Besonders


besonderer Pater
besondere Katzen
ganz besonderer kleiner Mann
besondere Jungs
besonderer Garten

Was ist schon „besonders“?

Auf meinem täglichen Ablauf steht nirgends „besonders“ – „extra toll“ „sau stark“. Jeder Tag sieht auf dem Plan gleich aus. Aufstehen – Arbeiten – Frühstücken – Aufräumen – Lernen – Sport – Essen – Schlafen.

Also alles normal?

Lange nicht! Jeder Tag ist normal und doch besonders. Jeder Tag hier, im Leben, hat einfach Potential ganz anders, ganz super zu werden. Jeden Tag passiert irgendetwas Spannendes; oft kleine Dinge. Aber genau das macht diesen Dienst sehr reich. Ein gutes Gespräch, vielleicht sogar ein Jugendlicher, der Dinge erzählt, die er noch nie erzählt hat. Ein Vogel, der vor einem auf dem Geländer landet. Kinder, die lachen. Die Sonne, die nach dem Regen ins Gesicht strahlt, der Moment, jemandem geholfen zu haben. Es gibt so viele besondere Dinge, die jeden Tag außergewöhnlich machen.

Außergewöhnlich

Don Bosco sagt, um ein Heiliger zu werden, muss man nicht besonders intelligent, stark, lustig, mutig… sein. Wer heilig werden möchte, der muss einfach nur die Dinge, die er an jedem Tag macht – all die ganz gewöhnlichen Dinge – außergewöhnlich gut machen. Und das geht mit viel Liebe. Ich erfahre hier, dass, wenn ich die Dinge, die ich mache, mit Liebe und Hingabe mache, dann wird mein Tag besonders. Wenn ich bei dem bin, was ich mache, gelingt was.

Hier ist alles anders

Nichts ist so wie in Deutschland. Die Kinder träumen von den asphaltierten Straßen Europas, von den Autos, dem Essen. Unheimliche Armut, die mir immer klarer wird, macht das Leben hier genügsamer. Es wird der Blick auf „wirklich“ Wichtiges frei. Wie viel haben wir und brauchen es gar nicht? Und wie viel haben wir und merken es gar nicht. Hmm, der wichtigste Satz im Vaterunser ist hier „und gib uns heute unser tägliches Brot, dass wir zum Leben brauchen“ Ist euch dieser Satz schonmal wichtig gewesen?

Besonders – Außergewöhnlich – Anders

Diese drei Worte begleiten mich auf meinem Weg durch den Freiwilligendienst. Wenn ich den Blick auf Anderes frei mache, mich auf das Außergewöhnliche einlasse, wird jeder Tag: besonders.

 

Probleme?!

Ich gehe durch die Straßen. Vielleicht sollte man eher Dreckpisten sagen. Der warme Sandstaub umweht meine Füße und hin und wieder höre ich das Knirschen achtlos weggeworfener Plastikflaschen unter ihnen. Ich gehe so vor mich hin. Eigentlich will ich nur schnell Geld holen, was einkaufen. Ein Hemd beim Schneider in Auftrag geben. Ich hänge so meinen Gedanken nach. Überhöre das (meistens) nicht abschätzig mir nachgerufene „Le blanc, ca va? (He, Weißer! Alles klar?) und gehe weiter. Passe auf, nicht in irgendwelche Schlammlöcher zu treten, die noch vom letzten Regen übrig sind.

Dann läuft eine Frau an mir vorbei. Sie nuschelt vor sich hin. Ich höre nur: „Gott, warum nur bist DU so gut?“. Ich bleibe stehen, mitten im Gedränge. Unweigerlich spannt sich alles bei mir an. Mein Hirn fängt an zu arbeiten. Mein Atem bleibt kurz stehen. „Gott warum bist DU soo gut?“ fragt diese Frau. Habe ich das richtig gehört?

Eine hier durchschnittliche Frau. Rund 30 Jahre alt. Kurze Haare, weil sie sich die Langen von der Zeit, der Hygiene und dem Geld und der Arbeit her nicht leisten kann. Die Arbeit ist einfach zu hart und anstrengend, lange Haare stören da nur. Eher Durchschnittlich: Ein Kind auf den Rücken gebunden, mit einem Handtuch. Die bunten Stoffe sind halt zu teuer. Das zweite Kind an der Hand. Auf einem Auge ist die Frau augenscheinlich blind. Ich schätze, dass eine Infektion oder so den Schaden angerichtet hat. Sehr mager diese Frau. Vermutlich warten unter einem Wellblechdach nochmal 3 Kinder auf irgendwas Essbares. Und trotzdem läuft sie aufrecht durch die Straße, lässt sich nicht fallen, kämpft weiter und murmelt: „Gott warum bist du so gut?“

Ich bleibe stehen. In letzter Zeit macht mir das Elend, die Armut an manchen Stellen echt zu schaffen. Aber jetzt komme ich richtig ins Nachdenken. Ich werde fast wütend.

Warum kommt keiner in Deutschland auf die Idee einfach mal zu denken: „Heute geht’s mir gut! Gott Danke“? Stattdessen maulen die Kinder, dass sie in die Schule und scheinbar Unnötiges lernen müssen. Die Alten sind unzufrieden, weil sie zu wenig verdienen und das allerneuste I-Phone eben nicht drin ist und der Zweitwagen kein Mercedes ist. Der Dritte fürchtet sich vor Überfremdung und der letzte trauert weil seine Wohnung anscheinend zu klein ist. Über 14% Prozent der Menschen in Deutschland glauben, dass es ihnen nicht gut geht…

Klar in Deutschland gibt es auch Probleme. Und trotzdem frage ich mich in diesem Moment: Was sind das für Probleme, im Vergleich zu denen, die die Menschen hier Tag täglich haben? Haben wir überhaupt das Recht Unzufrieden zu sein?

Viele Menschen sehen in Deutschland auch die Probleme in der „dritten Welt“. Zu gerne schieben wir die Probleme auf korrupte Staatenlenker und „faule Schwarze“. Wir sehen das Problem, aber „es findet in Gegenden statt, wo viele braune Menschen mit schwarzen Haaren leben, die für uns alle gleich aussehen“ (Frank Schätzing). Viel zu weit weg eben. Wir sehen die Korrupten, aber nicht, dass wir sie bestechen. Wir sehen die Armut, aber nicht, dass wir nicht mal einen Hungerlohn für ihre Ware zahlen. Wir sehen es und schauen weg. Lieber stecken wir das Geld in Grenzzäune.

Um unser Gewissen zu beruhigen Spenden wir hier und da mal was an Hilfsorganisationen, während wir gemütlich unseren vierten Kaffee schlürfen. Die vierte Tasse, die schon wieder Schuldbildung, Augenlicht, ein gutes Dach überm Kopf, ein veraltetes Smartphone, ein paar Momente lächeln, vermutlich eine gute Zukunft gekostet hat. Was ist Kakao, was ist Kaffee Wert? Machen wir uns Gedanken, wie viel von dem wenigen Geld das wir bezahlen überhaupt beim Landwirt, bie seiner Familie ankommt?

Bitte seht mir nach. Ich will keinem von euch den Kaffee, die Schokolade und so weiter ausreden. Ich finde mich nur in einer Situation in der ich sehr nachdenklich werde. Die mich traurig macht. Die mich sogar wütend auf die Ausweglosigkeit und die Ohnmacht macht.

Die Frau ruft: „Gott warum bist DU so gut?“ Vielleicht danken wir auch mal, dass es uns so gut geht.

Erster Schultag

Und schon wieder: Guten Morgen

Heute ist mein Erster Schultag. Ich werde um 10 Uhr hier meine erste Englischstunde geben. Ich bin sehr gespannt wie das werden wird. Gestern bei der Lerneinheit am Abend ist mir der Bildungsstand der Jungs hier aufgefallen.

Eigentlich: „Völlig unfassbar“ Diagnose auf den Ersten Blick: „katastrophal“
Pierre* mit 15 liest gerade in seiner Muttersprache sein „Erstes Buch zum Selberlesen“ (So der Titel).

Luca*, (16) muss ich einen Zahlenstrahl aufmalen um ihm Addition im negativen Zahlenbereich zu erklären (Ist -10 + 8 Gleich -18 oder gleich -2 und warum).

Jean* muss man erklären wie man Brüche kürzt. Er macht dieses Jahr Abitur.

Ich bin sehr gespannt wie gut die hier in der Schule nebenan Englisch können.

(EDIT: Diese Zeilen füge ich nach meiner 1. Stunde als Lehrer ein:)

Der Bildungsstand in Englisch ist wirklich ziemlich niedrig. Ich habe heute 15 bis 20-Jährigen die Zahlen auf englisch beigebracht. Wir haben zusammen die Sätze „Ich heiße … und habe … Geschwister“, sowie „ich bin … Jahre alt“ geübt. Mehr ist leider nicht drin. Aber wir bleiben dran und es war sehr entspannt, dass die Jungs wirklich gut mitgemacht haben und es für mich wirklich einfach war zu unterrichten. Es hat mir Spaß gemacht.

Auch wenn hier vieles nicht so einfach klappt und es viele „Bildungslücken“ gibt, sind die Jungs hier echt interessiert und auch fleißig am Lernen.

(Ende des Einschubs)

 

Das die Jungs hier viele „einfache Sachen“ nicht können liegt sicher nicht an der Intelligenz. Viele hier sind „Blitz-gscheid“, haben aber nie die Möglichkeit gehabt eine solide Schule zu besuchen. Viele hier müssen ja auch auf dem Kakao-Feld arbeiten.

Apropos Kakao:

Gestern hat die Regierung der Côte d’Ivoire den Kakao-Preis für die folgende Kampagne (ca. bis Mai) festgelegt. Für 1Kg Kakao zahlt der Staat 700 Francs (1,16€) letztes Jahr waren es noch 1000 Francs (1,66€). Leider hat die westliche Welt beschlossen dieses Jahr weniger zu zahlen.

„700CFA pro Kg“ Die Regierung zahlt diesen Preis jetzt unabhängig von den Schwankungen der Börsenpreise. (Schwankungen werden also vom Staat ausgeglichen und geben so Stabilität und bessere Berechnung für die Landwirte) Aber die 50 Cent Umsatzeinbuße pro Kg machen das Leben hier für ganz viele: sehr schwer. (von 50 Cent kann man nämlich 3mal Mittagessen) Da die Elfenbeinküste der Weltweit größte Kakaoexporteur ist, lebt hier fast Jeder davon. Kinder kann man nur zur Schule schicken, wenn man absehen kann, dass das nächste Jahr gut läuft und man einigermaßen stabilen Gewinn machen kann. Bei einer Preisreduktion von 30% von heute auf morgen, bleibt eben nicht viel übrig (Jedenfalls kein Geld für eine Tafel Schokolade zwischendurch – nicht zum Lachen).

(So nebenbei: Wir sollten uns mal Gedanken über Lebensmittelspekulation machen)

Viele Kinder müssen also aufgrund schlechter Kakaopreise weiter auf dem Feld rumlungern und Kakao ernten anstatt zur Schule gehen zu können.

Zum Abschied sage ich noch: Viel Genuss beim nächsten Kaba. Mir jedenfalls vergeht der Appetit.

Schönen Tag euch und allerliebste Grüße.

Martin

 

(*Namen sind natürlich geändert, die Jungs könnten aber tatsächlich so heißen…)

Ankunft 3.0

 

Bon matin! (Guten Morgen)

Dieser Artikel erscheint eine Woche in Verzug…

Vor kurzem (naja schon eine Woche her, aber ich hatte leider kein gutes Internet) war also Ankunft 3.0 für mich. Warum Drei-Punkt-Null? Naja die erste Ankunft war in Abidjan vor nun mehr fast drei (inzwischen vier) Wochen. Die zweite war dann gestern vor drei Wochen in Duékoué und letzten Sonntag bin ich dann vollends hier an meiner zukünftigen Wirkstätte im Foyer angekommen.

„Foyer“ C’est quoi? (Was ist jetzt auch das)

Das ist gar nicht so schwer wie es sie anhört. Ein Foyer ist erstmal ein Wohnplatz, eine Unterkunft und Wohngemeinschaft (Don Bosco hat diesen Begriff auch schon verwendet). In meinem konkreten Fall handelt es sich hier um ein Kolleg für Schüler zwischen 12 und 21 die hier wohnen und tagsüber (Morgens und Mittags) hier zur Schule, (auf dem Salesianer-Gelände gibt es eine Berufsschule) oder in eines der umliegenden Gymnasien gehen (derer gibt es in Duékoué mindestens fünf).

Und Meine Aufgabe?

Man könnte mich als Präfekt, 1.Offizier, Vorsteher, Aufpasser, Begleiter, Lehrer, Freund, Helfer, „Löser vieler Sorgen und Probleme“, Bruder, Mädchen für alles, Verantwortlicher, Chef… bezeichnen. Das heißt, sobald die Jungs heimkommen habe ich auf jeden Fall alle Hände voll zu tun, es wird erstmal mittaggegessen und gearbeitet, gelernt, geduscht (Da brauchen sie mich tatsächlich nicht), Sport gemacht, gebetet…

Da über die letzten Wochen (Sommerferien) hier absolut niemand da war, haben wir in der letzten Woche viel Gearbeitet. Zum Beispiel musste man dringend Rasenmähen (mit Machete), die Hecken schneiden (mit Machete) kehren und Putzen (geht auch mit Machete – viel besser aber mit den kleinen Besen) Fische aus dem Eisblock hacken (Mit Machete und Hammer), Bäume stutzen (mit Machete), 50kg Reissäcke schleppen und so weiter (alles mit Machete).

Nach der Arbeit ist eine Stunde Sport ziemlich wichtig. Als Ausgleich zur „Handarbeit“ mit dem Krumm-Messer spielen wir meistens ein Fußball.

Leider sind die Fußbälle vermutlich, wie die Autos hier, nach der vollständigen Abnutzung in Deutschland hierher importiert wurden und werden hier noch „als völlig Neuwertig“ verkauft. (Die Ballpumpen sind exakt in selbem Zustand.)

Lernen

Abends um 20:00 Uhr (Ich habe den Sinn auch noch nicht ganz durschaut) fängt man dann noch an fast zwei Stunden lang zu Lernen. Jeder das was er will und braucht. Ich unterstütze dabei gerne die Jungs. Derer sind es übrigens noch 22 bald aber schon 35. (ziemlich viel Arbeit und noch mehr Spaß) Bei meiner ersten Lerneinheit, haben schonmal einige bewiesen, dass sie Prima im Sitzen schlafen können. Aber klar, die müssen ja auch schon um 5:00 Uhr wieder aufstehen um pünktlich zur Schule zu gehen und evtl. Noch kurz zur Messe zu gehen…

 

Meine Aufgaben sind also ziemlich vielfältig und manchmal fühle ich mich wie im Zeltlager.

Warum das ganze hier manchmal wie ein sehr langes Zeltlager ist:

Zeltlager. Naja Zelte haben wir nicht, aber die Blechdecke macht bei Regen noch schlimmer Lärm als Zeltstoff. Und hier geht das auch 12 Monate und nicht 12 Tage. Es gibt kein Lagerfeuer und für die Jungs keinen Kaba… Aber es gibt auch

Gemeinsamkeiten zum Zeltlager: Ich habe hier auch eine Betreuer Funktion und obendrein sind die Jungs hier auch völlige Chaoten aber ziemlich lustige dafür. 😉 Abends nachdem alle im Bett sind (wenn sie dann endlich mal Ruhe geben) gibt es manchmal noch Bier mit den Paters hier. Und Gekocht wird hier: Über offenem Feuer. Strom gibt es auch nicht immer und Die Einrichtung der Zimmer fällt hier nur bedingt besser aus wie die in einem Zelt. Ich kann mich hier jedenfalls nach nur drei Wochen schon richtig wohl fühlen und bin sowohl super auf- als auch angenommen

Alles in Allem gefällt mir das hier sehr gut. Ich habe was zu tun und viel Spaß dabei. Endlich geht es so richtig los. Mein Französisch fängt langsam, an besser zu werden. Gott sei Dank.

Beste Grüße et Bonne Journée Mart!en