Zuerst mal Entschuldigung für den ausbleibenden Beitrag letzte Woche, es gab Probleme mit dem Internet. Letzte Woche gab es (mal wieder) ein großes hinduistisches Fest: Diwali oder auch Deepavali. Generell feiert man an diesem Tag den Sieg des Guten über das Böse, der Wahrheit über Lüge, des Lichts über Dunkelheit. Begleitend gibt es auch ein paar Geschichten zum Fest, die aber nicht einheitlich sind, wie so oft. So erzählen manche an Diwali die Geschichte vom Sohn eines Gottes der nach langem Exil nach Hause zurückkehrt, während manche von einem anderen erzählen der einen Dämonenkönig besiegt hat und ganz viele Frauen befreit. Feiern kann man es entweder etwas kommerziell (ungefähr wie Sylvester nur ohne Alkohol) oder ruhig-spirituell mit kleinen Öllampen in den Hauseingängen und vielen alten Bräuchen (dann eher wie Weihnachten bei uns).

Diwali im Projekt

Diwali wurde natürlich auch bei mir im Projekt gefeiert! Den ganzen Tag wurde draußen gespielt. Nachmittags kamen zwei Sponsoren und haben uns einen riesigen Karton gereicht- der bis nach oben hin mit Feuerwerkskörpern gefüllt war. Nachmittags wurde schon etwas geböllert und ich musste natürlich auch einen Böller anzünden. Ratet mal wer sich die halbe Hand verbrannt hat? Ja, ich. Diese Feuerwerkskörper sind definitiv nicht Stiftung Warentest geprüft. Dazu später mehr. Vani und der Incharge haben die Kinder dann abends versammelt und mit ihnen eine kleine Runde veranstaltet und über die Bedeutung/ die Geschichte …  also es war auf Telugu und über Diwali, so viel hab ich verstanden.

Wie mich auf die Festivitäten vorbereitet habe

Da Diwali ist, habe ich mich dazu entschieden mich in Schale zu werfen. Ich hab mir meine Haare aufwändiger als normal geflochten (bedeutet ich hab sie geflochten) und mich dezent-natürlich geschminkt. Ich hab meinen Sari, meine vier Armreifen und Kette ausgepackt. Wie man einen Sari bindet habe ich natürlich keine Ahnung, deswegen habe ich mir Unterrock und Bluse schon mal selbst angezogen und dann den langen Sari-Stoff provisorisch um mich rumgewickelt. Da war aber noch echt viel Stoff über, also… habe ich einfach alles, was über war, geknüllt und in meinen Unterrock gestopft.

Dankbar für die Dunkelheit des Abends schleiche ich zu der Küche, bei der ich mich mit Martama verabredet habe. Ich ziehe noch schnell meine Schuhe aus und schlüpfe dann barfuß in das grelle Neonlicht der Küche- der Koch sieht mich zuerst und weiß mal wieder nicht so genau was er tun soll. „Martama?“ Meine Lieblingsköchin kommt hinter einem vollgestopften Regal hervor und schaut mich einen Moment verdutzt an. Und dann brüllt sie vor Lachen (also nicht brüllen, sie würde nie brüllen), sie weint richtige Tränen und kommt zu mir um mir in meine Wangen zu kneifen. Ich sehe wirklich lächerlich aus. Dann wird sie wieder ernst und befiehlt dem Koch mit knappen Wort aus der Küche zu gehen. Dieser zeigt kurz hilflos auf die halb geschnittenen Zwiebeln, aber Martama ist unerbittlich- Größeres als das Abendessen ist auf dem Spiel, ein Sari muss gebunden werden! Und das ein Mann dabei anwesend ist, wäre außer Frage.

Das Binden eines Saris

Kopfschüttelnd zieht sie die lieblos zusammengeknüllten Längen des Saris aus dem Unterrock (bei dem Stoff macht das nicht aus). Dann muss ich meinen Unterrock enger binden. Sie fängt damit an mir einen Zipfel des einen Endes des Sari-Stoffes im Bund meines Unterrocks reinzustecken. Dann legt sie den Sari-Stoff einmal um mich rum auf den Boden und ab hier checke ich nicht mehr ganz was passiert ist. Das andere Ende des Saris wurde super oft gefaltet und mir auf die linke Schulter gelegt, so dass hinten noch ca. ein guter Meter des Stoffs gefaltet meinen Rücken hinabfällt. Der Stoff vor meiner Brust liegt in sanften Falten breit aufgefächert und wird um meine Taille und Hüfte drapiert. Als letztes nimmt Martama den ganzen Rest des Stoffes der am Boden liegt und fängt ihn an in Falten zu legen und klemmt dann den restlichen gefalteten Stoff wie ein Bündel Geldscheine wieder in meinen Unterrock. Sie zupft noch etwas bis die Stoffbahne, die von meiner Schulter zu meiner Hüfte fällt, richtig über den in Falten gelegten Rock liegt.

Tragen eines Saris

Als ich wieder draußen bin, laufen die Kinder zu mir. „Sister, sister, nice style! So pretty!“ Während ich von allen Seiten Komplimente zugeworfen bekomme (und ich mir heimlich denke wieso dass die Jungs in Deutschland nicht tun), wollen auch alle plötzlich meine Hand schütteln. Was irgendwie witzig ist weil es etwas von „Glückwunsch, du siehst gut aus!“ hat. Der Sari an sich ist bequem aber ich muss schlurfen und Treppen steigen ist auch nur mit Rock anheben möglich (ich ernte dafür übrigens einen strafenden Blick von Vani). Wie machen das die Frauen??? Die tragen sogar auf der Baustelle beim Erde schaufeln Saris! Beim Abendessen fühle ich mich doch sehr beobachtet weswegen ich richtig viel esse und absichtlich auch etwas schaufele um keine Geschlechterrollen zu bestätigen.  Trotzdem ist mir die Aufmerksamkeit schon fast wieder peinlich, als ein zweites Gefühl auftritt.

Feuerwerkskörper + Sari

„Wieso zur Hölle habe ich einen Sari an?“ Nachdem Abendessen entbrennt im Innenhof ein Ausmaß an Chaos. Es ist nicht so dass die Böller, Raketen, Wunderkerzen und Fontänen in einem gewissen Maß ausgegeben werden. Der Karton steht auf einem Tisch, wird geplündert und alle Kinder haben Streichhölzer. ALLE böllern gleichzeitig. Jetzt stellt euch mal vor wie unpraktisch das ist in diesem brennenden Chaos in 3 m Soff eingewickelt zu sein- von dem ein Dritte sehr glamourös hinter dir her weht. Die Stimmung in Deepa Nivas war genau die, die man hat wenn man was sau Dummes und Gefährliches macht und immer nur knapp entkommt.Trotzdem hätte ich die ausgelassene Freude bei groß und klein nicht um eine Sekunde missen wollen.

 

Sehr undeutsches Böllern

Raketen werden nicht aus sicherer Entfernung gezündet, sondern direkt aus der Hand. Gilt übrigens auch für Fontänen. Zündschnüre sind für Weicheier: du hockst dich hin, zündest an und es geht (innerhalb max. 2 Sekunden bis sofort) los- viel Spaß beim in Sicherheit bringen. Es gibt Böller (die Dinger die man anzündet die einfach einmal richtig laut knallen) in Form von Faustgröße. Das sind kleine Bomben. Natürlich wieder ohne Zündschnur. Also war der Abend ziemlich witzig und wir haben uns gut amüsiert. Später am Abend bin ich mit Swaan (meiner Mitvolontärin) auch noch auf das Dach gegangen um das Feuerwerk über der Stadt noch anzuschauen.

Diwali in der Stadt

Diwali  wurde auch in der Stadt groß gefeiert. Am nächsten Tag ist unser letzter Arbeitstag der Woche. Deswegen fahren wir abends, wie immer, von Deepa Nivas per Anhalter zur nächst gelegenen Hauptstraße bei irgendwelchen Indern hinten auf dem Motorrad mit. Dort treffen wir drei (Johnny, Swaan und ich) uns wieder und nehmen entweder ein Share Taxi oder hitchhiken. Diesmal sind wir auf der offenen Ladefläche eines kleinen Lasters mitgefahren.

Während wir im Schneidersitz auf der Ladefläche des kleinen gelben Lasters durchgerüttelt werde, saust das nächtliche Vijayawada an uns vorbei. Diwali ist noch immer im Gange, überall brennen bei den Türen und in den Fenstern Diyas, die traditionellen kleinen Öllampen. Auch ist vor jedem Hauseingang ein aufwendiges Kolam zu sehen. Kolams sehen wie große Mandalas aus, die man mit weißer Kreide auf dem Boden malt und dann mit Kerzen, Blütenblättern und/oder bunten Pulvern schmückt.

Auch als wir vom Absetzpunkt  durch die von Lichterketten, Glühbirnen und Diyas erhellten Gassen zur Flat wandern, sehen wir viele Leute die aus den Fenstern schauen und freundlich Leute grüßen. Die Kinder spielen aus den Häusern alle zusammen auf der Straße. Man lächelt viel, es ist eine herzliche Stimmung- in die wir auch eingeladen wurden.

Liebe Grüße an alle,

Eure Lilli