn Minuten länger und in brüllender Hitze bis ich im Maison de l’Espérance eintreffe.

Oft wurde mir die Frage gestellt „Wieso läufst du denn? Gibt es keine Motos die dort hin fahren?“ Natürlich könnte ich mich bequem auf ein Moto setzen und durch die Quartiere düsen. Ich könnte meine Augen vor dieser Armut verschließen und müsste nicht an den Kloakenpfützen und stinkenden Rauchwolken vorbeilaufen.
Aber ich nehme meinen täglichen Weg durch die Quartiere gerne auf mich. Wann sonst hätte ich die Gelegenheit, das arme beninische Leben so hautnah zu erfahren? Und wenn ich den Menschen schon nur durch mein tägliches Winken eine Freude machen kann, würde ich es auch nie anders machen wollen.

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  1. Saskia

    Heyyooo,
    Ich finde du hast diesen Blog Eintrag wirklich sehr anschaulich beschrieben und es erinnert mich so sehr an meinen 3,5 km Weg jeden Tag in die Arbeit und abends wieder heim. Gerade in solchen Situationen lernt man so so viel und kann so viel beobachten, was man bei einer Taxifahrt niemals könnte.
    Ich finds richtig schön das von jemand anderem aus einer anderen Stadt auch so zu lesen:)

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