Lilli in Indien

Don Bosco Volunteer Blog

Freche Jungs, “Respekt” und mein persönliches Wachstum

Letztes Wochenende sind wir Freiwilligen nach Hyderabad gefahren, da der Provincial Father alle Volontäre der Provinz zu einem Meeting eingeladen hat. Er war sehr interessiert daran unsere Meinung zu unseren Projekten und unsere Verbesserungsvorschläge zu hören. Meine Mitvolontärin Cara war aber schon super fleißig und hat schon einen Beitrag geschrieben- also bin ich mal faul: https://cara-vijayawada-indien.blog/2018/10/31/volunteers-meeting-in-hyderabad/  Hihihi. Anmerkung von Cara: “Wenn die mich sympatisch finden, können die gleich alle meine Beiträge lesen!” Sie hätte gerne dass ich an dieser Stelle eine Situationsbeschreibung reinhaue (unter Androhung des Verprügelns mit einem Tshirt), aber das tue ich jetzt mal nicht. Stattdessen mache ich einen Beitrag über freche Jungs und „Respekt“.

Über Humor, Witz und Schrauben

Ich chille nach dem Abendessen noch etwas mit den Jungs gemütlich auf den Treppen. Inzwischen wissen alle dass ich etwas Telugu kann. Deswegen nuscheln mich die Jungs in einem Höllentempo mit unbekannten Telugu Wörtern voll. Was leicht frustrierend ist. Vor allem weil Sonno, mein Kumpel/geduldiger Telugu-Lehrer/ College-Boy der zur Unterstützung im Projekt gelebt hat, vom Father zurück in die Stadt geordert wurde. Und damit habe ich niemand mehr, der mir ganz langsam und ausführlich die ganzen Sätze zusammenbastelt und erklärt. Na ja, genug von meinem tragischen Verlust.  Ich sitze also halb amüsiert und halb frustriert zwischen den Jungs, die mir lauter Telugu Sachen an den Kopf werfen.

„English lo cheppu!!!“ (Sag es auf Englisch!) rufe ich verzweifelt. „Sister, English no! Telugu!“ Voll unfair, manche von den Jungs sprechen Englisch gut. Können die nicht übersetzen? Aber die denken gar nicht daran mir zu helfen, sie sitzen lachend auf den Treppen und beobachten meine selbst-mokierende Verzweiflung. „Sister! You have Loser Brain!“ Okay, jetzt bin ich sogar leicht empört. „No, No! I have winner brain!!!“ schmunzele ich halb-trotzig. Gebe mir eine kleine Runde taktvollen Selbstapplaus für diese ausgewogene und erwachsene Verteidigung meines Intellekts (Selbstironie beabsichtigt). „You have loose screw!“ (“Schraube locker”) lacht ein anderer Junge. Jetzt habe ich das Spiel angefangen, jetzt muss ich es auch zu Ende spielen. Aber das Schach-Matt folgt auf den Punkt: „No, Sister`s screw is already completely lost!“ So frech! Das mag ich wirklich an den Jungs- und dass der Witz auf meine Kappe geht stört mich beim Lachen herzlich wenig.

Jugendliche Torheiten

Auch im Alltag können die Jungs echt witzige Sachen anstellen. Ich schaue was die Jungs grade so treiben und wie sollte es anders sein: sie fahren im Flur des zweiten Stock Fahrrad. Im Gang sind die Wäscheleinen an senkrecht hervorstehenden Metallstangen aufgehängt- da kann sich bestimmt toll verletzen…  „Boys, could you please drive downstairs? Outside?“ Die Jungs sagen Okay, schauen sich an und grinsen. Ich denke mir nichts und mache mich auf den Weg die anderen Jungs zu suchen. Laufe ein paar Schritte… -sie würden doch nicht? Oh Mist. Ich renne zu den Treppen „Stop, no!“ Aber die Jungs sind schon dabei die Treppen runterzufahren. Das war so klar, etwas ruckelig holpern die Jungs das Treppenhaus runter. Aber sie tun sich nichts. „Boys! Carry your bikes on the stairs!“Die Jungs sehen die Logik ein, schaffen es zu stoppen und tragen kichernd ihre Fahrräder nach unten.

Verbrüderndes VerblÄuen und das “Nein”

Ein Junge hat seinem Kumpel scherzhaft gehauen. Und weil zu der Zeit grade der Geburtstag von Gandhi war sage ich. „What did Gandhi say? NON-Violence.“ Der Junge lächelt und schüttelt den erheitert den Kopf „He said YES-Violence!” Ich lache und wuschel meinem kleinen Kollegen durch die Haare. Anders ist es in der kleinen Study Time. „All come in circle! We play Game! Klaus come, sit down!“ Klaus, der nicht wirklich Klaus heißt, steht neugierig an der Wand und sagt „No, Sister.“ Der will wissen was wohl jetzt passiert- gute Frage: was mache ich eigentlich mit den ganzen frechen Jungs?

Persönliches Wachstum

In der Antwort auf dieser Frage sehe ich viel von meinem persönliches Wachstum, „personal growth“ wie es auf dem Bogen des monatlichen Volo-Meetings mit dem Father heißt.

  • Als die Jungs am Anfang über mich Witze gemacht haben war ich eher verunsichert und meistens leicht genervt- vor allem weil die Jungs auf Telugu gewitzelt haben. Inzwischen frage ich die Jungs  einfach, dass sie das doch nochmal auf Englisch sagen sollen, und mache ein kleines „Komm verrat es mir“-Spiel draus. Auch kenne ich die Kinder jetzt besser, und freue mich über den gewitzten, frechen und saukomischen Humor der Kinder.
  • Wenn die Jungs meiner Bitten mal anders folgen als gedacht oder  was wirklich Blödes anstellen, dann gehe ich gelassener damit um. Leicht unentspannt in den ersten Wochen, denke ich mir nun, dass die Jungs sich nicht verletzen sollen- aber irgendwo sollen sie auch mal Schmarrn bauen, Erfahrungen sammeln und irgendwann mal schöne Geschichten aus der Jugendzeit erzählen können.
  • Dass die Jungs sich nur zum Spaß manchmal keilen hat mich am Anfang tierisch aufgeregt. “Muss das denn sein?” war eine Frage, die ich mir oft gestellt habe. Aber wenn sie nur zum Spaß in der Games Time ein bisschen raufen und ringen, dann lass ich sie einfach. Wenn es zu arg wird, sie anfangen zum Spaß mit größeren Steinen als Kieseln zu werfen oder sie wirklich streiten, schreite ich natürlich sofort ein.
  • Die größte Herausforderung war für mich die Frage wie ich reagieren soll, wenn sich die Jungs meinen Plänen/Anweisungen wiedersetzen. Ich spiele viel mit den Kindern und mache auch viel Schmarrn- da fällt es mir und den Kindern schwer mich in der Study Time als die strenge Autoritätsperson zu sehen. Hier hat mir das Volunteers Meeting in Hyderabad eine neue Perspektive eröffnet. Am Anfang habe ich mich immer auf das „Du tust was ich sage“-Spiel eingelassen („Mach das!- Nein“ x100). Wenn ein Kind jetzt mal nicht mitmachen will oder stört, dann nehme ich das nicht (mehr) als Respektlosigkeit oder „Nerven-wollen“ wahr. Das Kind ist vielleicht gelangweilt, frustriert oder versteht das Spiel nicht- das ist dann ein ernst zu nehmendes Feedback das etwas zu ändern ist. Außerdem ist meine Rolle als Volontärin eher die einer freundschaftlichen großen Schwester, die mit den Kindern lebt- die Rolle der “Lehrerin” ist eher sekundär.
  • Manchmal wollen die Kinder auch einfach Aufmerksamkeit oder wollen sehen, was passiert wenn sie jetzt „Nein“ sagen. Ich sehe, dass die Kinder mich mögen und mir gefallen wollen- kurz: dass sie „gut“ sind und auch so handeln wollen. Deswegen habe ich diese Woche angefangen sanft Dayachesi  „bitte“ auf Telugu zu sagen, ihnen die Wahl zu lassen. Sie sind nun eingeladen, sie haben die freie Wahl das „Richtige“ zu tun. Wenn sie nicht mitmachen wollen, ist das dann okay- aber diese Woche konnte ich sehen, wie sie lachend in den Kreis laufen und gerne mitspielen. Immer haut das nicht hin, das ist klar. Ich denke aber, dass es für den Umgang, meine Nerven und die Stimmung in der Games Time eine Erleichterung und Verbesserung darstellt- die ich diese Woche schon spüren konnte und in Zukunft weiterführen und ausbauen will.

Liebe Grüße an alle,

Eure Lilli

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1 Comment

  1. Fake News
    Alles Liebe, Cara.

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