Muraho, liebe Leser!

Im kommenden Blogeintrag soll es um die, bzw. meine weiße Hautfarbe gehen; wie sie hier in Ruanda wahrgenommen wird und welche Bilder im Kopf aufploppen, wenn man an Afrika und Europa denkt. Da dieses Thema zu unserem Alltag gehört, möchte ich etwas dazu erzählen, bevor ich wieder in Deutschland bin. Ich erzähle Euch von einigen meiner Erfahrungen und Situationen in denen ich besonders gespürt habe, dass ich weiß bin. -Ich kann nur für Ruanda sprechen.

Ich möchte mit diesem Beitrag niemanden verurteilen, ich möchte aufklären und aufzeigen, wie ich hier wahrgenommen werde. Dass ich teilweise bevorzugt werde, dass sich sehr viele Menschen über uns freuen, dass wir mehr als Einheimische wahrgenommen werden, dadurch dass wir die einheimische Bantusprache Kinyarwanda größtenteils beherrschen. Wie sich das äußert könnt Ihr in diesem Blogbeitrag lesen. Ich muss dazu sagen, dass uns noch nie jemand negativ begegnet ist aufgrund unserer Hautfarbe.

Als „Umuzungu“, im Plural „Abazungu“ bezeichnet man auf Kinyarwanda Menschen mit weißer Hautfarbe. Wobei manchmal der Unterton „weiße gleich reiche Person“ mitschwingt. Des Öfteren haben wir schon gehört „…gib mir Geld, du bist weiß, alle Weißen haben Geld.“, von einigen Kindern, aber auch von Erwachsenen. Mit der Erwartungshaltung einiger Menschen, wir hätten immer Geld, hatte ich vor allem am Anfang Schwierigkeiten.

Die Medien tragen nicht wenig dazu bei, dass hier viele Menschen (nicht alle!) eine weiße Person gleich als reich vermuten; Europa wird in Werbungen häufig als das Paradies dargestellt, wo sich viele Menschen in teuren Autos ihren Weg bahnen und so kusiert es dann auch. Aber auch in Europa kommen schnell Bilder von schwarzen Kindern mit Hungerbäuchen in den Sinn, wenn man an den afrikanischen Kontinent denkt, es gibt nirgendwo fließend Wasser und alle Menschen leben in Lehmhütten. Was zwar teilweise stimmt, wird aber stark von Medien beeinflusst und sollte vollständig vermittelt werden. Am besten sollte man selber erkunden. In Kigali zum Beispiel gibt es auch Menschen, die sich den „europäischen Standard“ leisten können, genau so wie es auch in Deutschland ärmere Menschen gibt.

Es ist auf keinen Fall böse gemeint, wenn uns jemand ‚Umuzungu‘ nennt …aber wenn wir so genannt werden, obwohl unser Name bekannt ist, mag ich das nicht so gerne. Oft dient es aber auch einfach der Orientierung, damit man direkt weiß, wer gemeint ist, wenn jemand von uns spricht. Aber Katha und ich betonen, dass wir Katharina und Laura heißen und nicht „Umuzungu“.

…Die weiße Hautfarbe -ein Phänomen… Wie viele Kinder habe ich aufgrund meiner weißen Hautfarbe schon zum Weinen und Schreien gebracht, wie viele unzählige Blicke schon auf mich gezogen. Wie viele Kinder rennen auf uns zu, weil sie sich freuen uns zu sehen und uns dann anfassen und ansprechen möchten. Es kommt auch schon mal vor, aber eher seltener, dass Kinder zum Beispiel unseren Arm berühren und sich danach ihre Hand anschauen, um zu sehen, ob unsere weiße Hautfarbe abfärbt. Wobei das nur bei Kindern, die wirklich noch nie eine weiße Person gesehen haben, der Fall ist. Wenn man in einem Dorf wohnt, in dem man nur selten Weiße sieht, ist das eben nicht so geläufig, dass zwei weiße Mädchen durch die Straßen laufen und dann auch noch die einheimische Sprache größtenteils beherrschen. Und weil man hier eben nicht täglich Weiße auf der Straße sieht, und man sonst auch nicht so viel von ihnen mitbekommt und hört, denn einige Kinder bekommen von ihren Eltern oder Anderen nichts davon erzählt, denn es ist einfach nicht tägliches Geschehen, kann man das verstehen. Wie ich wahrgenommen werde hängt von dem Ort, der Situation, den Mitmenschen; ob erwachsen oder Kind, Wohnort und auch vom Bildungsgrad ab.

Ich möchte Euch jetzt an einigen meiner Erfahrungen teilhaben lassen. Wie werde ich wahrgenommen?

Es reicht oft, dass wir nur „Mwiriwe“ – „Hallo“ sagen, um die Einheimischen zum Staunen und Freuen zu bringen. Dann heißt es oft direkt „Ohh, bazi ikinyarwanda!“ – „Ohh, sie sprechen Kinyarwanda!“. So viele Menschen freuen sich sehr über uns, darüber, dass wir uns für ihre Kultur interessieren und ihre Sprache lernen. Das ist ein schönes Gefühl und dafür falle ich auch gerne auf. 🙂

Seltener werden Katha und ich von Kindern, Jugendlichen oder Erwachsenen auch gefragt, ob wir Schwestern wären oder ob Père Léon, der belgische Salesianer unserer Kommunität, unser Vater oder Opa sei. Das zeigt unter anderem, dass der Gedanke, alle „Abazungu“gehören ein und demselben Volk an, kommen aus ein und demselben Land (Abazunguland?) und vielleicht auch sogar dieselbe Sprache sprechen, existiert. Es gibt sogar ein Wort für die ‚Sprache der Weißen‘.

Je weiter man aufs Land fährt hinter unserer Dorfkirche, wo die asphaltierte Straße endet und die Hubbelpiste beginnt, desto mehr verblüffende Gesichter sieht man, desto mehr Menschen kommen neugierig auf mich zu, hauptsächlich Kinder, andere schauen einfach nur. Auf dem Markt in Rango werden wir auch oft angeschaut, wenn wir durch die engen Gänge schlendern und wieder mal Ibitenge kaufen.

Wir gehen jeden Sonntag bei uns in Rango in die Kirche für den Gottesdienst. Suchen wir uns dann Plätze aus oder gehen zu der ausgeguckten Bank schauen uns gefühlt alle in den Schiffen, die wir passieren, an. Das nervt mich manchmal, denn wir sind schon so lange hier. Aber die Einheimischen meinen es nicht böse, wenn sie uns anschauen, im Gegenteil, sie freuen sich und staunen einfach nur. Aber oft denkt man da nicht dran.

In der Apotheke hatte ich mal eine eher nicht so schöne Erfahrung aufgrund meiner weißen Hautfarbe. Ich betrat die Apotheke und stellte mich in die Schlange. Die Frau mit ihrem Baby, die vor mir in der Schlange stand ließ mich vor und meinte, sie werde schon bedient, was ein Apotheker beteuerte. So ging ich an ihr vorbei an den Tresen und gab dem Apotheker mein Rezept. Als ich fertig war ging ich einen Schritt vom Tresen weg um alles zu verstauen und sah, dass die Frau an den Tresen zum Apotheker ging und ihre Bestellung aufgab, vorher war sie noch gar nicht dran gewesen. Sie hatte mich vorgelassen, obwohl sie eigentlich dran war und der Apotheker hat mich in dem Glauben gelassen.

Beim Arzt, im Krankenhaus bezahlen wir genau denselben Preis wie die Einheimischen, aber kommen meist vor den Anderen, die schon länger warten dran, auch wenn sie schlimmer verletzt sind. Das lehnen wir dann dankend ab, denn wir wollen nicht bevorzugt werden, nur weil wir weiß sind. Wir wollen genauso wie alle anderen warten.

Manchmal wenn ich ein Kind (auf dem Rücken) trage werde ich gefragt, ob es mein Kind sei. Dass ein schwarzes Kind eher nicht meins sein kann, wird oft vergessen. 😀

Viele Menschen rufen uns „Umuzungu, (ndagukunda)“ -‚Umuzungu, ich liebe Dich‘ oder anderes hinterher, gucken uns nach und die Auto- und Motofahrer/innen begrüßen uns mit der Lichthupe. Was aber im Gegensatz zum Anfang, als Katha und ich noch neu waren, echt weniger geworden ist. Besonders auf dem Markt, bekommen wir manchmal falsche Preise gesagt (von Monat zu Monat wurde es aber echt besser, da es natürlich auch hilft, die einheimische Sprache zu kennen), bestenfalls sollte man die Preise so halbwegs kennen und wenn auch minutenlanges Verhandeln nicht hilft, klappt es meist immer sich vom Marktstand zu entfernen und zu sagen, man kaufe es woanders oder gar nicht… und schwupps, der Verkäufer/in ruft einem einen vernünftigen Preis hinterher. Geht doch -dieses Prinzip klappt meistens, wenn es anders nicht funktioniert hat.

In Kigali bahnen sich mehr Weiße ihre Wege als hier in Rango zum Beispiel, deswegen bin ich in Kigali nicht ganz so eine bunte Hündin, wobei man, je nachdem wo man ist und je nach Situation trotzdem auffällt.

Allgemein kann man sagen, dass wir immer auffallen, egal wo wir sind. Obwohl es nur die Hautfarbe ist, die uns von den Ruandern unterscheidet, werde ich teilweise als „anders“ wahrgenommen. Ich möchte nicht so viel Aufmerksamkeit auf mich ziehen, nicht aufgrund meiner Farbe besonderer als alle anderen sein, bevorzugt werden, ich möchte einfach normal sein, eine von vielen, manchmal einfach nicht auffallen, das ist aber nicht immer möglich, da ich wie gesagt manchmal als „anders“ wahrgenommen werde.

Mir bleiben noch 2 Tage in Rango, meinem Zuhause. In der letzten Zeit erlebe ich nochmal intensiver und nehme bewusster wahr. Ich genieße und bereite mich gedanklich so gut es geht auf unseren bevorstehenden Abschied vor, wobei mir das schwerfällt, da sich das alles surreal anfühlt. Irgendwann muss ich auch meine Koffer packen, aber das schiebe ich noch etwas vor mir her, denn irgendwie ist Kofferpacken ein Zeichen dafür, dass es jetzt wirklich losgeht. Ich denke viel an den Abschied und möchte ihn akzeptieren und mich bewusst verabschieden, so gut es geht.

Unsere letzte Sonntagsmesse liegt hinter uns. Heute morgen haben wir uns in der Gemeinde verabschiedet. Die lebendigen Gottesdienste werde ich in Deutschland echt vermissen, viel Tanz, Gesang und Geklatsche. 🙂

Von einigen Menschen musste ich mich bereits verabschieden. Am Sonntag haben wir uns von „unseren“ Kindern verabschiedet, sie mit Essen, Fanta und einer Armbänderaktion beglückt. Und auch die Novizen (die immer gegenüber von uns im Noviziat wohnen) haben bereits ihr Jahr im Noviziat abgeschlossen, machen jetzt zuhause Urlaub und die Neuen sind bereits da. Verabschieden fühlt sich seltsam an, denn ich in meinem Kopf schwirren Gedanken, die mir sagen, dass ich die Leute doch demnächst schon alle wiedersehe, denn ich habe so viele Menschen ja fast täglich ein ganzes Jahr lang gesehen.

Der Abschied wird mir sicherlich nicht leicht fallen, aber das gehört dazu. Bevor es zurück nach Deutschland geht, werde ich mich nochmal melden.

Zum Abschluss noch ein Bild von Alphonce* und mir, dem kleinen Racker von 6 Jahren, der immer auf dem Rücken getragen werden will und der mich immer zum Lachen bringt, wenn er seine lustigen Grimassen zieht oder plötzlich anfängt zu tanzen, aber wie! Außerdem ist er total kitzelig, manchmal kann man ihn gar nicht anfassen, ohne dass er anfängt zu lachen.

Eure Laura

Ich mit dem zuckersüßen, frechen Alphonse* und einem selbstgebauten Ball

*Der Name wurde von mir geändert, um die Anonymität des Kindes zu schützen.