Vom „Welten-retten“ und vom „sich selber retten“

Lue soit Jésus Christ – a jamais !

Schönen Sonntag euch allen.
Letzens sagte ein guter Freund zu mir: „Hey Martin, ich finde ziemlich cool, was Du machst und leistest. Jetzt bin ich aber in Europa, was kann ich den tun, um Leid zu mindern; um gegen das Elend anzukämpfen?“
Ziemlich lange habe ich darüber nachgedacht und möchte euch jetzt meine Gedanken berichten:

Ich selber fühle mich nicht wie ein großer Held. Nein, manchmal habe ich Tage, da denke ich, dass eigentlich alles sinnlos ist, was ich mache. Ich meine: Was soll denn ein jugendlicher Weißer schon ausrichten, in einem Land, das er nicht kennt und das ihn nicht kennt. Mir kommen dann immer unweigerlich die Gedanken an die Frau die mal (zugegeben im Stammtischjargon und nicht sehr freundlich) zu mir sagte: „Wer wirklich Afrika erleben will, muss Geld in die Hand nehmen und eine Reise machen! Du selber kannst da gar nichts machen, um das Elend zu verhindern. Du bist nur ein Weißer, der seinen kolonialen Stempel aufdrückt und die Schwarzen wie Affen im Zoo begutachtet. Ändern können die Ihre Lage nur selber.“

Wer wirklich was ändern will, kann Geld in die Hand nehmen. Ja! Spendengelder helfen. (siehe „Spendenmillionär“ ) Aber nach allen Grübeleien bin ich dann doch wieder überzeugt, dass mein Dienst keine koloniale Gewissensbefriedigung ist und ich doch mehr als ein „Volo-Gutmensch“ bin. Und Afrikaner sind keinesfalls Affen (zumindest nicht mehr als wir Bleichen) und können sich eben nicht allein aus der Lage befreien, für die auch wir Europäer mitverantwortlich sind.

Und dann habe ich die anderen Tage. Die, die jeden schlechten um ein Vielfaches wieder wettmachen. So ein Tag, an dem mir die Wärme und Liebe Gottes schon morgens entgegenstrahlt und ich merke: Hier bist Du richtig. Ich kann tatsächlich was tun. Das fängt ganz einfach an: Dank meines Abiturs bin ich hier ein sehr gebildeter Mann und ich kann eigentlich allen bei den Schulaufgaben helfen. Und dann geht das aber noch weiter. An solchen Tagen spüre ich, dass schon allein meine Anwesenheit hilft. Es hilft, dass einer da ist, der einfach zuhört, tröstet, aufbaut, mit lacht, mal ernst bleibt und mal einen Witz macht. Es hilft den Jungs hier, dass einer da ist (gerade bin ich sehr froh, derjenige sein zu dürfen 😀 ), der sich ihrer annimmt.
Ich bin überzeugt: Für Andere in ganz alltäglichen Situationen da sein: Rettet Welten. …egal wo!

Was kann also der machen, der in Europa ist?
Einfach da sein. In Europa gibt es auch ganz viele (junge) Menschen, die einen Nächsten brauchen, der sie annimmt und der nicht wegläuft, wenn es mal etwas brenzlig wird.

Und ganz ehrlich habe ich einen saumäßigen Respekt vor allen Europavolontären und allen, die sich, als (fast-)Einheimische, ihrer Mitmenschen annehmen. Hier in Afrika habe ich manche entscheidende Vorteile. Dadurch, dass ich nämlich weiß bin, also fremd, wird mir vieles mehr verziehen, wird mir mehr Achtung und Respekt und mehr Aufmerksamkeit entgegengebracht (Man macht mir zum Beispiel immer einen Stuhl frei, man schenkt dem, was ich sage viel Beachtung und sagt des Öfteren: „das konntest Du ja nicht wissen“). Ich bin hier einfach fremd und muss und kann gar nicht alles können. Das hilft mir einfach so zu sein, wie ich bin und nimmt mir unheimlich viel Druck.

Sich selber retten?

Sehr oft fällt mir auf, dass ich den Auftrag „jede Minute mit den Jungs zu verbringen“ viel zu ernst nehme. Von morgens 05:00 bis abends 23:00 bin ich ansprechbar und meistens mit den Jungs unterwegs. Da kommt es zu oft vor, dass ich nicht ausgeschlafen, halb krank und unnötig schlecht gelaunt bin. Wer wirklich helfen will, muss sich GENAUSO wie den Nächsten lieben. Deswegen arbeite ich z.B. daran, meinen zweistündigen Mittagsschlaf konsequent einzuhalten. Man darf eben nicht nur für die Anderen da sein und sich dabei vergessen, sondern muss sich auch mal selber was gutes Tun. Das hilft wiederum, mit mehr Energie sein Tagwerk zu vollbringen.

Also Zielsatz: Tu gutes für Andere wie für Dich, nach Deinen Möglichkeiten, sei fröhlich und nimm nicht immer alles so tragisch: Lass die Spatzen pfeifen!

D.h.: Jeder und Jede, der sich irgendwie für andere Menschen einsetzt, egal ob in Afrika oder Europa, ist wichtig und vollbringt meiner Meinung nach wichtige Taten, die die Welt von morgen besser machen.

In diesem Sinne danke ich allen, die Menschen annehmen und versuchen zu helfen.

Luxus?!

Ein Gedanke zu „Vom „Welten-retten“ und vom „sich selber retten“

  1. Hallo Martin,
    Ich bin endlich mal dazu gekommen, deinen Blog zu lesen. Gefällt mir echt gut, was du so schreibst! Auch mir geht es so, dass ich manchmal am Sinn meiner Arbeit zweifle: wenn ich bei den Hausaufgaben nicht helfen kann, wenn ich nicht weiß, was ich antworten soll, wenn Menschen mir traurige Geschichten erzählen, wenn ich eh nichts ändern kann. Ich hoffe du hast Recht, dass manchmal auch einfach Zuhören reicht:)
    Viele Grüße aus Bolivien
    Melanie

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