Lilli in Indien

Don Bosco Volunteer Blog

Neues aus meiner Woche in Deepa Nivas!

So, wieder ist eine Woche in meinem lieben Deepa Nivas vergangen! Viel Spaß beim Lesen!

Mumps

Swaan war diese Woche in der Flat weil sie Kotzeritis hat, also waren nur Johnny und ich in Deepa Nivas. Am Montagmorgen empfand ich nach dem Aufwachen einen unangenehmen Druck bei meinen Ohren. Zuerst war die Eigendiagnose dass sich das umliegende  Gewebe durch meine neuen Ohrlöcher auch entzündet hat. Aber meine Ohrlöcher waren nie entzündet und waren es auch jetzt nicht. Aber egal, ich tue es ab- bis zum Mittagessen, als ich meinen Reis essen will und meine Wangen unglaublich schmerzhaft anfangen zu brennen. Genau an der Stelle hinter den Backenzähnen, die man auch immer spürt wenn man etwas besonders Saures isst.

Ich werde unheimlich müde, habe Kopfschmerzen und gebe Johnny Bescheid dass ich mich für zwei Stunden in mein Zimmer haue. Ich schlafe sofort ein. Lange Rede kurzer Sinn: nach ein paar Stunden hatte ich Hamsterbäckchen und 39 Grad Fieber. Ich habe mir von meinen lieben Jungs wahrscheinlich Mumps geholt.

Die restlichen Tage sind relativ ereignislos, Johnny schaut öfters am Tag mal nach mir, bringt mir Reis den ich nicht essen will und leistet mir etwas Gesellschaft. Er schmeißt jetzt das Deepa Nivas ganz alleine. Das Internet ist schon wieder kaputt, deswegen langweile ich mich zu Tode. Außerdem habe ich wirklich kein Bedürfnis etwas zu essen, und nach 48 h sind sowohl Johnny als auch Martama sehr erpicht darauf dass ich wieder etwas in meinen Magen bekomme. Man sieht also, ich war in den besten Händen.

Nach drei Tagen Schlaf schaue ich das erste Mal wieder nach unten um mir selber mein Wasser zu holen. Die Jungs freuen sich total mich zu sehen. „Sister, we missed you! You feeling better?“ Bei diesen Worten, mein lieber thammudu, geht es mir augenblicklich tausendmal besser!

Fische

Ich sitze, immer noch nicht ganz gesund vom Mumps, auf der Küchentreppe und probiere puren Reis mit Wasser zu trinken. Da kommen die Jungs in einem großen Pulk, zwei von ihnen schleppen einen großen Plastikeimer. Ich beäuge misstrauisch, eine schlimme Vorahnung im Hinterkopf hegend, den Inhalt des Plastikeimers. Hätte ich davor besonders Appetit auf Wasser und Reis gehabt, hätte ich diesen nun wohl verloren. Im Eimer liegen auf dem Trockenen 12 Welse(Fische), jeder ca. 30 cm lang. Und sie zappeln- wieso die Viecher überhaupt noch leben kann ich aber gar nicht mehr fragen.  Die Jungs fangen an zu spielen, den Eimer zu kippen, „hihihi gleich könnte einer raushüpfen- oh doch nicht“. Ich sage noch dass sie es lassen sollen aber sie hören nicht und dann ist es schon zu spät.

6 sehr lebendige Welse flappen auf dem heißen sandigen Boden hin und her und suchen verzweifelt etwas Wasser. Nebenfakt: Wusstet ihr das Fische genauso Schmerzen empfinden wie Vögel oder Säugetiere? Fische ersticken zu lassen ist ziemlich grausam (übrigens gibt es auch in Europa keine Gesetzte die Fische auf diese Art schützen). Ich bin stink-genervt. Die Jungs probieren lachend mit einer Mistgabel die Fische wieder in den Eimer zu schaufeln. Das besänftigt mich wenig. „ ALL OF YOU! YOU GO NOW!!!“ Ich schubse ein paar schaulustige Jungs zur Seite. Ich knie mich breitbeinig vor den ersten Wels. Er zuckt. Das hätte so ein entspannter Morgen sein können. Entschlossen packe ich den Fisch mit beiden Händen an und hebe ihn hoch. Er ist etwas glitschig und ich spüre wie seine Muskeln arbeiten um frei zu kommen. Behutsam lege ich ihn zurück in den Eimer.

Ich überlege ob ich die Fische nicht mit stumpfer Gewalt mit der Mistgabel erschlagen soll aber um ehrlich zu sein ist mir das zu brutal. Einen zappelnden Fisch nach dem Anderen sammele ich auf und lege sie vorsichtig zurück in den Eimer. Der Letzte ist der Größte, er ist bestimmt 40 cm lang und zappelt krampfartig hin und her. Ich probiere einen guten Griff zu erhaschen aber er rutscht mir aus den Händen und fällt in hohem Bogen wieder auf den harten Steinboden. Die Jungs grölen. Mir wird schlecht. Beim zweiten Versuch bekomme ich nun endlich auch den letzten Wels in den Eimer. Ich nehme den Eimerhenkel und trage die 12 Welse in die kühle Küche, weg von den Jungs.

Ich hab die Jungs immer lieb und sie sind auch alle wahnsinnig liebenswert, aber manchmal verstehen die Jungs nicht, dass ich Tiere in einer anderen Weise sehe. Nach dem Vorfall bin ich etwas aufgewühlt (auch weil ich noch krank bin) und die Jungs versprechen mir ehrlich und etwas reumütig das nächste Mal auf mich zu hören. Ich bin besänftigt und gehe zurück in mein Zimmer um mich auszuruhen. Ach, Jungs.

Erdkunde

Ein Kontinentaldrift unvorhersehbarer Richtung schiebt die Ostküste der USA in die Antarktis (Trump verfärbt sich von orange zu blau), Europa wird mit ein paar Staaten Südamerikas bereichert und die Welt wird in Angst und Schrecken gesetzt von einer riesigen Spinne die durch Eurasien tänzelt…

Ich habe den Jungs von Deepa Nivas ein Puzzle der Weltkarte gekauft. Inzwischen puzzeln wir das jeden Tag auf dem Boden der Prayer Hall (das erklärt den Weberknecht)- und es wird schon besser. Die Kontinente können sie schon ordentlich in Reih und Glied anordnen. Ab und zu probiert einer meiner Jungs den Jemen neben Deutschland zu platzieren (ich frage mich inwiefern das die dort drohende Hungersnot von Millionen von Menschen beeinträchtigen würde?) oder probiert unsere Ostsee mit ein bisschen indischem Ozean zu ergänzen (ob wir dann die Verschmutzung der Weltmeere durch Plastikmüll ernst nehmen würden?). Man sieht, ich hab auch meinen „Spaß“ daran in meinem Kopf Szenarien dieser geographisch neuen Weltanordnung durchzuspielen. Obwohl ich mich manchmal leicht zynisch dabei ertappe das wir die untergehenden Flüchtlingsboote vor unserer Haustür und den Ukrainekrise im Hintergarten ja schon weitgehend ignorieren. Ob wir da Katastrophengebiete im Wohnzimmer auch einfach weg ignorieren könnten?

Wenn wir fertig gepuzzelt haben, behalte ich die ältesten Jungs da und wir reden ein bisschen. Ich erkläre den Jungs die Unterschiede zwischen Diktaturen und Demokratien und zeige dann auf verschiedene Staaten und lasse die Jungs sagen wie das Land heißt, was für eine Staatsform das Land hat und manchmal auch wie der Präsident heißt. Ich probiere nicht zu viel eigene Meinung zu bringen, und eher die Jungs reden zu lassen, aber…

„Okay boys, what country is this?“ “Yes, USA, democracy.” “And their president?” “Trump!” “…yeah.” “Sister, you don`t like Trump?” Ein Pulverfass. Institutioneller Rassismus, fehlende Waffengesetze, ICE (nicht der Zug, sondern das Immigration and Custom Enforcement), der Travel ban, … Als ich fertig bin sagen die Jungs dass sie Trump verprügeln wollen (ich bin so stolz auf meine Jungs), aber… „But you need to respect democrazy, Trump is elected leader.“

Wir reden auch, wenn es sich anbietet, über Geschichte(Pakistan war heikel) und die aktuellen Probleme von Ländern. „What are problems of India?“ „Pollution, Sister?“ „Yes! What kind of pollution?”  “Water pollution? And Air Pollution?” “Mhm. You know how water and air is polluted?” Kurzes Zögern. “Plastic Waste and dust.” “Hey, very good! You know who is polluting?” “Factories!” “Yes thammudu, but also people like you and I.” Ich hatte davor noch nie mit den Jungs über Umweltverschmutzung geredet und, unnötig zu sagen, war ich sehr beeindruckt von dem Wissen was sie schon haben (die Konversation hat sich wirklich 1:1 so zugetragen!)

Eine kleine Meldung

Folgendes weiß ich schon seit ein paar Wochen. In den letzten Wochen haben uns zwei von den Volontärinnen, die in der Stadt arbeiten, nach Plan verlassen. Jetzt sind in der Stadt nur noch zwei Volontäre, die  grad noch so die Arbeit decken können, aber nächste Woche wird noch eine Volontärin nach Beendigung ihres Einsatzes die Stadt verlassen.

In Deepa Nivas gab es in letzter Zeit viele Veränderungen: wir haben eine zweite Care Mother bekommen, die nun eine Study Time für die 20 Jüngsten von Deepa Nivas betreut, weswegen wir Volontäre unsere eigene Study Time für die Kleinsten aufgegeben haben. Auch waren früher tagsüber um die 10 Jungs da, jetzt sind es nur noch zwei oder drei. Kurz, es gibt nur noch Arbeit für einen Volontär und in der Stadt sollten drei Leute arbeiten.

Kommende Woche wird Swaans und meine letzte Arbeitswoche in Deepa Nivas sein. Wir haben alle viel überlegt und diskutiert, aber sind zu dem Schluss gekommen, dass es so am sinnvollsten ist. Natürlich bin ich traurig darüber meine liebgewonnenen Brüder nicht mehr jeden Tag zu sehen und es fällt auf beiden Seiten sehr schwer Abschied zu nehmen. Aber wir werden an Sonntagen immer noch die Jungs von Zeit zu Zeit besuchen und so oft wie die Jungs krank sind -oder sich wegen was Dummen verletzen- werden wir sie auch sicherlich noch oft in der infirmary zu sehen bekommen. Außerdem gehen Swaan und ich nicht ohne Saus und Braus: wir haben noch einiges in unserer letzten Woche Deepa Nivas vor …

Mysteriöse Grüße an euch alle,

Eure Lilli

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2 Comments

  1. Cara

    Trotz des schmerzhaften Abschieds von deinen Tham‘mudus, ist natürlich der Riesen Pluspunkt an dem ganzen Wechsel, dass du dann Tag und Nacht mit mir rumhängen darfst 😉 Genieß deine letzte Woche dort und grüß alle lieb von mir! Cara 🙂

    • Lilli

      Das macht es natürlich einfacher😘😊 Unter der Woche nur wir zwei in der unteren Flat, das wird witzig😂😂😂

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