Wir sind zurück. Unsere Reise ist nun vollständig Geschichte. Wir sind wieder zuhause. Eben fuhren wir noch durch die Nacht. Vor weniger als sieben Stunden waren wir gar noch in Coimbatore und in einem Einkaufszentrum, das wieder gar nicht so nach Indien wirkte. Nur eine Sache war so wie überall. Überall hingen blinkende Lichterketten von der Decke und an den Spiegelglatten und auf hochglanzpolierten, weißen Wänden herab.
Über die verschiedenen Stockwerke verteilt, gab es dann alles von teuren Anzügen, über noble Schuhe und teuren Saris, bis hin zu Lego alles, wirklich alles. Wir waren dort, um unseren Klopapiervorrat auffüllen und meine Augen wurden auf einmal ganz groß, als ich Haferflocken erblickte.
Doch das war nun eben, und das sein, bestand wieder aus uns und Vilathikulam. Ein sein, dass aber auch im Januar gefüllt war von außerordentlichen Momenten.
Das tamilische Erntedankfest – Pongal
Wir waren noch keine Woche wieder in Vilathikulam, da begannen auch schon die nächsten Feierlichkeiten. Pongal. Ein tamilisches Fest ganz zu Ehren der Ernte und der Nutztiere.
Die Feierlichkeiten dauern insgesamt vier Tage. In der Zeit sind PongalFerien und so gingen die Jungs aus dem Hostel nach Hause.
Traditionell wird am ersten Tag – Bhogi – alte Dinge, wie Kleidung, Werkzeug oder auch Spielzeug abgelegt und verbrannt. Es wird sich gereinigt und daraufhin gibt es dann neue Kleidung. Ganz im Symbol des Neuanfangs.
Als die Schule am kommenden Montag dann wieder losging, zeigten uns alle Schüler ganz stolz ihre neuen Kleidungsstücke.
Am zweiten Tag, dem Haupttag – Vakisan Pongal –, wird das typische Pongalgericht gekocht. Ein Gericht, das aber auch zu anderen Gelegenheiten gegessen wird, dann aber oft nicht süß.
Traditionell wird das Gericht draußen und in einem neuen Topf gekocht, über dem Zuckerrohrstangen wie Zeltstangen aufgestellt werden. Das Feuer wird so unter dem Topf entzündet, dass das Pongal zum Sonnenaufgang beginnt zu kochen. Dann brechen alle in Jubelgeschrei aus, das Pongal wird gegessen und den ganzen Tag über gefeiert.
Dieses Event haben wir mehrere Male miterlebt, wenn auch nicht zum Sonnenaufgang.
Das erste Mal sogar schon vor der eigentlichen PongalWoche, am Freitag, in der Grundschule. Die Schulkinder malten die willkommen heißenden Lotusblüten auf den Boden und drückten uns sofort auch das farbige Pulver in die Hände. Wir spielten einige Spiele, während das Feuer entzündet wurde. Kurz bevor es dann zu kochen begann, versammelten sich alle um das Feuer und laute Rufe wurden geschrien. Als es dann zu kochen begann, brachen alle in Gejubel aus und kurz darauf gab es dann für alle Pongal zu essen.
Mir persönlich ist das Pongal ja zu süß, weshalb ich mich mit wenigen Bissen immer begnügt habe.
Das zweite Mal war die Pongalfeier der Mitarbeiter. Am morgen gingen wir in die Stadt und kauften uns eine Pongal und Festbekleidung.
Dann wurde wieder Pongal gekocht und es gab noch zusätzlich Zuckerohr zum Nagen.
Zuletzt feierte noch die Gemeinde Pongal. Es wurden verschiedenste Spiele gespielt und natürlich, so wie es sein muss, gab es wieder Pongal zu essen.
Der dritte Tag – Mattu Pongal – ist ganz den Tieren gewidmet. Die Fathers erzählten uns, dass es hierzu traditionell einen Wettkampf gibt, bei dem es darum geht, möglichst lang den Hals eines wilden Stieres zu umarmen. Die jungen Männer, die bei diesen Wettkämpfen teilnehmen, wollen so Tapferkeit gewinnen.
So einen Wettkampf gab es aber bei uns natürlich nicht. Wir fuhren auf unsere kleine Farm, die Tiere wurden gesegnet und natürlich gab es wieder Pongal und Zuckerrohr zu essen. Diesmal aber auch für die Tiere.
Am letzten Tag – Mattu Pongal – reisen dann viele zu Familienangehörigen. An diesem Tag ehrt die junge Generation die Alte.
An diesem Tag begibt sich ein Großteil Vilathikulams ins Flußbett und sitzt zusammen und feiert Pongal. Auch wir gingen dorthin. Wärend wir durch das Flussbett gingen, wurden wir andauernd angehalten und nach Selfies gefragt. Blieben wir irgendwo zu lange stehen, kamen immer neue dazu, die auch Fotos mit uns machen wollen.
Dann war Pongal auch schon wieder vorb
ei und am Montag ging die Schule wieder los.
Doch ebenfalls am Montag begann die Woche, in der die Nacht der Kultur war.
Cultural Night
Die Nacht der Kultur stand ganz im Sinne des erhaltest der alten tamilischen Kultur und wird von unserem Projekt alljährlich organisiert.
Wenn Vilathikulam so etwas wie einen Marktplatz hat, auf dem alle Mögliche Festlichkeiten abgehalten werden, dann ist dies eine Nebenstraße am Markt. Dort, mitten auf die Straße, wird dann für alles Mögliche eine Bühne aufgebaut. Diesmal organisiert von Vembu.
Gemeinsam mit den Jungs aus dem Hostel machten wir uns um kurz nach sechs auf den Weg zur Bühne. Dort war bereits ein Tanzwettbewerb in vollem Gange. Tanzgruppe aus Jugendlichen im Schulalter führten nacheinander verschiedenste Tänze auf und wurden nach allen vier Aufführungen von einer Juri bewertete. Am Ende gab es dann eine Preisverleihung und der Abend nahm so richtig fahrt auf, mit quietschenden Pfeifentrompeten und scheppernden und überlauten Lautsprechern.
Eine Gruppe nach der anderen ging nun auf die Bühne und führte Musikstücke aus. Eigentlich war dies auch super interessant, doch leider haben Länder wie Indien oft die Angewohnheit ihre Lautsprecher auf extra Laut zu schalten. Dazu kam dann, dass viele der Instrumente mal hierhin und mal dorthin quietschten und quäkten und so wurde es mir nach einiger Zeit schlussendlich einfach zu laut und ich ging in eine Nebenstraße und am Ende auch auf den Weg hinter der Bühne und lunzte in Richtung der Künstler ohne direkt Lautsprecher zu haben, die in meine Richtung schrien.
Viele der Truppen bestanden aus einer Handvoll Trommlern die auf Trommeln verschiedener Größen ihr Können bewiesen und ein oder zwei Blasinstrumenten.
Immer länger zog sich der Abend, doch kein Ende schien in Sicht, eine Gruppe nach der anderen stieg auf die Bühne. Irgendwann gingen dann immer mehr nach Hause, doch immer noch war kein Ende in Sicht.
Nach einer doppelten Ewigkeit war es dann soweit. Die letzte Gruppe spielte die letzten Töne und die die noch da waren, eilten nach Hause, so dass fast keiner mehr da war, für das Gewinnspiel, das noch folgte. Doch die Mitarbeiter und Salesianer hatten ihren Spaß und machten noch jede Menge Selfies, auch mit einem Interviewmikrofon als Dekoobjekt.
Dann endete der Abend und alle fuhren nach Hause. Doch bald stand schon das nächste Musikspektakel an, doch dafür stand erst noch eine Trennung bevor.
Mit Tanz und Musik gegen die Politik
Denn über das kommende Wochenende fuhr Benni zum Jugendtreffen der Provinz. Ich blieb in Vilathikulam, um mir die Tanzaufführung der Tanzgruppe Vembus anzusehen.
Am Sonntagnachmittag ging es los. In einem kleinen Bus der vollgestopft war, von aufgeregten und freudig erregten Jugendlichen. Es ging nach Thoothukudi in einen abgegrenzten Bezirk. Den späten Nachmittag über bereitete die Gruppe sich vor.
Ich ging in dieser Zeit ein wenig auf dem Platz umher. Ich lernte einen Händler kennen, der Schalen und Schöpflöffel aus Kokosschalen verkaufte. Wenn also jemand sowas mal braucht. Ich hab jetzt Kontakte.
Dann wurde ich irgendwann auf einen Platz noch vor der ersten Reise gesetzt, weshalb die Lautsprecher in meinem Rücken standen und weg von mir zeigten, und bekam Kaffee und eine Schale mit Keksen in Hände gedrückt. Kurz darauf fuhr auf einmal ein nobles Auto nach dem anderen an und eine ganze Reihe an wichtigen Menschen stieg aus. Sie wurden in einen extra abgetrennten Bereich, in der Mitte der Stuhlmenge, geführt. Dann ging es los.
Der Bezirk hatte vor einiger Zeit einige Sportveranstaltungen und nun war die Preisverleihung. Und vor und nach dieser waren unsere Tänzer dran und führten einen Tanz nach dem anderen auf. Und das richtig gut und auf verschiedenste Arten und Weisen. Mal wurden lange Stöcke oder Stofftücher durch die Luft gewirbelt, manchmal nur die Arme und Beine.
Während der Preisverleihung wurde dann Preise ohne Ende verliehen. Immer mehr Preistafeln wurden auf die Bühne gekarrt. Am Ende war es nur noch ich und der, der in der Mitte der wichtigen Menschen saß, die fleißig klatschten, bei jedem Gewinner.
Nach einer halben Stunde wurden dann nicht mehr jeder Gewinner einzeln mit Foto abgefertigt, sondern kleine Gruppen gemacht, von denen dann ein Foto von der ganzen Gruppe mit dem Preisübergeber gemacht wurden und nicht jeder einzelne.
Nach noch einmal zwanzig Minuten ging die Tanzvorführung weiter. Und wieder reihte sich einen Tanz an den anderen, ohne dass es nach einem Ende aussah. Trotzdem meinte unser Direktor dann, ein paar Monate später, als wir auf einer Jubeläumsfeier waren, dass das Programm dieser einfach zu lang waren, obwohl das Programm dort im Vergleich zu den beiden von Vembu aufgeführten Aufführungen im Februar echt noch gemäßigt waren.
Doch irgendwann endete dann doch der letzte Tanz und die verbliebenen Zuschauer gingen nach Hause.
Bevor die wichtigen Menschen dann nach Hause fuhren, wurden mit ihnen noch einige Fotos gemacht. Beim großen Gruppenbild sollte ich mich dann genau in die Mitte und hinter den Wichtigsten der Wichtigen stellen, der auf einem Stuhl saß, dabei hatte ich doch mit alledem gar nichts am Hut und war nur ein einfacher Zuschauer.
Dann erklärte mir einer der Brothers einige sehr interessante Details zu diesem Spektakel.
Für sie war dieser Auftritt nämlich ein großer Erfolg. Und das aus verschiedenen Gründen. Ihre Tänze sind nämlich gegen die derzeitige Regierung gerichtet. Mit den Texten der Lieder sagen sie, was die Regierung alles so verbockt hat und falsch gemacht hat. Nach der Vorstellung kamen nun einige der wichtigen Menschen, die viel Macht in dem Bezirk und Thoothukudi haben und eine Goldmine verwalten, zum Direktor und fragten diesen, wie sie denn einfach so gegen die Politik reden könnten, mit ihnen anwesend. Was diese nicht sagten aber meinten, da ihr uns ja so nur vor den Bewohnern bloßstellt.
Diese Aussage hat den Direktor sehr gefreut, denn sie konnten die wichtigen Menschen ärgern, und das, obwohl sie Texte zwischen den Tänzen wegließen, in denen sie die Politik sonst immer richtig angreifen.
Viele dieser wichtigen Menschen wären am liebsten auch schon längst wieder gegangen. Doch der Wichtigste von allen, der sonst oft nur kurz zu Veranstaltungen kommt und dann gleich nach der Eröffnung wieder geht, blieb. Die ganze Zeit. Und solange er nicht ging, konnten die anderen auch nicht gehen. Das war ein weiterer Grund, warum der Auftritt für Vembu ein so voller Erfolg war.
Später erzählte mir der Direktor dann noch, dass sie letztes Jahr eine Aufführung in einer anderen Stadt hatten. Dort kam aber wohl nach einiger Zeit die Polizei und sagte, dass sie nicht mehr weiter aufführen dürfen, da die Tänze die Regierung so kritisierten. Und das obwohl sie eine offizielle Genehmigung hatten, dort aufzutreten. Nur weil er, unser Direktor, seine Rechte kennt – er hat Jura studiert und ist der Anwalt der Salesianer der Provinz – und weil sein Bruder in dieser Stadt wohl recht angesehen ist, konnten sie am Ende doch weiter ihre Tänze aufführen.
Richtig fröhlich und stolz war der Direktor den ganzen Abend bis hin zu seinen Träumen während der Busfahrt zurück
Doch bevor es nach Hause ging, wurde der Auftritt noch bei Parotta und Omelett gefeiert. Dann ging es nach Hause, mit einem kleinen Zwischenstopp zum Teetrinken.
Der Don-Bosco-Tag
Ganz am Ende des Januars, am 31. Tag des Jahres, jährt sich Don Boscos Todestag. An diesem Tag feiern die Salesianer auf der ganzen Welt ihr Vorbild Don Bosco.
Auch bei uns wurde groß gefeiert. Alles wurde geschmückt. Am Nachmittag wurden verschiedene Spiele gespielt und am Abend gab es dann einen großen Gottesdienst und ganz viel zu essen.
Viele aus der Gemeinde kamen, was aber eigentlich nur an Bennis Geburtstag lag.
Und damit endete dann auch der Januar, der für uns ja auch nur drei Wochen in Vembu hatte und der Februar begann und damit die Halbzeit.
Auf bald,
Lukas
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