Meine Mitfrau Martama, die mit ihrem Ehemann die Küche schmeißt, spricht NUR Telugu. Und obwohl man mit ca. 60 % der Kinder gut mit Englisch auskommt, gibt es doch einige die echt gar kein Englisch sprechen. Also ran an die Lehrbücher- ich lerne Telugu!

Peinlichkeiten beim Sprache lernen

Um euch klar zu machen wie blöd ich mich in Telugu Alltagskonversation bisher angestellt habe und wie sehr jede Telugu sprechende Person an meiner Intelligenz zweifeln könnte- hier ein paar Beispiele:

  • Ich stehe im Innenhof, während die Jungs zum Waschen/Duschen gehen, und habe der Situation entsprechend grad nichts zu tun. Also tue ich meinem felligen Lieblingswachhund was Gutes und kraule ihn hinter den Ohren. Da kommt eine Gruppe Jungs vorbei. Ich deute auf den Hund und sage fröhlich „Pilli!“. Die Kinder schauen mich verwirrt an und gehen zum Waschen. Kucka bedeutet Hund, Pilli bedeutet Katze. Oh Mann.
  • Die Köchin redet und ich schlackere mit dem Kopf von der einen zur anderen Seite um zu zeigen dass ich zuhöre. So ein bisschen verstehe ich auch über was sie redet, sie redet über ihre Familie. Ich habe nur keine Ahnung was genau sie mir sagen will. Ich schlackere weiter mit dem Kopf und konzentrier mich voll darauf wenigstens IRGENDWAS zu verstehen. Schlacker-Schlacker. Sie schaut mich erwartend an. Schlacker? Oh, nein- sie hat mir eine Frage gestellt. Umpf, spätestens jetzt hat sie verstanden, dass ich nur etwa 10% von dem verstehe was sie mir sagt. Aber sie ist so gutmütig, sie lacht und kneift mir sanft in meine Wangen.
  • Ich sitze mit den Jungs auf dem Boden der Dining Hall. Heute gibt es Kartoffel-Curry. Es ist so geil manchmal einfach Kartoffeln zu essen. Ich deute auf die Kartoffelschnipsel auf meinem Teller. „Idhi peru?“ (Dieses Name?), mein Nachbar lächelt und sagt „Bangalumpa!“ Ich pruste vor Lachen. Das ist ein super Wort für Kartoffeln. Noch mehr lache ich als ich den Plural forme… „Bangalumpa-lu!!!“ Ich krieg mich nicht mehr ein, in meinem Kopf tanzen kleine Kartoffel Humpalumpalus aus Charlie und die Schokoladenfabrik. Was für ein wundervolles Wort! Die Kinder lachen verunsichert-das Mädel das auf sie aufpasst hat einen Lachkrampf wegen dem Wort Kartoffeln.
Wie ich Telugu lerne

Trotz allen Schwierigkeiten macht mir Telugu lernen total viel Spaß. Abends sitze ich manchmal mit Swaan zusammen und lerne Vokabeln. Denn Swaan ist eine neue Volontärin aus den Niederlanden, die jetzt auch in Deepa Nivas arbeitet und wir verstehen uns blendend, so dass wir immer sehr viel Spaß zusammen haben. Eine ehemalige Volontärin hat uns ihr Notizbuch da gelassen, wo sie strukturiert ein bisschen Grammatik und grundlegenden Wortschatz niedergeschrieben hat. Des Weiteren bringen uns die College Boys Ram und Sonno, die zur Verstärkung im Projekt mitleben, uns ab und zu was bei. Meistens Grammatik, aber auch so alltägliche Gebrauchssachen (Bitte, Danke, Guten Morgen) und sogar Sachen über die Kultur (Dating in Südindien ist anscheinend sehr kompliziert). Die beiden können  ziemlich gut Englisch, das heißt immer wenn ich was erklärt brauche nerve ich meine Anneyalu (meine “älteren Brüder”). Und Martama bringt mir neue Wörter bei und übt mit mir reden. Und immer wenn ich was Neues lerne werde ich von meinen anderen Lehrern gelobt, da ist das Finden von Motivation nicht sehr schwer.

Was mich motiviert Telugu zu lernen

Nicht nur die Freude und die Überraschung der Leute hier motiviert mich mehr Telugu zu lernen, es ist so auch einfacher für alle Parteien. Ich brauche keinen Dolmetscher und für viele Leute ist es auch einfach peinlich und auch aufwendig immer alles in Englisch sagen zu müssen. Im Projekt spreche ich mit den Kindern, die nur Telugu sprechen, immer auf diese Weise: zuerst auf Telugu (damit sie verstehen) und dann im grammatikalisch korrektem Englisch (damit sie lernen). Ich lerne Telugu außerdem um den Kindern zu zeigen, dass sie zwar Englisch lernen müssen- aber ich für sie Telugu lerne. Im Prinzip ein gegenseitiges Aufeinander zugehen. Außerdem will ich mal verstehen was die so über mich sagen! Manchmal stehen die Kinder ganz unbehelligt neben mir und reden über mich auf Telugu weil ich das ja (bis jetzt!) noch nicht so gut verstehe. Schon ziemlich frech!

Allgemeines Lob

Aber ich –und alle meine indischen Mitmenschen- sind sehr gnädig mit meinem „Telugu“. Alle freuen sich wenn ich auf Telugu vor mich her stammele, wobei ich mich meistens selten blöd anstelle. Letztens mussten bei einer Function  alle wichtigen Parteien kurz was sagen. Und ich wurde für die Gruppe der Volontäre auserkoren, um ein paar Worte an die ca. 50 anwesenden Kinder zu richten. „Subo Daiyam andariki! Naa peru Lilli, nenu Deepa Nivas Volunteer.“ Krächze ich verunsichert in das Mikro-… Jubel bricht aus! Was ich gesagt habe? „Guten Morgen an alle! Mein Name (ist) Lilli, Ich (bin) Deepa Nivas Volunteer.“ Kleiner Fun Fact: Präpositionen werden in Telugu nachgestellt (deswegen eigentlich: Guten Morgen alle an!) und das Verb „sein“ existiert als solches nicht. Egal was ich sage, alle freuen sich wenn ich Telugu rede. Am meisten die Kinder, aber auch die Riksha-Fahrer und die Straßenverkäufer. „Aah, ~schubbelu-keine Ahnung was die hier genau sagen-schubbelu~ Telugu!“ Obwohl die Freude der Letzteren blitzschnell verfliegt, wenn ich anfange auf Telugu über den Preis zu verhandeln.

Trotzdem ist es nicht grade nervensparend für die Leute, oft müssen sie die Wörter mit den ungewohnten Lauten mehrmals für mich wiederholen und meine Aussprache verbessern, weil ich die Sachen immer noch nicht richtig sage. Und wenn sie mit mir reden, müssen sie ganz langsam reden und am besten über Familienbeziehungen, die eigene Person oder Gemüse. Und ich bin auch noch Analphabetin! Ich verstehe nichts wenn ich die Telugu Schriftzeichen lese. Aber wenn ich erst mal ein paar mehr Wörter und Grammatik etc gelernt habe- dann will ich auch das schreiben und lesen lernen!

Meine Lieblingslehrer

Meine Lieblingslehrer sind aber immer noch die Jungs vom Projekt. Denn was haben die mir wohl beigebracht? Klar, Schimpfwörter! Wenn man, ernsthaft oder gespielt, leicht genervt „Hey!“ sagen will, sagt man als Junge „Arre!“ und als Mädchen „Ose!“. Sowas wie „Trottel/ Vollidiot!“ wird einem ja nachgerufen wenn man was leicht Blödes/Dummes macht. Hier ruft man „Ni amma!“ (wortwörtlich: deine Mutter), auch dieses Schimpfwort kann man lieb aber auch „hart“ sagen. Mein absolutes Lieblingsschimpfwort ist aber „Ni tata diki!“, was wörtlich „Der Po deines Opas“ bedeutet. Das benutzt man in Kleinkindstreitereien, inzwischen ist es aber ein Inside Joke zwischen mir und den Jungs geworden.

So lerne ich „jeden Tag ein bisschen“ Telugu und freue mich mehr und mehr darauf, endlich die Einheimischen zu verstehen. Haha, eure Geheimsprache ist bald nicht mehr so geheim!!!

Liebe Grüße an alle da draußen,

Eure Lilli