Erster Schultag

Und schon wieder: Guten Morgen

Heute ist mein Erster Schultag. Ich werde um 10 Uhr hier meine erste Englischstunde geben. Ich bin sehr gespannt wie das werden wird. Gestern bei der Lerneinheit am Abend ist mir der Bildungsstand der Jungs hier aufgefallen.

Eigentlich: „Völlig unfassbar“ Diagnose auf den Ersten Blick: „katastrophal“
Pierre* mit 15 liest gerade in seiner Muttersprache sein „Erstes Buch zum Selberlesen“ (So der Titel).

Luca*, (16) muss ich einen Zahlenstrahl aufmalen um ihm Addition im negativen Zahlenbereich zu erklären (Ist -10 + 8 Gleich -18 oder gleich -2 und warum).

Jean* muss man erklären wie man Brüche kürzt. Er macht dieses Jahr Abitur.

Ich bin sehr gespannt wie gut die hier in der Schule nebenan Englisch können.

(EDIT: Diese Zeilen füge ich nach meiner 1. Stunde als Lehrer ein:)

Der Bildungsstand in Englisch ist wirklich ziemlich niedrig. Ich habe heute 15 bis 20-Jährigen die Zahlen auf englisch beigebracht. Wir haben zusammen die Sätze „Ich heiße … und habe … Geschwister“, sowie „ich bin … Jahre alt“ geübt. Mehr ist leider nicht drin. Aber wir bleiben dran und es war sehr entspannt, dass die Jungs wirklich gut mitgemacht haben und es für mich wirklich einfach war zu unterrichten. Es hat mir Spaß gemacht.

Auch wenn hier vieles nicht so einfach klappt und es viele „Bildungslücken“ gibt, sind die Jungs hier echt interessiert und auch fleißig am Lernen.

(Ende des Einschubs)

 

Das die Jungs hier viele „einfache Sachen“ nicht können liegt sicher nicht an der Intelligenz. Viele hier sind „Blitz-gscheid“, haben aber nie die Möglichkeit gehabt eine solide Schule zu besuchen. Viele hier müssen ja auch auf dem Kakao-Feld arbeiten.

Apropos Kakao:

Gestern hat die Regierung der Côte d’Ivoire den Kakao-Preis für die folgende Kampagne (ca. bis Mai) festgelegt. Für 1Kg Kakao zahlt der Staat 700 Francs (1,16€) letztes Jahr waren es noch 1000 Francs (1,66€). Leider hat die westliche Welt beschlossen dieses Jahr weniger zu zahlen.

„700CFA pro Kg“ Die Regierung zahlt diesen Preis jetzt unabhängig von den Schwankungen der Börsenpreise. (Schwankungen werden also vom Staat ausgeglichen und geben so Stabilität und bessere Berechnung für die Landwirte) Aber die 50 Cent Umsatzeinbuße pro Kg machen das Leben hier für ganz viele: sehr schwer. (von 50 Cent kann man nämlich 3mal Mittagessen) Da die Elfenbeinküste der Weltweit größte Kakaoexporteur ist, lebt hier fast Jeder davon. Kinder kann man nur zur Schule schicken, wenn man absehen kann, dass das nächste Jahr gut läuft und man einigermaßen stabilen Gewinn machen kann. Bei einer Preisreduktion von 30% von heute auf morgen, bleibt eben nicht viel übrig (Jedenfalls kein Geld für eine Tafel Schokolade zwischendurch – nicht zum Lachen).

(So nebenbei: Wir sollten uns mal Gedanken über Lebensmittelspekulation machen)

Viele Kinder müssen also aufgrund schlechter Kakaopreise weiter auf dem Feld rumlungern und Kakao ernten anstatt zur Schule gehen zu können.

Zum Abschied sage ich noch: Viel Genuss beim nächsten Kaba. Mir jedenfalls vergeht der Appetit.

Schönen Tag euch und allerliebste Grüße.

Martin

 

(*Namen sind natürlich geändert, die Jungs könnten aber tatsächlich so heißen…)