Lilli in Indien

Don Bosco Volunteer Blog

180 Grad Umstellung und Eingewöhnung

Nach meinem doch eher traurigen Eintrag letzte Woche folgt nun ein Beitrag über neue Veränderungen, an die ich mich diese Woche gewöhnen musste.

Umzug und einrichten

Ich komme von Deepa Nivas nach Hause in mein Zimmer, in welches ich jedes Wochenende nach Hause gekommen bin. Da ist mein Hochbett mit dem lila Mückennetz, da sind meine zwei Fächer mit meinem Zeugs. Ich richte mich erstmal drei Stunden neu ein. Kaufe mir einen Wäscheeimer. In Deepa Nivas habe ich meine Dreckwäsche immer in die Ecke gefeuert, war ja mein Zimmer. Mein Zimmer hier ist Durchgangszimmer und Privatsphäre gibt es nicht. Also Wäscheeimer. Ich wasche meine Laken und Kissen und alles Zeugs.

Young at Risk Day 2018

Young at Risk ist eine nationale Organisation die sich für gefährdete Kinder einsetzt, und Navajeevan gehört da natürlich mit dazu. Für den YaR Day ist leider für uns alle unser Wochenende ausgefallen. Uns alle, das waren aber auch nicht viele. Vier Mädels sind grad im Urlaub bis nächste Woche, so dass Cara und ich alleine mit Johnny (aus Deepa Nivas), Tobi, Flo, Justus und Markus gefahren sind. Voll ungewohnt, so viele Jungs. Es ging nämlich nach Rajamundry mit ein paar ausgewählten Kindern von Navajeevan . Darunter auch ein paar Deepa Nivas Boys.

Am ersten Tag der Veranstaltung werde ich erstmal richtig krank. Es war alles zu viel. Der Abschied aus Deepa Nivas, alles neu einrichten, um 4:30 am Morgen aufstehen und in einen Bus 5 Stunden mit 70 Kindern zu einer riesigen Function fahren… ich hatte keine Stimme, Fieber, Kopfschmerzen. Die Function findet auf einem Schulhof statt, ich gebe meinen Mitvolontären Bescheid und lasse mich von Johnny in einem kleinen, dunklen, sauberen Zimmer auf dem Gelände einsperren. Irgendwie war der nur von außen absperrbar, war aber okay. Denn dort rolle ich mich ein und schlafe 12 Stunden durch. Ich hab den ersten Tag komplett verpasst. Am Abend weckt mich Cara, wir werden in ein Hostel zum Schlafen gebracht. Ich komme mit und schlafe auch die ganze Nacht durch.

Am Morgen geht es mir schon besser, wir machen ein Picknick zusammen. Alle Kinder kommen mit in einen riesigen Park. Dort erzählt zuerst ein Mann irgendwas auf Telugu und dann werden Gruppen eingeteilt, in denen wir zusammen im Park rumlaufen dürfen. Und ich lande bei meinen Jungs. Ich weiß nicht ob es an den 20 Stunden Schlaf liegt, aber ich habe wieder so viel Kraft. Ich bin so glücklich. Wir haben eine Musikbox und Telugu Musik und wir laufen keine zwei Stunden durch den Park, wir tanzen durch die Bambusreihen und die Laubblätterwälder. Ich lache, feuere an, mache Scherze, bin ein kleiner Energieball. Und am Nachmittag packen wir alle Jungs in den Bus und fahren wieder heim.

Im Bus bin ich größtenteils wach und quatsche mit den Jungs, nur am Abend penne ich ein bisschen auf Tobis Schulter. Nach und nach fahren wir alle Stationen von Navajeevan in Vijayawada ab. Bis nach Deepa Nivas. „Good bye, boys. Sleep well…“ Sie winken mir zu, es sind sogar ein paar andere Bewohner von Deepa Nivas rausgekommen um zu winken. Vani ist auch wieder da. Und, oh… Martama winkt. Der Bus fährt ruckelnd los und die Lichter gehen aus. Das ist auch gut so, denn ich hatte schon wieder irgendwas in den Augen und wir hatten immer noch ziemlich viele Kinder dabei, die das so- ganz im Gegensatz zu dem lieben Tobi- nun gar nicht mitbekommen haben.

Neue Mitbewohnerin

Meine neue Mitbewohnerin ist Cara. Wir werden jetzt unter der Woche nur zu zweit in der unteren Flat leben. Swaan kommt in einer Woche auch in die Stadt, sie macht diese Woche noch Urlaub. Sie wird aber in der oberen Flat leben. Sowohl Cara als auch ich haben uns jeweils beim Zusammenleben an andere Leute gewöhnt. Ich habe ein bisschen Bammel Cara zu nerven, aber es wird schon. Was meine Freundinnen zuhause immer aufgeregt hat, war das ich nicht sehr prüde beim Umziehen war. Ich überlege kurz. „Hey Cara wär das ein Problem für dich?“ Cara grinst breit. „Ich komme aus der Ex-DDR, Freikörperkultur bin ich gewöhnt.“ Wie erfreulich, Cara und ich werden uns bestimmt gut verstehen.

Neue Morgenroutine

Ich stehe um 7:40 auf, die Aufstehzeit bleibt gleich. Muss mich erstmal mit Cara koordinieren. Mache mich bereit; Morgentoilette, anziehen, Haare? Bei Flechtfrisuren bin ich faul, ich flechte sie mir einmal und lasse sie dann solange drin bis ich wieder Haare waschen muss, weswegen meine Zöpfe meist etwas unordentlich sind. In der Stadt muss man proper sein. Um 8:15 machen Cara und ich uns auf nach YB („Yuva Bhavan“, das Haupthaus von Navajeevan), in dem auch die College Boys untergebracht sind.

Neue Mahlzeiten

Dort nehmen wir unser Frühstück ein und treffen Father Alex an. „Good morning, girls. Oh Lilli, You look … tired.” Ach Mann, in Deepa Nivas wussten die Jungs dass ich nachmittags viel besser aussehe als morgens. Zum Frühstück stehen fünf kleine Töpfe auf dem Buffet, die nur für die Fathers, den Brother und uns Volontäre sind. In Deepa Nivas gibt es einfach zwei große Töpfe für alle. Das Frühstück ist abwechslungsreich und wahnsinnig gut, auf dem Tisch steht eine große Kanne Kaffee. Aus Instant Pulver und mit viel Mich und Zucker, aber es ist Kaffee. Auch das Mittagessen und Abendessen nehmen wir hier zusammen ein. Es gibt viel Fleisch, Bananen und anderes Obst, Curd, Special Reis.

Neuer Weg zur Arbeit

Dann zeigt mir Cara meinen Drahtesel. Ach nö. Ein ziemlich hohes Herrenrad mit dieser unnützen und super unpraktischen Stange blickt mich an. Ich probiere aufzusteigen, das kann ja heiter werden. Der Sattel ist aus Plastik und Federung gibt es nicht, Speed Bumps werden witzig. Mit meinen Zehenspitzen kann ich knapp den Boden berühren. Plus Punkt, die Klingel ist laut und die Bremsen funktionieren einwandfrei. Den Weg zum Shelter kenne ich schon. Schon was anderes als einfach die Treppe runter zulaufen. Ich strample mich durch die großen Straßen. Vorbei am Kino, rechts am Gemüsemarkt, links am Stand der Blumenkettenverkäuferin, immer geradeaus am Postamt und der Bank vorbei, rechts zum Süßigkeitengeschäft, dann auf den Autokreisel einfahren und ausfahren ohne zu sterben, über die Brücke und gleich danach in einen unscheinbaren Weg am Ufer entlang. Ich falle beinahe um als ich von meinem Fahrrad absteige. Umpf.

Neue Menschen

Allein schon die vielen Menschen die ich auf dem Weg zur Arbeit sehe… Ich werde herzlich im Shelter begrüßt, mindestens zehn Frauen sind da, die Ammas und auch die Mitarbeiterinnen der Street Presence sind anwesend. In Deepa Nivas waren wir Frauen zu viert unter 75 Jungen. Das Komitee ist aber auch nicht ganz für mich, der Father hat Geburtstag und kommt vorbei, dann müssen alle da sein. Im Shelter sind zurzeit drei Jungs, denen ich Englisch und Mathe beibringen soll. Sie sind 16, 18 und 19 Jahre alt. Am Nachmittag gehe ich zu den Lilly Moggas für die Games Time mit den 8 Kleinsten(9-12 Jahre). Also pro Tag 11 Jungs.

Neuer Tagesablauf

Es ist komisch nicht mehr den Alltag von den Kindern mitzuleben. Ich komme für ein paar Stunden und gehe dann wieder heim. Nicht bei den Kindern zu wohnen ist irgendwie befremdlich, aber auch erholsam; man hat wirklich Abstand von den Kindern und ist dann aber zu 100% anwesend wenn man grade da ist. Ich habe jetzt  auch einen strikten Zeitplan mit festgelegten Aufgaben. Das hatte ich davor nicht. So muss ich jetzt weniger überlegen wann und wie viel und was ich arbeite, es ist alles festgelegt. Auch eine Erleichterung.

Neue Einstellung

Auch eine neue Einstellung muss her, denn mit der traurigen Abschiedseinstellung lässt sich kein guter Anfang in diesem ungewohnten Umfeld machen. Natürlich habe ich in den ersten Tagen viel mit Deepa Nivas verglichen, aber jetzt muss ich auch nach vorne schauen. Es gibt gute Sachen hier in der Stadt, und die Arbeit gefällt mir auch. Und ich hab schon geplant wann ich die Deepa Nivas Jungs das nächste Mal besuche. Also her mit Optimismus und Neugier, die Stadt will erkundet werden.

Liebe Grüße,

eure Lilli

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2 Comments

  1. Cara

    Diese Cara scheint ja jetzt omnipräsent in deinem Alltag zu sein, ich wette sie wird gehörig zurück nerven :p Aber ihr beide werdet ein super Team 🙂

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