Lilli in Indien

Don Bosco Volunteer Blog

Krise, Geburtstag und Urlaub- und viele Bilder!

So, Long time, no see! Ich hoffe ihr habt gutes Internet, denn in diesem Beitrag sind EIN HAUFEN Bilder. Wieso habe ich so lange nichts veröffentlicht? Es gab einen Fatherwechsel wegen dem wir rund zwei Wochen nicht besonders viel im Projekt waren, wegen den ganzen Abschieds- und Willkommensfunctions, also nicht viel zum schreiben. Unser leitender Father, Father Balashowry hat uns verlassen, der neue Executive Director heißt Father Ratna. Auch Father Alex hat uns  leider verlassen. Man kann sie hier mit Blumenketten sehen. Ich würde ja jetzt sagen “Probiert mich mal im Gruppenfoto zu finden!”, aber das ist hier wohl doch eher einfach. Übrigens, alle Volontäre stehen auf einem Stuhl, außer Tabea; Tabea steht einfach… Tabea ist zu cool für uns.

Dann haben wir an einem Wochenende als WG einen Ausflug übers Wochenende gemacht, an dem ich keine Zeit zum schreiben hatte und dann war ich mal- nach 4 Monaten- wieder auf Urlaub. Dieser Eintrag hat lange zum Erarbeiten gebraucht, wegen den ganzen Fotos, aber ich hoffe der Aufwand war es wert! Also hier, die drei größten Highlights der letzten Wochen: eine gruselige Krise in Vimukthi, mein Geburtstag und meine Reise in den Norden!

Die weiße Dame

Die kühle Abendluft ist erfrischend, als wir ein paar Minuten draußen tot schlagen bis es Zeit für das Abendessen ist. Wir reden, hören Telugu Musik, manche Jungs tanzen. Ein paar Jungs sind noch drüben beim Waschhaus und duschen noch.

Das Grillen der Zirpen wieder jäh von aufgeregten Rufen vom Garten durchbrochen, die Jungs inklusive Durgu rennen alle Richtung Waschhaus. Tabea und ich bleiben diskret mit den verbleibenden Jungs beim Haupthaus. Wir können da natürlich nicht hingehen… Nach einer Weile kommt eine Menschentraube zurück, in ihre Mitte stützt Durgu einen taumelnden Jungen. Weiter hinten folgt eine zweite Gruppe Jungs, in ihrer Mitte zwei zitternde, weinende Burschen. Komplette Verwirrung.

“The white lady is there! This boy saw her and he falling to shock! Me also see her! Her shadow in the tree…” Sofort wird der Junge hin gesetzt, ein hilfsbereiter Bursche drückt ihm einen Rosenkranz in die Hand. Dessen Perlen dreht er nun wild in seinen Fingern, während er mit tränennassem Gesicht ins Leere starrt. Ein zweiter Junge kommt mit der Bibel und fängt an wahllos verschiedene Passagen stotternd vorzulesen.

Durgu kümmert sich um den ohnmächtig gewordenen Jungen, der schon wieder halbwegs lebendig ist. Tabea und ich bleiben draußen bei den Jungs, die sich wie verängstigte Schafe zusammengedrängt haben. “Boys, Ghosts don’t exist. It is psychological, you think there is something, and then your mind tricks you. It was just a bird, or a light from a passing motorcycle-” “I saw her. Over there, lemon garden. Once, there living a woman, she kill herself because money problems. There is now ghost living…” “It is the devil!” Die Jungs schauen sich erschreckt an, immer mehr wollen nun den Rosenkranz berühren. Ein paar Jungs haben schon einen Gebetskreis gebildet. An diesem Punkt lohnt es sich nicht mehr zu argumentieren, für die Jungs ist da draußen nun etwas, was ihnen Angst macht.

Die Jungs sind bei dem Abendessen wenig später immer noch beunruhigt. Die Lage wird langsam heikel, wenn sich die Jungs hier nicht wohlfühlen oder Angst haben, laufen sie auch eher weg. Die Jungs stehen in einer Reihe für das Abendessen an. Durgu übernimmt das Wort und fängt an auf Telugu zu beten. Voller Inbrunst fängt er mit geschlossenen Augen an zu beten; mal laut protestierend- dann leise, fast wimmernd. Dann nimmt er ein zuvor bereitgestelltes Glas Wasser und bespritzt damit die Jungs. Als die Sonderprozedur vorbei ist, beten wir wie immer das Vater unser.

Nach dem Abendessen schaut Durgu mit allen Jungs lustige YouTube Videos auf seinem Handy- dabei lacht er besonders laut. Tabea und ich haben die Idee, das Zimmer der Jungs mit unseren Yasmin-Räucherstäbchen auszuräuchern. Die helfen gut gegen Moskitos, vielleicht ja auch gegen böse Gedanken? Ein paar Jungs haben sich vom Handy abgewandt und schauen uns jetzt neugierig zu wie wir mit den Stäbchen seichte Rauchkringel über Betten, Fenster und Türen ziehen.

Die Jungs haben sich einigermaßen beruhigt und Tabea und ich ziehen uns zum Feierabend in unseren Volontärstrakt zurück. Nach einer halben Stunde gehen die Jungs ins Bett, Tabea und Ich sitzen in meinem Zimmer und quatschen noch ein bisschen. “Hörst du das?” Aus dem Schlafzimmer der Jungs kommt leises Gemurmel, sie beten eigenständig vor dem Schlafengehen alle zusammen nochmal das Vater Unser.

In den folgenden Tagen gibt es immer wieder ein paar kleine Erinnerungen, aber die beste Eigenschaft des Menschen ist wohl manchmal das Vergessen- so dass inzwischen wieder Ruhe in Vimukthi herrscht.

Mein Geburtstag

Mit meiner Wohngemeinschaft mache ich ab und zu Wochenendausflüge, im Laufe des Jahres waren wir schon in Hampi in Karnataka, Hyderabad in Telangana, Puri in Odisha, Viskapathnam, Arakku und Rajahmundry in Andra Pradesh und Bangalore. Da einer meiner lieben Mitbewohner, Flo, jetzt als erster der sieben 12-Monate-Volontäre geht, durfte er entscheiden wohin unser letzter Trip hingeht: ein zweites Mal nach Hampi! So ein wunderschöner Ort…

An dem gleichen Wochenende hatte ich auch Geburtstag, so dass ich an meinem Geburtstag mit allen beim Brunch war und meine Mitbewohner es sogar eingefädelt haben dass es am Restaurant eine kleine Überraschung für mich gibt!

Auch das Paket von zuhause habe ich mit auf den Ausflug genommen, weil ich es wirklich AN meinem Geburtstag aufmachen wollte und ich muss sagen, am meisten habe ich mich doch über die Karte gefreut. Ich saß draußen mit den ersten verschlafenen Frühaufstehern, die meines Leidens alle Jungs waren, weswegen sie zu nichts zu gebrauchen waren, als ich beim Lesen ein bisschen angefangen habe zu schniefen. Aber dann habe ich auch wieder aufgehört, denn ich habe mich mindestens nochmal so viel gefreut über die ganzen lieben Geschenke die ich auch noch im Paket gefunden habe!

Mein Geburtstag im Projekt war ebenfalls erste Sahne! Nachmittags haben Tabea und ich eine Schnitzeljagd für die Jungs gemacht und abends gab es eine Function: drei Jungs haben jeweils einen eigenen Tanz aufgeführt und alle Jungs haben gesagt was sie bei mir mögen oder welche die besten Momente mit mir waren. Teilweise hat es mich wirklich getroffen, was für kleine Sachen sich die Jungs merken: “sie hat mir singend das Einmaleins beigebracht”, “Sister hat bei den Duties mitgeholfen”, “sie hat meinen Fuß verarztet”, “sie kommt immer mit zum Tellerwaschen wenn ich nicht allein ins Dunkel will”.

Tabea hält auch eine Rede für mich und richtet noch ein paar Worte an mich in unserer gemeinsamen Geheimsprache- unglaublich wie schnell man zusammenwächst, ich bin richtig froh mit Tabea in Vimukthi zu sein. 🙂 Natürlich kommen mir bei all diesen lieben Worten wieder die Tränen und bei meiner eigenen Rede muss ich mir erst mal kurz Zeit nehmen bis ich wieder Stimme habe. Tabea hat sogar eingefädelt, dass ein Schokokuchen gekauft wird, der viel besser schmeckt als der Vanillekuchen mit der Creme, die nach Kinderzahnpasta schmeckt. Wir haben zusammen Kuchen gegessen, getanzt und einen Film geguckt. Ich liebe Vimukthi einfach von ganzem Herzen.

Meine Reise in den Norden

habe ich mit Cara und einer Freundin von zuhause angetreten. Am liebsten will ich diese Reise mit vielen Bildern zeigen…

Kolkata

Von Vijayawada nach Kolkata sind wir 22 h Zug gefahren, der Zug war schrecklich überfüllt und überall saßen, lagen und schliefen die Leute auf den Gängen. Als ehemalige Hauptstadt während des britischen Raj, hat Kolkata viel Kolonialerbe: hier der Queen Victoria Memorial Park (man beachte das wir während der ganzen Reise keine Chunnis tragen!!!).

Wofür Kolkata natürlich auch berühmt ist, dass hier Mutter Teresa ihr Wirken an den Armen und Kranken begonnen hat und hier auch ihr Gründungshaus steht. Wir hatten die besondere Ehre dass Haus zu besichtigen, Mutter Teresas Grab zu besuchen und mal wieder in die geborgene und sanfte Atmosphäre der Schwestern eintauchen zu dürfen.

Nach Kolkata fuhren wir durch die westbengalische Ebene gerade auf das Himalaya-Gebirge zu!

Darjeeling

Nach drei Stunden Busfahrt Schlangenstraße kommen wir in Darjeeling an. Dort ist es so schön, ich gehe sogar wandern, immer mit dem Blick auf den Kanchenjunga, (dem dritthöchsten Berg der Welt) – den ich mir immer von etwas kleineren Bergen angeschaut habe! Hier stehe ich in einer Teeplantage vor der gleichnamigen Bergkette. Leider war es dort auch 20 Grad kälter als ich es gewohnt bin, weswegen ich mir erstmal einen Schal und einen Wollpunjabi gekauft habe…

In Darjeeling gab es auch ganz viele buddhistische und hinduistische Klöster, die alle versteckt im nebligen Urwald liegen. Aber bunte Gebetswimpelketten zwischen den Bäumen und das Klingeln der Glocken (mit dem die Götter gerufen werden) sind gute Wegweiser!

Und je näher man dem Kloster kommt…

Auch die lokale Küche haben wir sehr genossen: Momos sind im Prinzip Maultaschen mit Fleisch drin, aber irgendwie sind sie geiler- oder wir waren einfach hungriger…

Varanasi

Von dem Himalayagebirge runter- nach Zentralindien… Varanasi, einer der ältesten durchgehend bewohnten Städte der Welt, liegt am Ganges und ist super heilig. Viele Leute kommen hier her um zu sterben, da man dann nicht schon wieder wiedergeboren wird. Viele trinken auch das Gangeswasser… wir haben einen Spaziergang über die Ghats(“Stufen”) gemacht, die Treppen hinunter zum Wasser sind. Da grad der Sommer  vorbei ist und praktisch alles nur auf den Monsun wartet, ist der Wasserstand des Ganges zurzeit extrem niedrig.

Je nach Ghat machen die Leute andere Sachen am Fluss; sich rituell waschen, Schwimmunterricht, Wäsche waschen, Fischmarkt, Bootsfahrten für Touristen, religiöse Zeremonien oder Krematorien (die unter bestimmten Bedingungen aufgrund der Religion manche Leichen nicht verbrennen, sondern einfach so in den Fluss werfen; wie etwa die Leichen schwangerer Frauen, Menschen die an einem Kobrabiss oder Windpocken gestorben sind… ). Wir haben uns für eine Bootsfahrt bei Sonnenuntergang entschieden. Ich durfte unseren rudernden Leiter sogar mal ablösen- ich kann ganz toll im Kreis fahren.

In Varanasi gab es in einem Tempel auch eine riesige, beeindruckende Relief-Landkarte von Indien, die noch von Gandhi eingeweiht wurde und bei der Pakistan und noch zu Indien gehört haben…

Khajuraho

Die kurze Geschichte: Khajuraho liegt in Zentralindien in der Pampa. Im Mittelalter wurde es fluchtartig verlassen, tausend Jahre lang vergessen und dann von den Briten “wiederentdeckt”- solche Kolonisten. Hier  seht ihr wunderschöne Pampa.

Die Berichte der Briten, die für die Kolonialherren eigentlich nur Land vermessen wollten, sind sehr amüsant zu lesen: denn es dreht sich eigentlich alles nur darum, wie empört sie über diese unverblühmt-erotische Steinmetzkunst der hinduistischen Tempel im Urwald sind. Natürlich waren sie beim Aufregen sehr britisch; schreibend, dass sie den “Anblick dieser Frivolitäten nicht ertragen können”. Das Schöne ist, dass die Tempel alle gestreut verteilt sind, so dass die Briten immer wieder von der feinen Kunst antiker Steinmetzer, welche heute UNESCO-Kulturerbe ist, geflasht wurden. Hehehe.

In Khajuraho gibt es auch einen Nationalpark, in dem wir eine Safari gemacht haben, im gussartigen Monsunregen. Aber wir konnten trotzdem viele Rehe, Pfauen, Wildschweine, Affen und sogar ein Krokodil sehen!

Wir wurden spontan auch von Locals auf eine indische Hochzeit eingeladen! Es gab super leckeres Essen und wir Volontäre haben erstmal mit den Kindern ein bisschen abgedanct!

Dann sind wir nach 13 Reisetagen wieder unsere lange Heimreise per Zug nach Vijayawada angetreten, und ich damit einer meiner bis jetzt räudigsten Stunden in Indien. Ich hatte mir in Khajuraho eine Lebensmittelvergiftung geholt: 12 Stunden Zugfahrt und mein Ort des Leidens?

Aber wenigstens hatte ich die Schererei am Ende der Reise, richtig? So, jetzt aber Mal Schluss.

Liebe Grüße nach Hause,

Eure Lilli

 

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1 Comment

  1. Melissa

    20 Grad kälter als du’s gewohnt bist…also ziehst du in Deutschland deinen Wollpunjabi einfach nie mehr aus? 😂

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