Vom Pilgern, den Bleistiften und Essensregeln

Liebe Leser,

mein letzter Beitrag hier wurde unheimlich oft geklickt und gelesen! Danke dafür – ich freue mich über jeden, der mitliest und an mich denkt. Heute möchte ich euch von meinem letzten Wochenende berichten.

Am Sonntag fand nämlich bei uns in der Gemeinde eine „Pelerinage“ statt. Das bedeutet, dass wir in den Nachbarort gepilgert sind. Um Acht Uhr sind wir dann also zu 1000 aus der Kirche ausgezogen und Richtung Zielort gepilgert. Einige hatten Gurkendosen dabei, um sie als Trommeln zu verwenden, andere haben alte Plastikkanister mitgenommen. Es hat also eine Menge krach gemacht, wie wir da singend die Straßen entlang getanzt-betet haben. Trotz der stechenden Sonne sind wir dann, müde aber wunderbar gelaunt, in Niambly so gegen 11 angekommen.

Zwischendurch gab es einige Stationen und man dachte gemeinsam in Kleingruppen über das Thema „Kehr um und glaub an das Evangelium“ nach. Nach der Ankunft und nachdem dann alles geordnet war, jeder einen Platz gefunden hat und so weiter, gab es dann eine echt schöne Messe. Père Xec predigte und machte einfach deutlich, dass Gott die Liebe ist und uns, wie der barmherzige Vater bei jeder Umkehr und jedem Zurückkommen, mit offenen und liebenden Armen empfängt. Eine Botschaft, die (habe ich die Meinung) für die Ivorer hier nach wie vor sehr wichtig ist, da viele noch tief in Opferglauben und Naturreligionen stecken, die ganz grundlegend von Leistung abhängig sind.

Nach der Messe gab es dann Essen. Ähnlich wie in der Bibel, haben wir uns in Gruppen zusammengesetzt. Da jeder etwas mitgebracht hatte und fleißig geteilt wurde, ist tatsächlich sogar Essen übriggeblieben. Wasser hätte es an diesem Tag jedoch nie genug geben können. Es war einfach zu heiß. Nach dem Essen gegen 14 Uhr sind wir dann zurückgelaufen und haben den Tag mit einem Palmwein ausklingen lassen. Es war echt schön.

Was ich zu Traditionen sagen möchte: Mir fällt auf, dass manche Jungs hier sehr auf Etikette, Höflichkeitsformen und Gemeinschaftsregeln bedacht sind. So ist es zum Beispiel sehr unhöflich zu einem Essen dazuzukommen, ohne von den schon Essenden eingeladen zu werden. Hört sich erstmal normal an. Wenn man aber bedenkt, dass das bedeutet, dass man selbst als der, der das Essen serviert, oder gezahlt hat auf eine Einladung warten muss ist es schon krass. Wenn man z.B. noch schnell aufs Klo ging, die Hände gewaschen hat, oder noch einen anderen Freund empfangen musste, und selbst wenn man schon angefangen hat zu Essen und nur kurz aufgestanden ist, darf an sich nicht wieder dazusetzen; und erst recht nicht fragen. Diese Tradition kommt aus alten Zeiten und wird von manchen sehr ernst genommen. Wenn man ausversehen vergessen wird, hat man nichts zu essen. Lieber hungert man, als unhöflich zu erscheinen.

Solche Regeln gibt es nicht nur beim Essen. Mit vielen komme ich erst jetzt in Berührung und lerne sie zu verstehen. Die Elfenbeinküste ist einfach sehr anders wie Deutschland.

Und dann noch was letztes: vor kurzem habe ich mich daran zurückerinnert, wie viele Bleistifte, Lineale, Geodreiecke und andere Stifte ich während meiner Schulzeit verloren oder eher gesagt: „verschlambert“ habe. In Deutschland haben wir oft zu viele Kullis und Stifte, hier sind die aber richtig teuer. Ein Bleistift kann mit 2 Mittagessen aufgewogen werden. Da das Geld ja eh schon knapp ist überlegt man sich dreimal, wie man mit seinen Materialien umgeht.

Diesen Aufruf mache ich auch an euch und vor allem mich. Ich versuche inzwischen einfach achtsamer und sorgfältiger mit meinen Dingen umzugehen, selbst wenn sie Selbstverständlich und Normal erscheinen. In Afrika leben fast doppelt so viele Menschen wie in Europa. Und von denen haben die Wenigsten fließend Wasser, einen Kaffee am Morgen und einen schönen Fernsehabend mit dem Tatort… Ich freue mich darauf im August in diesen Wohlstand zurückzukehren und habe gleichzeitig Angst, das was ich hier erlebt habe zu schnell zu vergessen. Mich packt die Angst, dass all das Mitgefühl und der Tatendrang was zu Ändern (wenn auch nur im Kleinen) durch all den Luxus ertränkt wird.

 

Hier erstmal ein paar Bilder:

Bei einer Gruppenstation im „Stadion von Duékoué“ – Naja ziemlicher Acker…
Ewig weit zieht schich die Schlange der PIlger die Straße entlang. Man hat uns sicher auch schon einen Kilometer entfernt gehört
Viele müde, aber frohe Gesichter
Messe in der Schule von Niambly. V.l.n.R. Curé et Directeur le Père Paul, Père Xec und Père Dominique
Sonnenschutz… 😀
Rinder am Straßenrand
Beim Heimweg. Man war das heiß

Ich wünsche euch noch eine schöne Passionszeit. Ganz persönlich nehme ich mir vor bewusster mit meinen Rohstoffen umzugehen und das, was da ist wertzuschätzen.

Danke für alle Grüße und alles mitbeten und Spenden.

Beste Grüße

Martin

 

P.S: Das Vorurteil, dass der Afrikaner an sich ein Iphone X besitzt ist tatsächlich eine Lüge. Viel Eher haben die Meisten Jungs hier bei mir keine Smartphones. Die Vielzahl besitzt hier (wenn überhaupt) 15€ Tastenhandys die, für die Verhältnisse hier, teuer sind und aber öfters als eine Unterhose gewechselt werden müssen, weil sie einfach sehr billig sind. Meine Frage an euch ist: habt Ihr alte Smartphones, die ihr nichtmehr benutzt (es macht gar nichts, wenn da ein Sprung im Display ist. Hier hat alles einen Sprung, sogar die neuen Frontscheiben für die Autos haben schon einen Steinschlag.)? Falls Ja (und falls ihr bereit seid die zu Spenden,) würde ich mich sehr freuen, wenn ihr das Handy zu meinen Eltern schicken könntet, dann kann ich es hier bald an Jungs verteilen, für die das wie Weihnachten, Ostern und Geburtstag zusammen wäre. Ich Danke euch schon jetzt sehr herzlich! – Martin

 

Ein Gedanke zu „Vom Pilgern, den Bleistiften und Essensregeln

  1. Was die Achtsamkeit mit den Dingen angeht, könnten sich meine Jungs einiges von deinen abschneiden. So oft wie hier Stifte und Hefte verschwinden oder der Teller nicht leer gegessen wird ist echt unglaublich. Und dabei ist Moldawien nicht grad ein reiches Land…

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