Lilli in Indien

Don Bosco Volunteer Blog

Ferien für die Kinder- keine Ferien für mich.

Die Kinder haben Ferien, die meisten von ihnen sind heim gefahren, Kinder die kein zuhause oder keine Familie haben, bleiben bei uns in Deepa Nivas. Die wenigen Kinder aus den anderen Projekten, die auch nicht nach Hause gehen, kommen ebenfalls zu uns. Insgesamt waren wir hier in Deepa Nivas diese Woche dreißig Kinder.

Besonderes Ferienprogramm

Wenn die Jungs Schule haben, haben sie eigentlich keine Freizeit. Und jetzt wo sie Ferien haben, haben sie davon ganz viel. Natürlich gibt es jetzt viel mehr Games Time, wir schauen zusammen Filme, wir chillen mit den Jungs in ihren Dormitories (Schlafsäle) und spielen ein paar Runden Carrom Board. Aber die Duties (Haushaltsjobs) fallen nicht aus! Hof fegen ist jeden Tag, doch heute gab es eine Special Duty: Gartenarbeit und die Flure und Dormitories mal richtig mit dem Mopp nass durchwischen. Meine Aufgabe war es hier zwischen den verschiedenen Gruppen hin und her zulaufen und zu schauen dass die Jungs auch arbeiten. Das Missverständnis, dass ich für die wenigen faulenzenden Jungs die Arbeit machen würde, habe ich schnell und streng aus der Welt geschafft. Nach einer halben Stunde sind die Böden sauber (und schon fast wieder trocken, hier hat es immer noch um die dreißig Grad) und die Beete sehen toll und gepflegt aus. Leider- oder vielleicht auch Gottseidank- haben wir diesmal keine Schlangen in den Beeten gefunden. Obwohl ich das immer interessant finde.

Schnipp-Schnapp Haare ab

Heute hatten wir in Deepa Nivas mal wieder Sponsoren der besonderen Art. Sechs Friseure haben sich den Vormittag frei genommen und haben allen Jungs die Haare geschnitten. Aufgrund der Ferien waren das aber Gott sei Dank nur dreißig Jungs. Eine der Friseure kommt auf mich zu. „You also?“ Tja, gefragt, gesagt, getan. Ich löse geschwind meine schöne Flechtfrisur auf. Meine leicht gewellten, von der strengen Flechtfrisur ganz wuscheligen Haare fallen mir fast bis zur Taille. Unter den Jungs entbrennt eine Diskussion ob meine Haare weiß (Hautfarbe „weiß“, Haare „weiß“) oder golden (ich bin geschmeichelt) sind. Sonno, der College Boy der zur Unterstützung mit im Projekt lebt, klärt die Jungs weltmännisch auf das meine Haarfarbe als blond bezeichnet wird. „How much?“ fragt der Friseur. Mein Nacken ist unangenehm schwitzig, die Haare liegen warm auf meinem Rücken. Und es wächst ja nach. Ich sage „short“. Mein Friseur deutet an mir fünf cm abzunehmen. Ich deute auf mein Schlüsselbein, ich will 20 cm runter. Ich spiele sogar kurz mit dem Gedanken mir eine Glatze machen zu lassen, aber dann würde ich mir wahrscheinlich durchgehend Sonnenbrand holen und ich weiß nicht ob mein Schädel eine schöne Form hat. Außerdem wären die Jungs dann wirklich traurig. So sind die Kinder, die sich nun in einem respektvollen Halbkreis versammelt haben um sich das Spektakel anzusehen, nur mild schockiert. Normalerweise haben Frauen hier Haare bis zum Po. Der Friseur fängt an geübt und schnell mir meine Haare abzunehmen.

Locke für Locke fällt auf den Boden des Innenhofes  zwischen die schwarzen kurzen Härchen der Jungs. Je mehr die Schere schneidet, desto leichter wird die Hitze und desto weiter klappen die Münder der Jungs auf. Sonno schüttelt traurig den Kopf. Aber ich habe halt dicke Haare, die Hitze ist wirklich anstrengend und das Flechten, Bürsten, Duschen… das geht mit kurzen Haaren so viel schneller.  Der Friseur ist fertig. Ich fahre mir kurz mit der Hand durch die Haare. Oh, was für eine tolle Entscheidung. Ich mache mir schnell einen Dutt und alle Haare sind noch lang genug um reinzukommen- perfekt. Ich mache ein paar Fotos mit den Friseuren, bis mich ein Junge fragt ob er meine Haare haben darf. Äh… ich hatte die jetzt auf den Büffelmisthaufen geschmissen. „What do you want with it?“ Der Junge grinst. Er will es verkaufen, er hat einen Kumpel beim Perückenmacher. Tja, Geschäftssinn will belohnt sein- schnell klaubt der Junge meine Haare auf. Allerdings erwischt er nicht alle, den Rest des Tages sehe ich immer wieder Jungs die mit einer einzelnen Locke spielen. Sie stellen sich vor, es würde aus ihren wunderschönen, dicken, schwarzen Haaren auch eine blonde Strähne wachsen.

Zeit um Mal in die nderen Bereich

Zu einen von meinen Hobbies gehört das Kochen. Und weil ich diese Woche mal wirklich etwas Zeit habe, habe ich mal in die Küche geschaut. Martama und der Koch waren sehr erfreut dass ich mich auch für diesen Teil des Hauses interessiere- und haben mich mit einem Chai auf einen Stuhl am Rand gesetzt. Obwohl ich mich immer über Chai freue, war diese besondere (in Indien höfliche und normale) Behandlung nicht ganz das was ich tun wollte. Martama sitzt auf dem Boden vor einem riesigen Blechteller. Der Koch sitzt ihr gegenüber. Neben ihnen ist ein riesiger Kochtopf, in dem das frische Gemüse im kalten Wasser schwimmt und auf das Schnippeln wartet. Der Koch hat ein Holzbrett auf dem Schoß und ein großes Messer. Martama hat im Schneidersitz ein Holzbrett unter sich geklemmt. Am Ende des Bretts ist die Schneide einer Sichel angebracht, deren Spitze und Schneideseite direkt auf Martama zeigt. Martama nimmt eine Zwiebel und fängt an sie schnell und geschickt mit dem bloßen Daumen gegen die Sichel zu drücken, bis ihr Daumen die Sichel erreicht. Und das in einem Affentempo. Ohne sich zu schneiden. Unnötig zu sagen, ich bin fasziniert.

Martama erhebt sich aus dem Schneidersitz und geht zu einem kleinen Topf am Herd in dem etwas köchelt. Es ist eine braune Brühe mit Klumpen (?) drin. Ich denke mal das ist was Fleischiges. Sie schüttet die Brühe in ein Sieb und fängt an mit der bloßen Hand im Sieb zu rühren. Der Saft, der dabei entsteht, wird in einem anderen Topf wieder aufgefangen. Ich frage ob ich an ihrer Stelle weiterschnippeln darf. Sie freut sich und deutet auf ihren Platz am Sichelbrett. Oh-uh. Ich nehme eine Zwiebel. Fange quälend langsam an sie gegen die Sichel zu drücken. Sehr vorsichtig, meine Fingerkuppen sind mir wichtig. Aber nach einer Zeit ist das eigentlich voll okay, ich werde immer schneller, immer schneller- und fange an mit den Zwiebeltränen zu kämpfen. Und es aufhalten- geschweige denn aufhören- kann ich auch nicht! Der Koch sieht es zuerst und wird leicht nervös; er schaut auf sein Brett, arbeitet schneller und schaut ab und zu hoch. Der arme Mann weiß gar nicht was er mit seiner heulenden Gehilfin anstellen soll. Jetzt sieht es Martama auch- kurz verwirrt ob ich grade wirklich einen Gefühlsausbruch habe- aber dann lacht sie herzlich.“Ulupai!“ (Tel. Zwiebel) Ich lache etwas hilflos, das Lachen löst auch den Koch und er lacht befreit mit. Er ist sogar so nett und schält die letzten zwei Zwiebeln für mich. Weil Martama in der Küche auch noch andere Sachen zum Wuseln findet und ich mich echt nicht so dumm anstelle, darf ich sogar weiter beim schnippeln helfen.

Für das Curry braucht es nämlich nicht nur Brühe und Zwiebeln sondern auch… Dondakaya. Man stelle sich eine sehr kleine Gurke vor, die kein Gurkenfleisch hat, sondern innen drin nur weiß bis rötliche Gurkenkerne hat. Dondakaya kann man sogar roh essen, sie schmecken wässrig und etwas saurer als Gurken. Googelt einfach mal. Man findet Bilder, aber keinen Wikipedia-Eintrag. Für unser Dondakaya-Kura (Kura=Curry) brauchen wir sehr viele dünne Scheiben Dondakaya. Ich sitze 90 Minuten auf dem Boden und schnippele dieses mysteriöse Gemüse. Auch ein paar Tomaten dürfen nicht fehlen. Endlich sind wir fertig. Ein riesiger Topf wird auch den Herd gestellt, der mit der Gasflasche unter dem Herd betrieben wird. Etwas Öl und dann landen fünf tiefrote, getrocknete Chilis im heißen Öl die daraufhin ihre Farbe zu schwarz wechseln (nicht will sie verkokeln). Des Weiteren folgen frische Curry-Blätter in den Topf. Diese Blätter sind so wichtig für das Curry wie das Basilikum im Tomate-Mozzarella Salat. Dann folgen die Zwiebeln, und dann der Berg an Dondakaya. Mit Brühe abgelöscht und Masala (Gewürzmischung) drauf- fertig. Super geil. Was bin ich glücklich das ich mal (wortwörtlich, es tut mir leid) in die Küche hineinschnuppern durfte.

Liebe Grüße an alle da draußen,

eure Lilli

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1 Comment

  1. Melissa

    Du kochst dann hoffentlich auch mal bei uns daheim 😘

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