Heute haben für unsere Jungs die Ferien angefangen. Eine Woche lang dürfen sie nach Hause zu ihren Familien. Nur die 13 College boys (ab 18 Jahre) bleiben hier. Alle Schulkinder haben frei. Viele freuen sich schon seit letzter Woche darauf.
Gestern Abend hat mich Abinash* gefragt, wie meine Eltern heißen. Er hat es immer ganz anders ausgesprochen, weil es die Namen hier natürlich nicht gibt, worüber wir beide uns dann kaputt gelacht haben. Irgendwann habe ich dann auch ihn gefragt, wie seine Mama heißt. Darauf sieht er mich nur mit großen Augen an und meint: „No, Mummy died.“ Ein Schlag ins Gesicht. Hätte ich ihn bloß nicht gefragt. Bei der Frage, wie sein Papa heißt sieht er mich wieder mit seinen großen schwarzen Augen an und sagt: „Daddy died.“ Dann erzählt er mir aber, wie seine Großeltern heißen. Okay, die müssen wohl noch leben. Wir wissen, dass nicht mehr alle Kinder die hier wohnen eine Familie haben. Wir wissen jedoch nicht, wer am nächsten Tag abgeholt wird und wer bleibt. Ich hoffe in diesem Moment so sehr, dass Abinash für die Ferien abgeholt wird. Doch er hat keine Geschwister. Und ich weiß nicht wie alt seine Großeltern sind. Hat er Onkel oder Tanten? Ich weiß es nicht und traue mich auch nicht nachzufragen. Also spiele ich Daumen catchen mit ihm, um ihn auf andere Gedanken zu bringen.
Heute Morgen begrüßt er mich mit den Worten, dass ihn sein Opa heute abholen wird. Um 10:15 Uhr kommt er. Er sagt es so stolz. Mit einem riesigen Grinsen im Gesicht. Ich freue mich, doch ich hoffe so sehr, dass sein Opa auch wirklich kommt. Als wir später am Sportplatz sind und ich mit ein paar Jungs den Volleyball hin und her schlage, beobachte ich Abinash. Ich sehe wie er nach jedem Wurf zum Eingang des Gebäudes späht, um zu sehen ob sein Opa schon da ist. Mich macht es nervös. Ich schaue immer wieder auf die Uhr und bin froh, dass es noch nicht 10:15 Uhr ist. Er kommt bestimmt. Abinash sagt mir, dass sein Opa noch nicht da ist. Um ihn zu beruhigen, sage ich ihm dass es noch gar nicht so spät ist und er sich keine Sorgen machen braucht, er kommt später ganz sicher. Ich hoffe innerlich so sehr, dass es stimmt. Danach sitzen wir mit den Jungs im Klassenzimmer und schauen einen Film auf Tamil. Viertel nach 10 ist bereits vorbei und Abinash sitzt noch immer im Raum. Oh mann, wann kommt sein Opa endlich?
Irgendwann läuft Abinash raus und kommt kurze Zeit später wieder mit einem riesigen Strahlen im Gesicht. Er steht an der Tür des Klassenzimmers und macht mir mit Handzeichen klar, dass sein Opa gekommen ist. Ein großer dunkelhäutiger Mann mit grauen Haaren und einem weißen Gewand kommt neben ihn. Mir fällt ein Stein vom Herzen. Das Grinsen dieses Kindes bedeutet mir in diesem Moment so unglaublich viel.
Doch ein paar andere Jungs sind noch hier. Jetzt ist es Abend und sie werden wahrscheinlich nicht mehr geholt. Sie haben keine Familie mehr, kein Zuhause. Diese Erkenntnis ist hart, wirklich hart und eigentlich unvorstellbar. Doch trotzdem Realität. Wir werden die Ferien mit ihnen hier verbringen, da hier im Don Bosco Care Home ihr Zuhause ist.
*Der Name des Jungen wurde aus Datenschutzgründen geändert.
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