Tobi in Česko

Weiter unterwegs im Geiste Don Boscos

Gastarbeiter des Herrn?

Ahoj liebe Leser!

Nach einiger Zeit der Stille auf meinem Blog, melde ich mich heute mit einem neuen Beitrag bei euch.

Und zwar geht es diesmal um das Thema „Religion“.

Ursprung des Textes:

Auf meinem ersten EFD-Seminar hier in Tschechien wurden wir Volontäre gebeten kurze Informationstexte für ein kleines „Booklet“ zu verfassen. Und zwar für zukünftige Freiwillige, die in die tschechische Republik kommen. Oder die bereits vorhandenen Texte zu aktualisieren. Dieses „Booklet“, wurde von der „National Agency“ zusammengestellt. Es soll den neuen Volontären vor Allem den Anfang in dem fremden Land erleichtern.

Ich war der einzige Volontär war, der in einer religiösen Organisation oder Gemeinschaft arbeitete und lebte. Deshalb hatte ich einen gewissen Bezug zu dem Thema. Ich erklärte ich mich dazu bereit, einen Text über das Thema Religion zu verfassen. Besser gesagt zu aktualisieren, da ich zufällig und glücklicherweise schon eine sehr gute Vorlage eines deutschen Volontärs hatte. Dieser war ebenfalls vor sieben Jahren hier bei den Salesianern als Volontär tätig.

Dadurch, dass das „Booklet“ von internationaler Natur ist, musste ich den Text natürlich auf Englisch verfassen aber ich habe den fertigen Text nun für euch sozusagen zurück ins Deutsche übersetzt, und das Folgende, die etwas gekürzte Version, ist daraus geworden. Es kann sein, dass das Ganze ein Bisschen wie ein Sachtext klingt, aber am Ende des Beitrages werde ich auch noch meine persönlichen Gedanken zu dem Thema äußern.

Wenn man sich die Statistiken zur Religionszugehörigkeit in der Tschechischen Republik ansieht, so kann man direkt erkennen, dass die Bevölkerung dieses Landes hauptsächlich atheistisch ist:

Volksbefragung:

Eine Volksbefragung im Jahre 2011, bei der auch die Religionszugehörigkeit ein Thema war, stützt diese These: 34,5 Prozent der gesamten Bevölkerung (heute ungefähr zehn Millionen Menschen) gaben an, „keine Religion“ zu haben. Sogar noch mehr Menschen, in Zahlen 44,7 Prozent gaben auf die Frage nach ihrer Religionszugehörigkeit keine Antwort. Deshalb lässt sich nicht ganz sicher sagen, ob die Menschen in dieser Gruppe wirklich komplett atheistisch sind, oder ob sie sich einfach nur nicht zu ihrer Beziehung zu etwas Spirituellem äußern wollen. Vielleicht wollen diese Menschen aber auch nicht in eine institutionalisierte Organisation, wie zum Beispiel die katholische Kirche mit einbezogen werden.

Christentum:

Wenn man sich die Verbreitung des christlichen Glaubens in der Tschechischen Republik vor Augen führt, so sieht man, dass sich nur 10,4 Prozent, also rund eine Million Menschen, zur katholischen Kirche bekannten, was damit die größte Gruppe von Gläubigen in einer institutionalisierten Organisation in Tschechien ist. Nur ungefähr ein Prozent der Bevölkerung gab an, zur evangelischen Kirche zu gehören.

Andere Religionen:

Da es in Tschechien generell nur sehr wenige Menschen aus anderen Kulturen gibt, war nur ein sehr kleiner Prozentsatz (auch ungefähr ein Prozent) der Bevölkerung einer anderen Religion außer der Christlichen zugehörig, wie zum Beispiel… Buddhisten (aufgrund einer Vietnamesischen Minderheit), wenige Muslime und andere kleinere Gruppen.
Früher lebten in Tschechien außerdem relativ viele Juden, deren Existenz in Tschechien durch den Holocaust jedoch fast ausgelöscht wurden und heute gibt es nur noch ein paar tausend Juden, die in Tschechien leben.

Warum gerade hier?

Das mag einem auf den ersten Blick überraschend vorkommen, vor Allem wenn man sich auf der Karte die Nachbarn Tschechiens anschaut. Diese sind nämlich überhaupt nicht atheistisch geprägt. Wie zum Beispiel die Slowaken oder die Österreicher und insbesondere die Polen identifizieren sich sehr stark mit ihrem Glauben.

Kommunismus:

Um zu verstehen, wie es dazu gekommen ist, muss man in der Geschichte des Landes zurückgehen. Natürlich ist dieser Zustand vor Allem dem kommunistischen Regime im 20. Jahrhundert zuzuschreiben. Die Ideologie der Kommunisten war nämlich eindeutig atheistisch und es zwang die Menschen, die in der Tschechischen Republik lebten in ihr System, das keinerlei Art von Glauben zuließ. Sie verbaten alles, was mit dem Glauben in Verbindung stand.
Die am Meisten betroffene religiöse Gemeinschaft war die katholische Kirche. Im Jahre 1950, was bedeutet, nur eine kurze Zeit nach der Okkupation der Kommunisten im Jahre 1948, bekannten sich 76,3 Prozent der Bevölkerung zur katholischen Kirche. In diesem Jahr wurden Klöster geschlossen, Mönche und Nonnen teilweise inhaftiert. Kirchen und andere Gotteshäuser wurden durch den Staat enteignet und hauptsächlich als Lagerhallen benutzt aber glücklicherweise nicht allzu stark zerstört, weshalb man sie heute immer noch bestaunen kann. Ein Resultat dessen, sind die vielen, vor Allem im Gottesdienst „leeren Kirchen“ in Tschechien, die damals zu stark Christlich geprägten Zeiten gebaut wurden und heute immer noch von dieser Zeit zeugen, aber nicht mehr sehr stark besucht werden.

Altmodisch…

Wenn man noch weiter in der Geschichte Tschechiens zurückgeht, so erkennt man, dass es einige Versuche großer Herrscher gab, das Gebiet, das heute die Tschechische Republik genannt wird, und seine Umgebung, zu christianisieren. (Kyrill und Method aus Byzanz, neuntes Jahrhundert. Wenzel der Erste, Fürst von Böhmen, zehntes Jahrhundert. Karl der Vierte, Heiliger Römischer Herrscher, 14. Jahrhundert). Obwohl vor Allem Wenzel und Karl auch heute noch sehr beliebt bei den Tschechen sind, da es eben große Herrscher waren, verbinden heute viele Menschen etwas Aufgezwungenes und Altmodisches damit.

Ungerechtigkeit:

Als Jan Hus (welcher für die Tschechen vergleichbar mit Martin Luther für die Deutschen ist) sich als einer der ersten Menschen gegen die katholische Kirche und ihr Handeln empörte, fand sein Leben ein jähes Ende. Die Kirche, die im 15. Jahrhundert einen großen Einfluss hatte, verurteilte ihn als Ketzer und wurde deshalb am Pfahl (in Konstanz) verbrannt. Nach seinem Tod formierte sich eine Bewegung, die unter und in seinem Namen kämpften: die Hussiten erhoben sich und kämpften in den so genannten Hussitenkriegen (1419-1434) gegen die katholische Kirche. Im 17. Jahrhundert, im dreißigjährigen Krieg (1618-1948), verloren die Protestanten gegen die katholische Liga und sie wurden von der Österreichischen Habsburg Monarchie einmal mehr in ihrem Glauben unterdrückt und christianisiert. Diese Ungerechtigkeit lässt manchen Tschechen eventuell auch heutzutage noch eher skeptisch von der Institution Kirche denken.

Heute:

Heute leben die meisten christlichen Gläubigen in Mähren (Osten oder Südosten der Tschechischen Republik). Einige protestantische Christen gehören immer noch zur Hussitenkirche, die sich immer noch auf Jan Hus, ihren Gründer bezieht.

 

RELIGION – Gastarbeiter des Herrn

„Aus Mangel an Priestern beschäftigt die katholische Kirche zunehmend ausländische Geistliche wie Benjamine Gaspar: Er stammt aus Indien und predigt nun in Westfalen.“

Seminar:

Auf dem letzten Seminar der deutschen Don-Bosco-Volunteers aus Süddeutschland, sollten wir gemeinsam ein Plakat gestalten. Dieses sollte unsere Erwartungen an unseren bevorstehenden Freiwilligendienst darstellen.

Ein Gedanke:

Dazu verwendeten wir unter Anderem alte Zeitschriften. In einer Zeitschrift fand ich einen Artikel mit einer Überschrift, die mir im ersten Moment recht interessant und passend vorkam, und zwar „Gastarbeiter des Herrn„. Ich hatte die Überschrift schon ausgeschnitten, doch dann verwarf ich den Gedanken schnell wieder, da ich nicht wirklich wusste ob ich mich in dieser Rolle sah, da ich bei mir dachte, dass erstens kein Priester bin und mich zweitens nicht als Missionar sehe.
Eine andere Freiwillige, die für ein Jahr nach Indien gehen würde, fand jedoch den ausgeschnittenen Papierstreifen und fragte herum, wem dieser „gehöre“. Ich meldete mich und sagte, dass ich ihn nicht mehr brauche. Daraufhin klebte sie die Überschrift auf das Plakat, da sie ihn wohl doch auch irgendwie passend fand.
Nun, im Nachhinein bin ich froh, dass der kleine Schnipsel es dann noch auf unser Plakat geschafft hat. Ich fühle mich nun doch irgendwie so, wie ein kleiner Gastarbeiter des Herrn. Denn ich arbeite im Sinne Don Boscos und damit im Sinne des Herrn, in einem fremden Land, jedoch ohne dabei wie ein Missionar zu versuchen, meinen Glauben den Jugendlichen zu vermitteln.

 

Was bewirke ich?

Jedoch versuche ich, durch mein Handeln, meine Ausstrahlung und meine (noch sehr wenigen) Worte, zu zeigen, dass die Jugendlichen bei Don Bosco auch liebevoll aufgehoben sind, ohne unbedingt an Gott zu glauben. Ich merke auch im Oratorium, dass einige Jugendliche dem Thema Religion eher befremdlich gegenüberstehen. Zum Beispiel bleiben Einige konsequent dem „Slůvko“, (-kleines Wort- einem kleinen Impuls um fünf Uhr mittags) fern, vielleicht auch da dieser Impuls manchmal einen religiösen Ansatz hat.

Einmal wurde von einem Jungen gefragt, ob ich ein Salesianer bin. Das zeigt dann eben auch, dass die Jugendlichen doch interessiert zu sein scheinen und was es vielleicht auch bewirkt, Don Bosco – Artikel als Kleidung zu tragen.

Das schönste Ereignis, dass ich zum Thema „Glauben“ erleben durfte, war, dass mir, nach dem Schließen des Oratoriums, ein Junge, von dem ich nicht wirklich weiß, ob er sonst in die Kirche geht, mir in den Gottesdienst folgte (und das ganze jetzt schon sogar zwei Mal). Manchmal fragt er mich, ob ich heute in den Gottesdienst gehe. Dieser Junge ist sonst eher ein schwieriger Charakter und auch immer recht aggressiv und aufgedreht. Aber in der Kirche ist er für seine Verhältnisse wirklich anständig, nach ein Paar anfänglichen „Blödeleien“ vor dem Gottesdienst. Er versucht so gut es geht, mitzusingen und auch die Gebete irgendwie mitzusprechen. Zur Kommunion geht er nicht und ich bedeute ihm, dass das vollkommen in Ordnung ist. Auch dieses schöne Beispiel gibt mir ein bisschen Hoffnung und zeigt mir auch, dass dieser sonst so freche Junge, zumindest Respekt vor dem Glauben anderer Menschen hat.

Erfahrungen:

Ansonsten bekomme ich hier von dem groß ausgeprägten Atheismus noch nicht viel mit. Denn im Moment bewege ich mich noch in nur eher religiös geprägten Kreisen. Bevor ich mich nicht näher mit dem Land Tschechien beschäftigt hatte, war mir auch nicht bewusst gewesen, dass es hier so wenige gläubige Menschen gibt. Ich war überrascht als ich davon erfuhr. Ich finde es auch ein wenig schade aber verständlich bei all den schlechten Erfahrungen, die die Vorfahren der heutigen Tschechen mit der aufgezwungenen Religion gemacht haben. Dazu durch die lange Zeit des Kommunismus, durch den das Weitergeben oder das Erlangen dieses Guts schlichtweg unmöglich war.

Schöne Erlebnisse:

Die kleine Anzahl der noch Gläubigen Menschen identifiziert sich jedoch sehr stark mit ihrem Glauben. Das bereitet mir auch hier bei den Salesianern Don Boscos schöne Momente. Oder zum Beispiel bei einem „Taizé-Wochenende“ in Budweis, an dem ich meinen 20. Geburtstag erleben durfte. Manchmal bin ich aber auch überrascht von einigen Dingen, die ich so aus Deutschland noch nicht kenne.

Fazit:

Ich versuche jedenfalls weiterhin mit meinem Auftreten im Sinne des Herrn und im Sinne Don Boscos als „Gastarbeiter“ zu handeln. Ich hoffe, dass ich dadurch bei den jungen Menschen etwas bewirken kann. Wenn vielleicht auch für sie oder für mich unbewusst.

Vielen Dank dafür, dass du meine Seite besucht hast und bis bald,

liebe Grüße

TOBI

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  1. Cara Zedler

    Mega gut geschrieben und voll interessant 😉 LG deine Cara

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